Indonesien-Information Nr. 2/1999 (Menschenrechte)
UN-Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen in Indonesien und Ost-Timor
von Gabi Mischkowski
"Vor Mai 1998 setzten Teile der Indonesischen Armee in Aceh, Irian Jaya und Ost-Timor Vergewaltigungen als Instrument der Folter und Einschüchterung ein."
Zu diesem Schluß kommt Radhika Coomaraswamy, Sonderberichterstatterin über Gewalt gegen Frauen, in ihrem Bericht an die UN-Kommission für Menschenrechte vom Januar 1999 1). Sie bestätigt auch die gezielte Vergewaltigung zahlreicher chinesisch-stämmiger Frauen während der Maiunruhen in Jakarta.
Radhika Coomaraswamy war auf Einladung der indonesischen Regierung vom 20. November bis 4. Dezember 1998 in Indonesien und Ost-Timor, um das Ausmaß staatlicher Gewalt gegen Frauen zu untersuchen. Die Einreise nach Irian Jaya und Aceh wurde ihr aus, wie es hieß, Zeitmangel, verweigert. Sie führte Gespräche mit hohen VertreterInnen von Regierung, Polizei und Armee, mit NGO's sowie mit einzelnen Opfern.
Frauen, so Coomaraswamy, wurden in den "Militärischen Operationszonen" auf vielfache Weise vergewaltigt, mit Elektroschocks an Ohren, Nase, Brüsten und Vagina gefoltert, in Wassertanks eingetaucht, mit Zigarettenstummeln verbrannt, in Räume eingesperrt, die unter Wasser standen und mit Fäkalien gefüllt waren, verprügelt, nackt öffentlich zur Schau gestellt, an den Daumen aufgehängt. Die gegen Frauen gerichtete spezifische Gewalt diente zum einen dazu, Informationen zu erpressen, zu strafen, Rache zu nehmen und generell die lokale Bevölkerung zu terrorisieren und einzuschüchtern. Doch die Beispiele, die Coomaraswamy anführt, zeigen auch, daß die Frauen von Soldaten und Sicherheitskräften schlichtweg als Eigentum betrachtet wurden, über das sie jederzeit ungestraft verfügen konnten. Es gibt Berichte darüber, wie Frauen wochenlang als sexuelle Sklavinnen gehalten und bei den verschiedensten Gelegenheiten von Soldaten vergewaltigt wurden.
Coomaraswamy bestätigt mit ihrem Bericht all die Anschuldigungen, die Menschenrechts- und Frauenorganisationen seit langem erheben. Anschuldigungen, die von der indonesischen Regierung, dem Militär und der Justiz stets mit dem Argument zurückgewiesen wurden, es lägen keine Anzeigen vor. Doch dafür benennt Coomaraswamy auch klar den Grund: Angst, berechtigte Angst. Opfer wie MenschenrechtsaktivistInnen werden auch heute immer wieder eingeschüchtert und mit anonymen Morddrohungen überschüttet. Aufgrund der Verfilzung von Polizei, Militär und Justiz haben die betroffenen Frauen verständlicherweise kein Vertrauen zu Polizei und Justiz und müssen im Falle sexualisierter Gewalt darüber hinaus befürchten, aufgrund allgemeiner gesellschaftlicher Vorurteile stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden.
Im Zentrum von Coomaraswamys Bericht stehen die Menschenrechtsverletzungen der Suharto-Ära. Sie konstatiert zwar, daß es auch nach Mai 1998 weitere Vergewaltigungen durch Militärangehörige gab, hebt aber auch ausdrücklich Anzeichen einer veränderten Politik und Haltung in der jetzigen Regierung hervor. Im Großen und Ganzen baut Coomaraswamy der Regierung Habibie eine goldene Brücke und betont die Bemühungen von Regierung, Ministerien und einzelner Armeekommandeure, der Verletzung von Menschenrechten, speziell der sexualisierten Gewalt, ein Ende zu setzen. Als Beispiele nennt sie die offizielle Untersuchungskommission zu den Maiunruhen, die Etablierung einer Nationalen Kommission gegen Gewalt gegen Frauen im Juli 1998 sowie den erklärten Willen einzelner Militärkommandeure, mit der Vergangenheit zu brechen.
Forderungen
Doch jenseits des diplomatischen Brückenschlags ist ihre Kritik auch an der jetzigen Regierung, an Polizei, Militär und vor allem der Justiz eindeutig. Sie kritisiert insbesondere die allgemein verbreitete "Kultur des Leugnens" sowie den mangelnden Willen der Justiz, Rechtsstaatlichkeit herzustellen und ihre Unabhängigkeit zu bewahren bzw. herzustellen. Eine geregelte Strafverfolgung im Fall staatlicher Gewalt gegen Frauen, so Coomaraswamy, ist nicht existent. Ihre Forderungen bzw. Empfehlungen" lauten daher u.a.:
Last but not least fordert sie die Aufhebung der Doppelfunktion des Militärs. Die Respektierung von Frauenrechten als Menschenrechte, so Coomaraswamy, setzt eine demokratische Gesellschaft voraus. Dies gilt besonders im Falle staatlicher Gewalt gegen Frauen. Die Grenzen zwischen politischer und ziviler Gesellschaft einerseits und dem Militär andererseits müssen klar gezogen werden, das Militär muß sich aus der zivilen Gesellschaft zurückziehen. Eine Menschenrechtskultur kann sich nicht innerhalb eines militarisierten Staates entwickeln.
Diskriminierung in Gesetzen und Rechtssprechung
Coomaraswamy geht in ihrem Bericht auch auf die generelle Stellung der Frauen in der indonesischen Gesellschaft ein, insbesondere auf die frauendiskriminierenden Elemente in Ehegesetzgebung und Rechtspraxis, die eine Unterordnung der Frau festschreiben. Im Hinblick auf Gewalt gegen Frauen fordert sie eine Reform des Strafrechts und seine Anpassung an den neuesten internationalen Standard. Dies bedeutet, alle Formen sexualisierter Gewalt innerhalb wie außerhalb der Ehe als Straftat zu definieren und den Straftatbestand Vergewaltigung nicht auf den Akt der Penetration der Vagina durch den Penis zu beschränken. Insbesondere ist der Passus zu streichen, der mindestens zwei Zeugen/Zeuginnen als Voraussetzung des Schuldnachweises verlangt.
Die Reaktion der Regierung
Die Regierung Habibie hat wiederholt erklärt, alles für den Schutz der Menschenrechte zu tun. Coomaraswamy nimmt die Erklärungen ernst und die Regierung beim Wort. Menschenrechts- und Frauenorganisationen in Indonesien mag ihre Kritik an der jetzigen Regierung im Ton zu moderat, zu freundlich erscheinen. Sie wissen aus Erfahrung, daß die Beteuerungen nur Lippenbekenntnisse sind, die vor allem der Kritik aus dem Ausland den Wind aus den Segeln nehmen sollen. Das gleiche gilt für die Untersuchungskommissionen, deren Arbeit entweder im Sande verläuft oder konsequenzenlos bleibt. Aber trotz manch anerkennender Worte für die Bemühungen der jetzigen Regierung, die Menschenrechte zu schützen, ist der Bericht von Coomaraswamy in seiner Kritik eindeutig. Und genau so nimmt ihn auch die Regierung Habibie wahr.
Auf der Sitzung der Menschenrechtskommission am 13./14. Mai in Genf wies die indonesische Delegation Coomaraswamys Bericht als inkompetent und unseriös, ihre Kritik als unbegründet zurück. Die Regierung Habibie demonstriert damit erneut, daß sie nicht im Mindesten gewillt ist, Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen, geschweige denn einen demokratischen Wandel der indonesischen Gesellschaft zu akzeptieren.<>
Fallbeispiele aus dem Bericht |
||
1
N. lebt in Aceh. Eines Tages kamen Soldaten der Elitekampftruppe Kopassus zu N's Haus und führten ihren Ehemann ab. Er blieb einige Tage lang verschwunden. Während er im Posten der Armeekommandantur festgehalten wurde, wurde er gefoltert, verlor das Gehör auf einem Ohr und erlitt einen Oberschenkelbruch. Aus Angst, erneut verschleppt zu werden, ging er in ein anderes Dorf, wo er sich als Landarbeiter verdingte. Kopassus wurde mißtrauisch und war überzeugt, er hätte sich den Guerillas angeschlossen. Sie kamen erneut zu N's Haus, nahmen sie mit zur Kommandantur und befragte sie über den Verbleib ihres Mannes. Sie glaubten ihrer Geschichte nicht und setzten die Befragung fort. Am 16. Tag begannen sie, Gewalt anzuwenden. Sie entkleideten sie, und sie wurde von einem der Soldaten vergewaltigt, während andere zusahen und lachten. Danach wurde sie mit Elektroschock an Ohren, Nase, Brüsten und Genitalien gefoltert. Sie hat sich bis heute nicht von den Verletzungen erholt. Um sie am schreien zu hindern, stopften sie Papier in ihren Mund und knebelten sie. Sie versuchten auch, sie mit einem Strick zu würgen. Daraufhin wurde sie ohnmächtig. Fünf Tage später wurde sie entlassen, nach Hause geschickt mit der Warnung, niemandem davon zu erzählen. Als sie den Behörden davon berichtete, kamen Kopassus Soldaten und drohten ihr. Als die gegenwärtige Regierung den Status der Militärzone aufhob, ging sie an die Öffentlichkeit. Infolge der Folter hat sie viele innere Verletzungen, aber kein Geld für medizinische Kosten. |
2
J. lebt in Irian Jaya. Sie war verheiratet gewesen, aber ihr Mann hatte sie verlassen. Sie wollte erneut heiraten. Ihre Schwester war damit nicht einverstanden und sie stritten sich heftig. Soldaten intervenierten und verhafteten J., ihre Schwester und ihren zukünftigen Ehemann. Sie klärten den Streit und befahlen J. und ihrem Freund am nächsten Tag wieder zu kommen. Als sie am nächsten Tag zurückkamen, befahlen die Soldaten ihnen sich auszuziehen. Als J. sich weigerte, zogen die Soldaten sie aus. J. und ihr Freund wurden dann gezwungen, Hand in Hand ins Meer zu gehen. Eine Stunde lang blieben sie dort. Dann legten die Soldaten ein erhöhtes Brett auf den Strand. Die beiden mußten sich auf das Brett legen. Ihr Freund wurde dann gezwungen, J. zu vergewaltigen. Zwei Soldaten hielten ihre Beine fest, zwei andere ihre Arme und der Freund wurde zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Die anderen Soldaten sahen zu, einige machten sogar Fotos. Danach wurden J. und ihr Freund im Dorf nackt zur Schau gestellt. Ihr Freund mußte dabei auf einer Trommel schlagen und die Soldaten folgten ihnen durchs Dorf mit Waffen. Nachdem sie so durch das Dorf marschiert waren, kehrten sie zum Militärposten zurück, wo sie ihre Kleider erhielten und nach Hause gehen durften. |
3
E. ist 18 Jahre als, chinesischer Abstammung und lebt in Jakarta. Nach den Maiunruhen 1998 erhielten E.'s chinesische FreundInnen und Nachbarn, besonders die Mitarbeiterinnen des Voluntary Team for Humanitarian Causes anonyme Morddrohungen. Einige dieser Morddrohungen waren mit "Pribumi Kämpfer" unterzeichnet und extrem rassistisch. Sie teilten den EmpfängerInnen u.a. ihre Absicht mit, die Frauen zu vergewaltigen. Da sie "sich nicht schmutzig machen wollten", drohten sie, Gardinenstangen zur Vergewaltigung zu benutzen. E. war Fernstudentin und arbeitete halbtags als Verkäuferin. Am 2. Juli 1998 lag sie zu Hause auf ihrem Bett, als zwei Männer einbrachen. Einer war muskulös, der andere klein in Statur. Sie hielten ihr mit den Händen den Mund zu, nahmen eine Gardinenstange aus Aluminium und stießen sie in ihre Vagina. In ihrer Abwehr verletzte sie ihre Hand an der Stange, so daß sie später genäht werden mußte. Die Schmerzen waren so groß, daß sie das Bewußtsein verlor. Als sie ihr Bewußtsein wiedererlangte, kroch sie zur Tür und rief um Hilfe. Der Chirurg, der sie operierte, konnte einige ihrer Organe vernähen, aber die Wunden sind so groß, daß sie weiterhin medizinischer Behandlung bedarf. |
Zurück zur Hauptseite | Watch Indonesia! e.V. | Back to Mainpage |