Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Wirtschaft)

Gute Partner in schlechten Zeiten - und jede Menge Peinlichkeiten

Vom 1. bis 7 . März 1999 fand im Jakarta Convention Center mit der TECHNOGERMA eine deutsche Industrieausstellung der Superlative statt. Laut dem Vorsitzenden der Deutsch-Indonesischen Handelskammer (EKONID), Dr. Fritz Kleinsteuber: "Eine Messe, wie sie Indonesien noch nicht gesehen hat!" Irgendwie wahr, aber andererseits eine Messe, die mit dem englischen Wort "mess" vielleicht besser beschrieben wäre.

Doch zunächst zu den Fakten. Die Organisatoren der 1996 zwischen den Freunden Suharto und Kohl vereinbarten Messe waren das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und der Ausstellungs- und Messe-Ausschuß der Deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA). Mit einem Budget von offiziell rund 7 Mio. DM stellte das Bundeswirtschaftsministerium ca. 10 % seines Auslandsmesseetats des Jahres 1999 für die Veranstaltung zur Verfügung. Die Summe wurde vom deutschen Wirtschaftsminister Müller, der zur Erföffnung eigens nach Jakarta angereist war, mehrmals als lohnende Investition gerühmt.

Trotz der derzeitigen wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen im indonesischen Inselreich ließen es sich insgesamt 194 Aussteller aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Elektronik, Umwelttechnik, Chemie (incl. Agrochemie), Fahrzeugbau, Feinmechanik und Optik, Medizintechnik sowie dem Dienstleistungssektor nicht nehmen, ihre Visitenkarte in Indonesien abzugeben. Neben einigen seit langem in Indonesien vertretenen Industriegiganten wie Siemens, Ferrostaal, BASF, Hoechst, Daimler-Chrysler etc. präsentierten sich eine große Zahl klein- und mittelständischer Betriebe zum ersten Mal in Indonesien.

Dem lokalen Mitveranstalter EKONID sowie den deutschen Wirtschafts- und Botschaftsvertretern vor Ort war es ein wichtiges Anliegen, daß diese Veranstaltung nicht als Solidaritätsbekundung für den amtierenden Präsidenten und bekennenden Deutschland-Fan Habibie verstanden werden sollte, sondern vielmehr um sich auch in schwierigen Zeiten als zuverlässiger Partner mit Vertrauen in die Zukunft Indonesiens zu beweisen. Unter Schirmherrschaft von Indonesiens Mercedes-Boss Messner setzte die Wirtschaftselite vor Ort sich eifrig dafür ein, den weitverbreiteten Gerüchten über Habibies Lobby in Deutschland und deutschem Opportunismus entgegenzuwirken.

Schade nur, daß sich der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel einen Tag vor Beginn der TECHNOGERMA, am 28.2. bei der Eröffnungszeremonie des German-Center in Bumi Serpong Damai, einer Satellitenstadt südöstlich von Jakarta, nicht daran entsann. Teufels Lobeshymnen auf den in Indonesien zuletzt scharf kritisierten Präsidenten Habibie waren so inbrünstig, daß nahezu allen Anwesenden während seiner Rede die Kinnladen herunterfielen.

Aber wieso eigentlich? Davon, das z.B. der in Australien lehrende indonesische Soziologe Arief Budiman in einem Interview im Februar sagte: "Die Australier vergleichen ihren Premierminister Howard oft mit der Comicfigur Bart Simpson, können sich mit ihrem Bart Simpson aber noch glücklich schätzen, wenn sie Indonesiens Habibie sehen", dürfte von den Anwesenden im German-Center so gut wie niemand je etwas gehört haben. Irgendwie drückte die "teuflische" Rede des Ministerpräsidenten eigentlich nur das aus, was zwar keiner direkt aussprach, aber das Messeklima wesentlich prägte: Alle waren euphorisch über den kleinen Mann mit den großen Augen, der seit fast einem Jahr das Präsidentenamt bekleidete. Und vor lauter überschwenglichem Optimismus waren sie kaum bereit, sich politische und wirtschaftliche Realitäten vor Augen zu halten.

Während seiner beiden Messebesuche (offiziell zur Eröffnung und inkognito am letzten Messetag), bei denen Habibie (arabisch: Liebling) sich gebar wie auf einem Abenteuerspielplatz - was die TECHNOGERMA für ihn ja auch gewesen sein mag - wurde er von seinen "deutschen Freunden" als ihr Liebling hofiert. Beschämend, daß einige Leute in Wahrheit gar nicht so recht wußten, wen oder was sie da hofierten. So fragte mich während der Eröffnungszeremonie ein Gesandter der AAA-Delegation: "Oh, Sie sind deutscher Student in Indonesien? Das ist aber interessant! Dann wissen sie vielleicht auch, warum die Leute hier alle so schwarze Mützen aufhaben, selbst der Präsident?" Einigermaßen resigniert erklärte ich ihm die Bedeutung des Peci als nationales und religiöses Symbol, aber wirklich "erstaunlich" war dann seine nachfolgende Bemerkung: "Oh ja? In Indonesien gibt es Islam?" - ein sicher nicht unbedingt repräsentatives Extrembeispiel.

Aber auch allgemein war die Tendenz zu erkennen, daß offizielle Vertreter aus Wirtschaft und Politik, die es eigentlich besser wissen sollten, ihre Augen vor der politischen Realität verschlossen. Sicher, die TECHNOGERMA war, wie immer wieder hervorgehoben wurde, eine wirtschaftliche Veranstaltung. Wie aber kann man wirtschaftliche Tätigkeiten im Ausland langfristig realistisch planen, wenn gegenwärtige politische Entwicklungen und deren weitreichende Konsequenzen ein höchst oberflächliches Thema bleiben, dessen sich niemand wirklich bewußt zu sein scheint? Diese Frage wurde nirgends beantwortet. Vielleicht war sie ja auch nicht so wichtig, sollte es doch vor allem darum gehen all denen, "die so sehr für die Messe gekämpft und gearbeitet haben, eine große, erfolgreiche Veranstaltung" zu bescheren, so Kleinsteuber. Wie eine "Bescherung" mögen es in der Tat so einige wahrgenommen haben angesichts der Vielzahl von repräsentativen gesellschaftlichen Empfängen, die im Rahmen der TECHNOGERMA stattgefunden haben. Und so mancher hohe Herr aus Wirtschaft und Politik ließ sich gehen, als Daimler-Chrysler zusammen mit der EKONID eine feudale Garden-Party ausrichten ließ. Durch traditionelle Tänze "von den wilden Ureinwohnern" West-Papuas und viel zu früh ausgehendes friesisches Bier belustigt, lockerte man schnell Krawatte und Hemdkragen und hatte keinerlei Skrupel die letzten Reste vom noblen Buffet mit den Händen abzugrabschen, als Teller und Besteck vergriffen waren. Ähnliche Szenen boten sich beim "Bayern-Empfang" im Hilton-Hotel, wo man nach Bier- und Weißwurstkonsum zu fortgeschrittener Stunde vor den Augen der verwunderten Indonesier im Grand-Ballroom ausgelassen zu bayrischer Blasmusik schunkelte. Etwas zivilisierter gab sich das Bundesland Rheinland-Pfalz bei seinem Empfang im Regent-Hotel, obgleich man sich auch hier aufgrund der anbiedernden inhaltsleeren Reden einiger Landespolitiker und der wirklichkeitsfernen Schönrederei des deutschen Botschafters Seemanns bei Sekt und Wein in eine Episode von "Kir-Royal" hineinversetzt fühlte.

Aber auch auf der Messe selbst kam die Unterhaltung nicht zu kurz. Hier amüsierten sich nicht nur der kleine Präsident, sondern auch seine zahlreichen Gefolgsleute. Zwar kamen auch etwa 22.000 interessierte Fachbesucher zu der Messe, um sich zu informieren, an dem umfangreichen Symposien-Programm teilzunehmen oder hier und da gar Verträge abzuschließen. Wesentlich stärker geprägt war das Bild jedoch vor allem an den drei letzten Messetagen von schier unüberschaubaren Massen großteils junger Besucher, aber auch kompletten Familien aus allen Gesellschaftsschichten. Man hatte sich augenscheinlich entschlossen, am Wochenende zur Freizeitgestaltung nicht wie gewohnt in den Vergnügungspark Ancol, in den TIM (Freizeitpark Mini-Indonesien) oder zum Puncak bei Bogor zu fahren, sondern zur Abwechslung seine Mußestunden auf der TECHNOGERMA zu verbringen. Rund 460.000 Besucher waren am Ende der Messe, als Folge einer großangelegten Werbeaktion in Kombination mit den sich schnellverbreitenden Gerüchten über alles, was es auf der TECHNOGERMA umsonst mitzunehmen gab, sowie einem "trendy" Unterhaltungsprogramm mit Konzerten sowie futuristischer Laser- und Modeshow, zu verzeichnen.

Nachdem Mitte der Woche bereits ein großer, dekorativer Torbogen im Eingangsbereich des Convention-Centers unter seinem eigenen Gewicht in der Mitte zerborsten und herabgestürzt war, was den geschmacklosen Slogan "There Is No Substitute For German Technology" Lügen strafte, stellte das im Vorfeld anscheinend nicht einkalkulierte Konsum- und Freizeitverhalten der Indonesier die Security der Münchner Durchführungsgesellschaft IMAG (Internationaler Messe- und Ausstellungsdienst GmbH) erneut vor unerwartete Schwierigkeiten. Nach allem was nicht niet- und nagelfest war grabschend, wälzte sich der Besucherstrom durch die Messehallen. Aussteller gerieten in Panik, mußten ihre Stände regelrecht vor den "Plünderern" verteidigen, etliche Diebstähle wurden verzeichnet, Türen und Stellwände wurden zerstört, das Live-Unterhaltungsprogramm mußte ob des übergroßen Andrangs und der Panik der Akteure abgebrochen werden, Kinder gingen verloren, ...

Das ganze Convention-Center schien sich in eine menschenfressende Maschine zu verwandeln, in die die Besucher im Zehn-Minuten-Takt- nur noch stoßweise eingelassen und dann im Einbahnstraßenverfahren hindurchgeschleust wurden.

Nicht wenige Besucher, die die ganze Tortur einmal über sich hatten ergehen lassen, versuchten sich gleich noch mal in die vordersten Reihe der Meute vor dem Haupteingang zu drängen, um erneut Einlaß zu finden - weil's so schön war! Weniger schön fanden das die Sicherheitskräfte, die sich an strategisch wichtigen Punkten aufhielten und mit den Organisatoren über Mobiltelefone in Kontakt standen, um eine völlige Eskalation der Lage zu verhindern. Ohne die Unterstützung der zahlreich vorhandenen, auf die Indonesier autoritär wirkenden, militärischen PHH-Kräfte (Pasukan Huru Hara = Anti-Unruhe-Einheiten) wäre dies vielleicht nicht realisierbar gewesen. Was den letzten Messetag angeht, so können die Veranstalter nur von Glück reden, daß die neben dem Messegelände im Senayan-Stadion zur GOLKAR-Kundgebung versammelten 200.000 Menschen, die sich zum größten Teil aus herangekarrten und bezahlten "Jubelpersern" rekrutierten, kein überschwengliches Interesse an deutscher Technologie zeigten. Ansonsten hätte die TECHNOGERMA eventuell einen Ansturm in Gelb erlebt, "wie ihn Deutschland noch nicht gesehen hat".

Doch Sarkasmus hin und her, verdientermaßen oder auch nicht - die TECHNOGERMA war ein Erfolg. Das indonesische Interesse an der Ausstellung war für die Initiatoren in jedem Fall erfreulich. Und man hatte seine Visitenkarte hinterlassen - für bessere Zeiten, die noch kommen mögen. Sicherlich hätte man das immense TECHNOGERMA-Budget, wie hoch auch immer es letztendlich gewesen sein mag, anderswärtig und sinnvoller ausgeben können. Aber die Resonanz auf den deutschen "optimistischen Opportunismus" war, abgesehen von verschiedenen intellektuell-kritischen Stimmen und der Enttäuschung über nicht stattgefundene Modeshows und ähnlichem Firlefanz, durchweg positiv.

Interessant wäre zu wissen, wie Aussteller und Organisatoren reagiert hätten, wenn die blutigen Konflikte von Ambon und Sambas, die jüngsten Massaker in den ost-timoresischen Städten Liquiça, Dili, Hera und Suai oder die neuen rätselhaften Morde in Westjava schon in aller Munde gewesen wären. "Sad but true", aber all diese grausamen Geschehnisse hätten wahrscheinlich wenig an der deutschen Position verändert. Es steht zu befürchten, daß einzelne Lichtblicke wie die Indonesien- und Ost-Timorreise des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Poppe, im März und die von der SPD-Abgeordneten Adelheid Tröscher geleitete Delegationsreise im April die deutsche Haltung gegenüber Indonesien nicht nachhaltig verändern werden. <>

 
 
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