Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Aktion)

Gewalt gegen Frauen:

Khairani Arifin und Yusan Yeblo berichten über Aceh und West-Papua

Im April besuchten Khairani Arifin, kurz Rani, von der Frauengruppe Flower Aceh und Yusan Yeblo von der Frauenarbeitsgruppe Irian Jaya (KKW Irja) Europa.

Die erste Station ihrer Reise war Genf, wo die beiden vor der UN-Menschenrechtskommission aussagten, um dem Bericht der UN-Sonderbeauftragten für Gewalt gegen Frauen, Radhika Coomaraswamy, größeres Gewicht zu verschaffen. Die Sonderberichterstatterin hatte von den indonesischen Behörden keine Genehmigung bekommen, West-Papua (Irian Jaya) und Ost-Timor zu besuchen. Nach Genf begaben sich Rani und Yusan auf eine Tour durch die Niederlande und Deutschland.

In Aachen wurden Khairani Arifin und Yusan Yeblo am 23.4.99 von der Bürgermeisterin der Stadt Aachen, Margarete Ortstein, empfangen, die auch Schirmherrin des 3. Weltforums ist, das sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen beschäftigt. Die beiden Frauen aus den zwei am weitesten voneinander entfernten Provinzen Indonesiens berichteten Frau Ortstein über die Lage der Frauen in diesen so unterschiedlichen Gebieten.

Aceh, eine Provinz auf Sumatra im äußersten Westen Indonesiens, war 1989 von der indonesischen Regierung zum Militärgebiet (DOM - Daerah Operasi Militer) erklärt worden. 1990 hatte der damalige Präsident Suharto mit großem Stolz angekündigt, er habe 12.000 Soldaten in die Provinz verlegt, um gegen die exakt 149 Menschen vorzugehen, die seiner Meinung nach für die Unabhängigkeit Acehs kämpften. Damit, meinte Suharto, werde das Problem des Separatismus in Aceh schnell unter Kontrolle gebracht werden. Anscheinend war es dann doch nicht so leicht, denn der Status als Militärgebiet wurde erst im August 1998 aufgehoben und die offizielle Zahl der bewaffneten Widerständler ist während dieser Zeit fast gleich geblieben. Während des neun Jahre andauernden Ausnahmezustandes wurden von Angehörigen der Armee mindestens 3.000 Menschen ermordet, 500 Häuser verbrannt und Hunderte von Frauen vergewaltigt. Tausende gelten noch immer als vermißt.

In Wirklichkeit, so Frau Arifin, diente der Ausnahmezustand unter der Bezeichnung "DOM" dazu, die Interessen großer bzw. internationaler Unternehmen wie Mobil Oil und PT Arun zu schützen. Fast alle in Aceh ansässigen Industriezweige haben sich seit 1989 kräftig vergrößert und durch die Ausbeutung der reichhaltigen Ressourcen Acehs viel Geld verdient. Zu den wichtigsten Produkten der Region zählen Erdöl, Düngemittel, Zement und Palmöl. Aceh steht unter den Provinzen Indonesiens an dritter Stelle der Deviseneinbringer. Die mehr als 3 Millionen zählende Bevölkerung Acehs aber gilt als die drittärmste im Land.

Die Bevölkerung Acehs wolle daher in erster Linie an den Gewinnen aus ihrer Region teilhaben, erklärte Frau Arifin. Doch anstatt einen gerechten Anteil an den Gewinnen genießen zu dürfen, litt die Bevölkerung unter den Repressalien durch das Militär. Die Herzen der Bewohner Acehs schlagen daher für die Unterstützung der Befreiungsbewegung. Frau Arifin selbst unterstützt die Forderung der Studenten für ein Referendum. "Die Regierung soll nicht immer ihre Überlegungen diktieren, sie soll erst mal die Bevölkerung Acehs fragen, was sie überhaupt will."

Nicht anders ist die Geschichte, die Frau Yeblo über West-Papua oder Irian Jaya, wie die Provinz auf Indonesisch genannt wird, zu erzählen hat. Irian Jaya, dreimal so groß wie die Insel Java, die fünf Provinzen umfaßt, hat eine Bevölkerung von ca. 1,9 Millionen Menschen. Die Größe des Gebietes diente jüngst als Vorwand für einen Vorschlag der Regierung, Irian Jaya in drei Provinzen zu unterteilen. Die einheimischen Papuas werten diese Idee jedoch als politisches Manöver im Vorwahlkampf.

Die Papua-Ureinwohner sehen sich in Folge des staatlichen Umsiedlungsprogrammes "Transmigrasi" mit knapp 200.000 Neuansiedlern, vorwiegend muslimischen Bauern aus Java, konfrontiert. Seit der Integration West-Papuas in den indonesischen Staatsverband hat sich Freeport, ein amerikanisches Bergbauunternehmen dort breit gemacht. Die Firma erwirtschaftet einen beträchtlichen Anteil an den indonesischen Staatseinnahmen, ist aber andererseits verantwortlich für die Zerstörung von Umwelt und Kultur sowie für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Die Firma selbst und die Wohngebiete der dort Beschäftigten sind hochmodern. Die gesamte Anlage wird von der Armee geschützt. Landkonflikte und andere Folgen industrieller Großprojekte wie Freeport, die auf die Ausbeutung der großen Rohstoffvorkommen des Landes zielen, führten wiederholt zu Protesten der Papuas und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Armee.

In beiden Gebieten hat sich die Lage seit der Präsidentschaft Habibies nicht verbessert. Doch Habibie und seine Regierung verstehen ihr Handwerk, zumindest, was den Umgang mit den Medien angeht. So statteten Habibie und der Oberbefehlshaber der Armee, Wiranto, Aceh einen Besuch ab und entschuldigten sich bei der Gelegenheit bei der Bevölkerung für erlittenes Unrecht. Ein ähnlicher Besuch in Irian Jaya ist geplant. Leider sind beide Besuche mehr als politische Kosmetik zu verstehen. Zwar wurde der Status als militärisches Operationsgebiet, DOM, sowohl in Aceh, als auch in Irian Jaya aufgehoben, aber bis jetzt warten die Menschen vergebens auf eine offizielle Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen. Kein Angehöriger des Militärs wurde bislang verurteilt und es wurde nicht mal der Versuch einer Wiedergutmachung gegenüber der Bevölkerung unternommen. Im Gegenteil, die Repression dauert an und nach wie vor leidet die Bevölkerung unter schwersten Übergriffen durch das Militär. Anstatt DOM benutzt die Regierung nun einen neuen Begriff, der dieselbe Funktion erfüllt: PDR (Pengamanan Daerah Rawan/Sicherung von Unruhegebieten).

Die Repression trifft Frauen in mehrerer Hinsicht besonders stark. Viele Frauen sowohl in Aceh als auch in West-Papua wurden Opfer sexueller Gewalt. Andere verloren ihre Männer, die vom Militär ermordet wurden, und müssen nun auf sich alleine gestellt für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder sorgen. In Aceh gibt es ganze Dörfer voll junger Witwen. Frau Yeblo beschrieb darüber hinaus sehr eindrucksvoll, wie nationale Programme der Regierung, ob es sich um Bergbauprojekte, Plantagen, Holzlizenzen oder das Familienplanungsprogramm handelt, Frauen in besonderer Weise betreffen. Die mit diesen Programmen bezweckte Modernisierung geht meist völlig an den Bedürfnissen der Menschen vorbei und verstärkt die Probleme von Frauen, deren traditionelle Stellung in der Gesellschaft durch diese Programme entwertet wird, während eine neue Rolle für sie nicht vorgesehen ist.

Um dem zu begegnen gründeten einige Frauen in Aceh 1989 die Gruppe Flower Aceh. Die Stärkung ihrer ökonomischen Situation, vor allem in den Dörfern, war die erste Aufgabe, der sich Flower Aceh stellte. Mit begrenzten Mitteln gelang es ihnen in einem Dorf ein Handwerksprojekt aufzubauen. Gleichermaßen konnten sie auch die Landrechte von Frauen, die von der Salzgewinnung leben, mit Erfolg verteidigen. In den folgenden Jahren arbeitete Flower Aceh wegen Geldmangels mit anderen NGOs zusammen, wie etwa dem Forum LSM Aceh. Erst 1994 konnten mit Unterstützung ausländischer Geberorganisationen wieder eigene Projekte in verschiedenen Dörfern durchgeführt werden. Es handelte sich dabei meist um Projekte in der Landwirtschaft, zur Bildung und zu Kleinkreditsystemen für Frauen.

Seit 1997 beschäftigt sich Flower Aceh mit Opfern der militärischen Gewalt. Weil die Situation damals noch viel gefährlicher war, wurden die betroffenen Frauen in andere - nicht so verfängliche - Projekte integriert. Die indonesische Stiftung LP3S stellte schließlich Gelder für eine Kampagne zu Frauenrechten zur Verfügung, mit denen Seminare, Poster und die Publikation eines Buches über die Erfahrungen von Gewaltopfern finanziert werden konnte. Zur Zeit führt Flower Aceh ein Projekt zu Wahlrecht und Frauenbildung durch. In den nächsten drei Jahren sollen einige Gruppen von Frauen, vor allem in den Dörfern, betreut werden, die unter der Militärherrschaft gelitten haben. Viele dieser Frauen benötigen dringend eine Therapie um ihre Traumata zu verarbeiten sowie eine Möglichkeit, sich wieder eine ökonomische Existenz aufbauen zu können. Frau Arifin macht allerdings darauf aufmerksam, daß eigentlich die gesamte Bevölkerung durch die militärische Gewalt in Mitleidenschaft gezogen wurde, da so gut wie alle irgendwann zumindest Zeugen dieser Gewalt geworden sind. "Eigentlich braucht die gesamte Bevölkerung eine Trauma-Therapie," sagte Frau Arifin.

KKW-Irja wurde vor 10 Jahren gegründet. Alternativ zu den staatlichen Entwicklungsprogrammen zielt die Arbeit der Gruppe darauf ab, die ökonomische Stellung und das Selbstbewußtsein der Frauen durch Gesundheits- und Ernährungsprogramme u. dgl. zu stärken. KKW führt Seminare zur Weiterbildung durch und leistet Öffentlichkeitsarbeit. Immer mehr Bedeutung bekommt auch hier die Beschäftigung mit Gewaltopfern, wobei der Schwerpunkt noch auf Dokumentation und Advocacy-Arbeit liegt. Rehabilitationsprogramme für die Betroffenen sind erst in groben Zügen angedacht. KKW-Irja bildet lokale Netzwerke mit anderen NGOs und hat Verbindung zu zahlreichen Frauen- und anderen Oganisationen, insbesondere im kirchlichen Bereich, in ganz Indonesien.

Auf dem Besuchsprogramm in Deutschland standen neben Aachen Veranstaltungen in Köln, Hamburg und Berlin. Am 24.4.99 nahmen Rani Arifin und Yusan Yeblo an einer öffentlichen Diskussion zum Thema "Unterstützungsgruppen für indonesische Frauen" in Köln teil, die von der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft Köln, dem Forum Cologne for Indonesia und der Solidaritätsgruppe Indonesischer Frauen gemeinsam veranstaltet wurde. In Hamburg veranstalteten Formiham und Aceh Solidarity in Europe eine Diskussion mit dem Thema "Einfluß der Militäroperation auf Frauen in Aceh und Irian".

Am 27.4.99 referierten Rani Arifin und Yusan Yeblo an der Berliner Humboldt-Universität in einem Kolloquium zum Thema "Psychische Folgen der Folter", das von Watch Indonesia! mitveranstaltet wurde. Weitere Vortragende im Rahmen dieses Kolloquiums waren Prof. Zaumseil von der Freien Universität Berlin sowie Frau Anke Ollech, Mitarbeiterin am Berliner Behandlungszentrum für Folteropfer. Zuvor hatten die beiden Gäste Gelegenheit, sich im Berliner Behandlungszentrum über Therapiemethoden sowie Weiterbildungs- und Fördermöglichkeiten für ihre jeweiligen Gruppen zu informieren. <>

 
 
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