Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Menschenrechte)

Ungerechtes Urteil

Prozeß um Entführung von Aktivisten

Die Opfer der systematischen Entführungen von politischen Aktivisten sind sich darin einig, daß das Urteil gegen 11 Mitglieder von Kopassus, einer Spezialeinheit des indonesischen Militärs, ungerecht sei. Bei dem kürzlich beendeten Prozeß wurden Haftstrafen zwischen einem Jahr und 22 Monaten ausgesprochen, dennoch dürfen 6 der 11 Verurteilten weiterhin in der Armee verbleiben. Der Prozeß fand statt, nachdem Entführungsopfer Mitte vorigen Jahres den Mut aufgebracht hatten, in der Öffentlichkeit über ihr Schicksal zu berichten und Beweise vorzubringen, die der Spezialeinheit der Armee, unter Führung des Schwiegersohnes Suhartos, die Hauptverantwortung an den Entführungen zuwiesen (s. Indonesien-Information Nr. 1/1999).

Durch den Prozeß sollte vor allem die Rolle Suhartos und seines Schwiegersohnes Prabowo in der Planung und Durchführung der Entführungen geklärt werden. Da die Opfer allesamt politische Aktivisten waren, ist davon auszugehen, daß die Entführungen dem Zweck dienten, gezielt die politische Oppositionsbewegung zu zerschlagen. Dabei wurde der Tod entweder billigend in Kauf genommen oder gehörte gar zum Kalkül der Militärs. Laut Informationen von Kontras, der unabhängigen Kommission für Verschwundene und Opfer von Gewalt, sind bisher nur 9 der 23 Entführten wieder aufgetaucht, eine Leiche wurde entdeckt, 13 weitere Opfer werden noch immer vermißt. Inzwischen ist ein Jahr vergangen und es ist anzunehmen, daß keines dieser 13 Opfer noch am Leben ist.

"Der Prozeß war nicht fair, nur niedere Offiziere saßen auf der Anklagebank," so Raharja Waluya Jati, einer der Entführten /Tapol, 21.4.99/. Offensichtlich diente das Verfahren der Armee nur dazu, um in der Öffentlichkeit das Gesicht zu wahren. Einige niedrige Militärs wurden zum Sündenbock gemacht um die wahren Täter zu schützen. Es gilt als ausgeschlossen, daß die Verurteilten die eigentlichen Drahtzieher gewesen waren, denn dazu waren ihre Dienstränge zu niedrig (der höchste Offizier war gerade mal Major).

Eigentlich hätte Prabowo auf der Anklagebank sitzen müssen, doch obwohl es der militärischer Untersuchungsausschuß für erwiesen ansah, daß Prabowo als Chef der für die Entführungen beschuldigten Sondereinheit der Armee, Kopassus, verantwortlich war, mußte er nicht vor Gericht erscheinen. Stattdessen weilt er seit Ende vorigen Jahres "geschäftlich" in Jordanien.

Wie bereits von Anfang an befürchtet, gestaltete sich der Prozeß gegen die 11 Mitglieder von Kopassus zu einem politischen Spiel der Machthaber und war in keiner Weise in der Lage, Ursachen und Hintergründe für die Entführungen zu beleuchten, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen oder gar Konsequenzen für die Politik in Indonesien zu ziehen.

Die Entführungsopfer forderten:

  1. daß der Initiator und Planer der Entführungen bestraft wird, also nicht nur 11 Militärs, die in Wirklichkeit nur ausführende Werkzeuge waren,
  2. daß sowohl Militär als auch Regierung sich zur Verantwortung für die Entführungen bekennen, entschuldigen und erklären, die Entführungen wären systematisch geplant und Bestandteil des politischen Systems gewesen,
  3. die Beendigung der Doppelrolle der Armee (Dwifungsi) als militärischer und politischer Akteur in der Gesellschaft,
  4. die noch vermißten Opfer müssen so schnell wie möglich freigelassen werden, sollten sie noch leben (was aber nicht mehr wahrscheinlich ist), bzw. muß der Ort bekanntgegeben werden, wo ihre Leichen verscharrt wurden.

So lange keiner der Punkte erfüllt ist, kann der Fall der Entführungen nicht als abgeschlossen betrachtet werden und Entführungen werden weiter Bestandteil der Politik der indonesischen Regierung sein, wie gegenwärtige Beispiele aus Aceh und Ost-Timor zeigen.

Obwohl die Enthüllungen über die Fälle von systematischen Entführungen noch im vorigen Jahr für Aufsehen in der indonesischen Öffentlichkeit gesorgt hatten, ist es inzwischen still um sie geworden. "Wir alle wissen, daß die damaligen Entführungen heute nicht mehr populär sind, weil es so viele neue spektakuläre Fälle gibt. Deshalb müssen wir unseren Fall ganz genau dem Volk deutlich machen, weil solche und ähnliche Vorfälle alle eine gemeinsame Ursache haben, die im diktatorischen Machtsystem Indonesiens begründet liegt, das sich auf das Militär mittels des Dwifungsi-Konzeptes stützt. Genau diesen Zusammenhang wollen wir deutlich machen" /Interview mit Mugianto, Entführungsopfer, Mitglied von Kontras/.

Der Ausgang des Prozesses hat gezeigt, daß die "Reformregierung" bisher kein Interesse daran gezeigt hat, eines der wesentlichsten Hindernisse auf dem Weg zur Demokratie in Indonesien, aus dem Weg zu räumen. <>

 
 
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