Seit mehr als vier Jahren beaufsichtigt der Internationale Währungsfonds (IWF) direkt die Wirtschaftsentwicklung Indonesiens. Aber immer noch ist kein Ausweg aus der Wirtschaftskrise in Sicht. Der vorliegende Artikel beschreibt die größten wirtschaftspolitischen Probleme, erhebt jedoch nicht den Anspruch, einen Weg aus der Krise aufzeigen zu können.
Einführung
Die nun schon mehrere Jahre andauernde Wirtschaftskrise Indonesiens
begann 1997 mit der Asienkrise, von der nicht nur Indonesien, sondern
auch der IWF und die Weltbank völlig überrascht wurden. Entgegen
vieler kritischer Stimmen (z.B. Paul Krugman (1)) feierten
sie den Boom der südost- und ostasiatischen Wirtschaft als Erfolgstory.
(2) Das sog. asiatische Wirtschaftsmodell setzte auf eine
Ausweitung der Exporte forciert durch
- hohe Spareinlagen im Inland;
- hohe direkte ausländische Investitionen (FDI – Foreign Direct
Investment); 1)
- hohe Exporte, insbesondere von Billigprodukten, deren Produktion
durch Lohn- und Umwelt-Dumping möglich wurde.
Die Umsetzung dieses Modells sah in Indonesien folgendermaßen aus:
1. Staatliche und privatwirtschaftliche Investitionen in Asien – inkl.
Indonesien – wurden zum großen Teil durch massive Kreditaufnahmen
ermöglicht. So wurde der indonesische Staatshaushalt seit
über 30 Jahren durch Kredite der CGI (Consultative Group on Indonesia)
2) finanziert – mit Beträgen zwischen
US$ 3 Mrd. (heute) und US$ 5 Mrd. (vor der Krise). Die CGI ging davon aus,
dass die Verschuldung geringer sein würde als das Wachstum der Wirtschaft,
doch diese Annahme erfüllte sich nicht – u.a. wegen der weitverbreiteten
Korruption. So führte der Schuldendienst für den 1994 auf US$
54 Mrd. angewachsenen Schuldenberg der Regierung zu einer negativen Zahlungsbilanz.
Trotz dieser hohen Verschuldung stellte die Weltbank in ihren jährlichen
Gutachten für die CGI bis 1997 die Lage der indonesischen Wirtschaft
als glänzend dar. Diesen Darstellungen folgten dann auch die diversen
Rating-Agenturen und erleichterten so den Unternehmen des Landes
die Kreditaufnahme im Ausland.
Indonesische Großunternehmer gründeten nach staatlichen Deregulierungs- (1988) und Liberalisierungsmaßnahmen (1992) einige hundert Hausbanken mit nur geringen Kapitaleinlagen. Sie bedienten sich dann bei diesen Banken mit hohen Krediten, für die sie frisierte Sicherheiten (Wertpapiere, Firmenbeteiligungen und Immobilien) präsentierten (s.u.). So entstand durch dieses fiktive Kapital eine große Finanzblase. (3)
2. Die südostasiatischen Länder waren vor der Asien-Krise für ausländische Investoren sehr attraktiv. Wichtige Voraussetzungen für die Attraktivität eines Landes für das sehr bewegliche internationale Kapital sind unter anderem: politische Stabilität, reiche Bodenschätze, gute Infrastruktur, niedrige Produktionskosten, klare Richtlinien für ausländische Investitionen, attraktive Subventionen und eine effiziente Bürokratie.
In anderen asiatischen Ländern wie z.B. Singapur wird hauptsächlich
in die Gründung von Unternehmen (Foreign Direct Investment) investiert
und relativ wenig in spekulative, bewegliche Kapitalanlagen (z.B. Fonds,
Wertpapiere usw.).
In Indonesien dagegen war die direkte Investitionsrate sehr gering
und lag zeitweise sogar unter 15%. (4) Die Ursachen hierfür
liegen in erster Linie in der Korruption (s.u.) und der seit Ende der neunziger
Jahren fehlenden politischen Stabilität des Landes, die ab 1997 zu
einer massiven Kapitalflucht führte (insgesamt mehr als US$
80 Mrd.); allein die indonesischen Chinesen transferierten etwa US$ 30
Mrd. ins Ausland. (5)
3. Die Forcierung der Produktion von wenigen verschiedenen billigen
Export-Waren hatte sowohl eine Verringerung der einheimischen Nachfrage
als auch die von breit gefächerten Investitionen und der Forschung
zur Folge und führte zu einer starken Abhängigkeit von ausländischer
Technologie.
Hinzu kommt, dass Indonesien für die Produktion seiner exportorientierten
Waren sehr viele Grundstoffe (bei Schuhen bis zu 90%!), Technologie, Dienstleistungen
und Kapital importieren muss. (6)
Die Krise 1997
Bis Mitte 1997 waren IWF, Weltbank und indonesische Regierung davon
überzeugt, dass die indonesische Wirtschaft keinen Anlass zur Sorge
biete. Dies änderte sich drastisch ab September 1997; am 8. Oktober
1997 musste die Hilfe des IWF angefordert werden.
Seitdem steht Indonesien unter der Aufsicht des IWF, der dem Land das
berüchtigte Struktur-Anpassungs-Programm (SAP) verordnete, bei dem
sich ein Land in sogenannten Absichtserklärungen (LoI=Letter
of Intent) auf bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen festlegen
muss. So verpflichtete sich Indonesien beispielsweise zur Neustrukturierung
seiner Finanzinstitute, zur Autonomie der Zentralbank, zur Sanierung des
Staatshaushalts, zur Privatisierung der staatlichen Betriebe, zur Freigabe
des Rupiah-Kurses, zur Verknappung des Geldumlaufs, zur Liberalisierung
des Handels, zur Investitionsfreiheit, zu Deregulierungsmaßnahmen,
zur Abschaffung von Monopolen und Kartellen und zur Bekämpfung
der Korruption.
Die Rolle des IWF
Am 31. Oktober 1997 hatte der IWF bereits US$ 23 Mrd. bilaterale und multilaterale Mittel mobilisiert und Ende 1997 erhöhte sich das IWF Hilfspaket auf US$ 42,3 Mrd., wovon US$ 11,2 Mrd. direkte Kreditzusagen des IWF waren. (7) Dagegen betrug die indonesische Devisenreserve weniger als US$ 20 Mrd.
Die Schulden der privaten und staatlichen Unternehmen beliefen sich zu dieser Zeit auf mindestens US$ 65 Mrd. Davon wurden Ende 1997 US$ 34 Mrd. fällig, der Rest im Jahr darauf. Die 1997/98 zusätzlich zu den US$ 11,2 Mrd. der IWF-Spritze gewährten Hilfen verdampften angesichts der oben geschilderten Situation wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Wert der Rupiah verfiel rapide: von Rp. 2.440/US$ 1 im Mai 1997, auf Rp. 4.650/US$ 1 im Dezember 1997 und auf Rp.14.900/US$ 1 im Juni 1998. (8)
Als Gegenmaßnahme verringerte die Bank Indonesia (BI, Indonesische Zentralbank) – entsprechend den Auflagen des IWF – den Geldumlauf und erhöhte den Leitzins von 20% (Januar 1998) auf 70,8% (Juli 1998). Dies führte zum plötzlichen Zusammenbruch der Banken und der Wirtschaft, (9) was eine Massenarbeitslosigkeit zur Folge hatte 3) .
Die Beziehung zwischen IWF und Indonesien ist von einer Dauerkrise gekennzeichnet: Die Bevölkerung reagierte auf Maßnahmen wie die Schließung der Banken und auf Preiserhöhungen mit Unruhen, bei denen allein im Mai 1998 über 1.000 Personen umkamen. Wie viele andere internationale Vertretungen verließen die MitarbeiterInnen des IWF damals in Panik das brennende Jakarta.
Durch die Querelen mit dem IWF wurde der Sturz von drei indonesischen Präsidenten (Suharto, Habibie, Wahid) beschleunigt: Jeweils vor den etwa vierteljährlich stattfindenden „Überwachungssitzungen“ des IWF sank der Wert der Rupiah. Erschwerend kommt hinzu, dass die Nachfolgeregierungen seit dem Sturz Suhartos (Mai 1998) politisch extrem schwach sind. So steht dem IWF kein gleichberechtigter starker Partner gegenüber, der mit geeigneten Mitteln eine Lösung der Probleme und Beendigung der Krise des Landes anstrebt; der nicht, wie bislang, in erster Linie eigene Interessen verfolgt und damit das Ausmaß der Korruption und der Skandale nur noch vergrößert.
Die negativen Auswirkungen der Maßnahmen des IWF werden durch große strukturelle Probleme noch verstärkt:
1. Obwohl Indonesien schon seit mehr als 30 Jahren im Rahmen der CGI
bzw. IGGI von IWF und Weltbank begleitet wird, sind zentrale staatliche
Institutionen nach wie vor äußerst schlecht organisiert. Beispielsweise
gibt es in der Indonesischen Zentralbank (BI) keine ordentliche Buchführung.
Doch statt diesen Missstand zu beheben und die Zentralbank zu reorganisieren
und von Korruption zu säubern, bevor man ihr weitreichende Kompetenzen
gibt, wurde vom IWF einfach ihre Autonomie angeordnet. Heute kann die Politik
kaum noch Einfluss auf ihre Organisationsstruktur nehmen, da dies einen
Verstoß gegen ihre Autonomie wäre.
2. Die Rettung der bankrotten Banken und Unternehmen geschieht vor
allem mit Hilfe von rückwirkenden Blanko-Bürgschaften. Die Schulden
eines Unternehmens und die vorhandenen Sicherheiten werden von der Treuhandgesellschaft
der Regierung IBRA (Nationale Agentur zum Wiederaufbau der Banken - s.u.)
übernommen und das Unternehmen wird mit neuem Kapital ausgestattet.
3. Der IWF gewährte der Zentralbank das Recht auf Vergabe
von Sonder-Liquiditätskrediten (BLBI) an fünf Banken, die im
Besitz der Familie Suharto (Rp 100 Billionen) sind, und an 43 Banken, die
Mitgliedern der Suharto-Clique (Rp. 44,5 Billionen) gehören. Diese
Kredite wurden überwiegend für Devisenspekulationen genutzt oder
ins Ausland transferiert. (Beispielsweise wurde die europäische Abteilung
von Trevira-Hoechst von Texmaco – einer indonesischen Firma – aufgekauft).
(10)
Da die Regierung für die Finanzierung der angeführten Maßnahmen nicht über ausreichende Mittel verfügte, gab sie an die Banken Obligationen (verbürgte Schuldscheine) in Höhe von insgesamt Rp. 650 Billionen (heute etwa US$ 60 Mrd.) aus. Diese Summe entspricht fast dem doppelten Geldbestand des Landes. Die direkten IWF-Kredite betrugen damals rund Rp.100 Billionen - viel zu wenig, um den Rupiah zu stützen.
IBRA (Indonesian Bank Restructuring Agency)
Weil die Treuhandgesellschaft IBRA (Indonesian Bank Restructuring Agency), die geplatzten Kredite und deren Sicherheiten – die vor allem aus rund 160.000 Unternehmen, Wertpapieren und Immobilien bestehen – übernahm, wurde sie plötzlich zur Eigentümerin von etwa 80% des modernen Sektors Indonesiens. Der reale Wert dieser Sicherheiten lag aber bis zu 2.000% unter dem angegebenen Wert. Eine Wirtschaftsprüfung ergab, dass die IBRA in Wirklichkeit lediglich über ein Vermögen von Rp. 167,7 Billionen (ca. US$ 15 Mrd.) verfügt und nicht, wie angegeben, über Rp. 650 Billionen. 4)
Trotz dieser massiven Unterstützung kamen die Banken nicht aus der Krise: Der überwiegende Teil (ca. 160 Banken) war - und ist immer noch nicht - in der Lage, neue Kredite auszugeben. (11) Die IBRA plant, etwa 100 Banken zu schließen und die Zahl der Banken langfristig auf 20-30 zu beschränken. (12)
Die Verschuldung Indonesiens
Im Jahr 2001 sah die Situation diesbezüglich folgendermaßen
aus:
Die Höhe der internen Staatsobligationen (Schulden) belief
sich im Januar 2001 auf Rp. 650 Billionen (US$ 60 Mrd.), bestehend aus
Obligationen für die Re-Kapitalisierung der Banken in Höhe von
Rp. 430,4 Billionen und Liquiditätskrediten (BLBI) in Höhe von
Rp. 218,3 Billionen.
Durch den hohen Leitzinssatz für den Rupiah – über 17,5% – ist die Zinsbelastung des Staatshaushalts durch die interne Verschuldung doppelt so hoch wie durch die Auslandsverschuldung! Die Zinsbelastung für das Jahr 2002 – Rp. 59.62 Billionen – macht 21% des Haushalts aus. Ab 2004 werden größere Teilbeträge der Obligationen fällig, was mit unkalkulierbaren Risiken verbunden ist, da nicht sicher ist, ob die Wirtschaft sich dann soweit erholt haben wird, um die Rückzahlungen leisten zu können.
Zu den oben angeführten, von der Regierung übernommenen Schulden kommen noch Zahlungen für Wertpapiere (SBI) im Wert von Rp. 80 Billionen hinzu, die von der Zentralbank zur Verknappung der Rupiah ausgegeben wurden.
Die Höhe der Auslandsschulden betrug im Januar 2001 insgesamt US$
137,6 Mrd., davon sind US$ 75,1 Mrd. staatliche und US$ 68,2 Mrd. private
Schulden.
Die endgültige Summe kann sich jedoch noch um US$ 100 Mrd. erhöhen,
da bisher noch nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, v.a. Verpflichtungen
von Unternehmen. Ein besonders brisantes Beispiel sind die Verträge
der staatlichen Stromgesellschaft PLN mit 27 internationalen Energiekonzernen
(IPP - International Power Producer) wie GE, Power Gen (heute RWE) und
Siemens. Durch diese Verträge ist Indonesien verpflichtet, in den
nächsten 30 Jahren von der IPP Strom im Wert von U$ 133,5 Mrd. abzunehmen
(13), was dem gesamten Bruttoinlandsprodukt des Landes
in einem Jahr entspricht. 5)
Der Umfang der Auslandsschulden Indonesiens entsprach fast dem Bruttosozialprodukt des Landes. Der Auslandsschuldendienst des Staates wird in den nächsten Jahren US$ 8-9 Mrd./Jahr betragen, während für den Schuldendienst der kurzfristigen Schulden der Privatwirtschaft zwischen US$ 25 - 30 Mrd. pro Jahr an Devisen benötigt werden.
Weltbank und Entschuldung
Nach Angaben der Weltbank können die Schulden unter bestimmten Voraussetzungen in den nächsten 10 Jahren auf die Hälfte des Bruttosozialprodukts sinken. (14) Um dieses Ziel zu erreichen, hält die Weltbank folgende Maßnahmen für notwendig:
· Überschüsse im Staatshaushalt von mehr als 2%
· Beschleunigung und Ausweitung des Privatisierungsprogramms
· Vermeidung von Verlusten und Risiken, die den Staatshaushalt
belasten
· Umschuldung
· Aufbau eines effektiven Schuldenmanagements (Kapazitätsbildung)
· Aufbau eines einheimischen Marktes für staatliche Schuldscheine
(Bondmarkt)
· ein Wirtschaftswachstum von über 6%
Es ist jedoch sehr fraglich, inwieweit diese Forderungen überhaupt
realistisch sind und jemals erfüllt werden können. Eine wichtige
Voraussetzung wäre der Aufbau einer effektiven staatlichen Verwaltung,
d.h. die bestehende muss radikal umgestaltet werden.
Ein Wirtschaftswachstum von 6% zu fordern bedeutet quasi, einem Schwerkranken
Höchstleistungen abzufordern. Wesentliche Voraussetzung für die
Erreichung dieses Ziels sind Investitionen in großem Umfang. Dafür
fehlt aber bei den potenziellen Investoren das Vertrauen in die indonesische
Regierung. Nach Schätzungen befindet sich mittlerweile indonesisches
Kapital in Höhe von US$ 100 Mrd. in Singapur. (15)
Für die Privatisierung von staatlichem Vermögen, d.h. den
Verkauf des Vermögens der IBRA und anderen staatlichen Vermögens,
fehlt bisher eine allgemeine politische Richtlinie. Und die Privatisierung
der staatlichen pharmazeutischen Fabrik könnte sich beispielsweise
fatal auf die Preise von Medikamenten auswirken.
Bei ihren Bemühungen, der Forderung nach Privatisierung nachzukommen,
geriet die Zentralregierung in große Schwierigkeiten, da es keine
gesetzliche Regelungen dafür gibt. Zusätzlich stießen die
Bemühungen der Zentralregierung bei den regionalen Regierungsvertretern
auf heftigen Widerstand. Diese witterten nämlich die Chance, die Kontrolle
über die Betriebe selbst in die Hand zu bekommen. (Ähnliche Erfahrungen
hat die Weltbank bereits mit der GUS gemacht.) (16)
Geringes Krisenbewusstsein
Die herrschende Wirtschaftskrise ist in Indonesien nicht augenscheinlich und sofort sichtbar. So verzeichnen Autohersteller und die großen Kaufhäuser seit Anfang 2000 Umsatzsteigerungen bis zu 200%. Ein Teil der Gesellschaft hat sich von der Krise offenbar erholt. Zwar hat der Mittelstand durch den Währungsverfall Verluste, doch profitieren einige auch von der Hochzinspolitik.
Auch in der Regierung ist nur ein geringes Krisenbewusstsein vorhanden, wie die großen Ausgaben für den Kauf von Autos und Reisekosten von hochrangigen Regierungsvertretern zeigen. Dagegen werden für lebenserhaltende Maßnahmen für Unterprivilegierte oder Flüchtlinge aus den Krisengebieten des Landes kaum Mittel bereitgestellt. (17)
Schattenwirtschaft und Armee
Das geringe Krisenbewusstsein beruht auch auf der Tatsache, dass ein
großer Teil der Bevölkerung in der sog. Schattenwirtschaft lebt
bzw. überlebt und für sie dadurch die Krise noch nicht im vollen
Ausmaß spürbar wird. 6)
1965 machte die Schattenwirtschaft das Doppelte des offiziellen Sektors
aus; viele Unternehmen waren damals nur bei den jeweiligen lokalen Verwaltungen
gemeldet. Heute ist die Situation ähnlich: So werden beispielsweise
die Ausgaben der Armee auch heute noch nur zu 35% durch den offiziellen
Staatshaushalt gedeckt. Die restlichen Ausgaben werden mit Einnahmen aus
der Schattenwirtschaft finanziert, d.h. durch zahlreiche Unternehmen und
“Geschäfte” der Armee. Beispielsweise zahlt die Kupfermine Freeport
in Westpapua jedes Jahr US$ 11 Mio. an die lokale Armeekommandantur.
(18)
Der Anteil an Steuereinnahmen und des Haushalts, der in den Taschen der Bürokraten verschwindet, wird auf jeweils 30% geschätzt – zusätzlich zum Schwund an außerhaushaltlichen Mitteln. Es wird geschätzt, dass das Gesamtvolumen der durch Korruption veruntreuten Mittel dem des Staatshaushalts entspricht. (18).
Die Armee hat eine verschachtelte Wirtschaftsstruktur, in der Stiftungen als Eigentümer von Kooperativen und Unternehmensgruppen in verschiedenen Wirtschaftsbereichen auftreten. Federführend ist die Stiftung (Yayasan) Kartika Eka Paksi. Tomy Winata, Mafia-Boss und Strohmann dieser Stiftung bei verschiedenen Großunternehmen, behauptet, mit Geldern der chinesischen Triaden und der japanischen Yakuza zu arbeiten. Früher hatte die Armee auch direkten Zugriff auf Mittel staatlicher Unternehmen wie des Erdölkonzerns Pertamina. (19)
Kostspielige Militäroperationen, wie der Einsatz in Osttimor, wurden
auch durch das Drucken von Geldscheinen (“Rupiah-Kloning”) finanziert.
In einigen wichtigen Wirtschaftszweigen sind die Aktivitäten der
illegalen, “schwarzen“ Wirtschaft größer als die der Offiziellen.
Sie machen beispielsweise bei der Holzwirtschaft 70% und bei Zinn 54% aus.
(19)
Korruption und „Renten (Schmiergeld)-Wirtschaft“
Sowohl der Staat als auch seine korrupten Beamten finanzieren sich weitgehend über eine feudale sogenannte Rentenwirtschaft, wobei unter ‚Rente’ Schmiergeld zu verstehen ist. Die Grenzen zur Mafia-Struktur sind fließend; das wird beispielsweise bei der Vergabe von Ökozertifikaten beim Holzhandel sichtbar. Zum „Rentensystem“ gehört auch der Anteil der Entwicklungshilfe, der in den Taschen der Bürokraten verschwindet (30-85%). Um an notwendige Papiere, einen Personalausweis oder Eigentumstitel von Grund und Boden zu kommen, muss der zuständige Beamte in der Regel vom Antragsteller bestochen werden. Ein Rechtsanspruch ist nur schwer durchzusetzen und, falls vorhanden, weitgehend unbekannt. (17)
Unternehmen, die eine staatliche Förderung, Kredite oder Lizenzen brauchen, sind meist gezwungen, für ihr Projekt die Empfehlung einer oder mehrerer einflussreicher Personen zu besorgen. Als Gegenleistung erwarten diese zumeist mindestens eine 10%ige Beteiligung an dem Projekt, Abgaben an oben erwähnte Stiftungen und/oder an die Sonderkasse (Dana Taktis) des Staatssekretariats. Aus diesen schwarzen Kassen werden Sozialprogramme der Armee, Waffenkäufe und geheime Militäraktionen (Beispiel Osttimor) finanziert. Gewissenlose Beamte kommen so leicht zu großem Wohlstand. Das erklärt auch, warum bis zu € 10.000,- gezahlt werden, um eine einfache Stelle als Beamter zu erhalten.
Ein entscheidende Rolle spielt in diesem System das FKPPI (Kommunikationsforum
der Nachkommen von Angehörigen der Streitkräfte). Wer größere
wirtschaftliche Aktivitäten plant, ist gezwungen, mit der FKPPI zusammenzuarbeiten.
FKPPI kontrolliert direkt oder indirekt durch seine Seilschaften beispielsweise
die Vergabe von Lizenzen, Monopole und eventuell erforderliche Regierungsbeschlüsse,
d.h. die gesamte Wirtschaft. Früher hatte Suhartos Tochter Tutut den
Vorsitz in diesem Forum, heute ist es Dudhie Makmun Murod, ein Vertrauter
von Taufiek Kiemas, dem Ehemann der Präsidentin Megawati Soekarnoputri.
Wichtig zur Erhaltung dieses Systems sind die sog. Preman, wie die
Gang of Nine, Pemuda Pancasila oder Herkules – meist Ableger der Armee
oder Behörden. Sie betreiben Geschäfte am Rande der Legalität,
beispielsweise Mafia-Aktivitäten, Rotlicht-Geschäfte, Spielcasinos
zur Geldwäsche, Sicherheitsdienste, treiben Schulden ein usw. Sie
unterstützen die Behörden bei Gewaltaktionen, etwa bei der Vertreibung
der Bevölkerung von ihrem Land oder aus ihren Häusern. (21)
Korruption und ungleiche Machtverteilung
Das oben geschilderte System wird nur durch die ungleiche Machtverteilung
möglich. Indonesien hat eine feudal-patriarchalische Gesellschaft
mit mafia-ähnlichen Strukturen. (22)
Die klare Hierarchie und Machtverteilung mit Suharto als Zentrum ist
nach seinem Sturz zwar in sich zusammengefallen, doch wird die neu entstandene
Vielzahl von Machtzentren weiterhin von der alten kleinen Elite beherrscht.
In den Ministerien wird die Korruption weiterhin durch die Einbindung von
Parlament und Justiz ermöglicht und kanalisiert. Die Verabschiedung
von Gesetzen, Gerichtsentscheidungen und der Ausgang von Wahlen sind nach
wie vor “eine Frage des Geldes”. Dieses käufliche System macht demokratische
Entscheidungsprozesse und Rechtsstaatlichkeit unmöglich. (23)
Früher waren nur die Unterprivilegierten, wie die Armen oder die indigenen
Völker, Opfer dieses Systems, während die Oberschicht durch ihre
Beziehungen Schutz genoss. Durch die anarchischen Zustände in den
vergangenen Jahren werden zunehmend auch multinationale Konzerne und internationale
Organisationen, wie z.B. die Weltbank, Opfer von Manipulationen der Gerichte
und verlieren ihr Eigentum. (24)
Politisch und kulturell werden Korruption und Seilschaften durch unklare
Besitzverhältnisse begünstigt: In Indonesien wird kaum unterschieden
zwischen dem Eigentum einer Person, der Familie, der Sippe, der Dorfgemeinschaft,
des Kiai (Rektor der islamischen Schule), des Pesantren (islamische
Schule), der Religionsgemeinschaften oder des Staates. (25)
Ebenso wenig gibt es im Bewusstsein eine klare Trennung zwischen dem Eigentum
des Staates, von Institutionen, von Staatsbediensteten, von Bürgermeistern
oder Dorfchefs. Früher war der Geldbeutel des Dorfchefs mit der Dorfkasse
identisch. Bis vor Kurzem ließen einige hochrangige Beamte
offizielle Geldtransaktionen über ihr Privatkonto laufen.
Und auch bei Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen und NGOs ist oft keine
klare Trennung von Privat- und Firmenkonten zu erkennen. (26)
Dies ist eine ungute Mischung von sogenanntem Familien-Prinzip und Patriarchat.
Vom “Bapak” (Vater) wird – bei Duldung von Korruption – erwartet,
dass er für seine Leute sorgt. (27)
Diese ungeordnete öffentliche Haushaltsführung im Indonesien
der vergangenen 30 Jahre wird jedoch von IWF und Weltbank kaum beanstandet.
Kritiker vermissen eine politisch-administrative Rechtsgrundlage, nämlich
ein Haushaltsgesetz und entsprechende Gesetze zu Grundsätzen der Haushaltsführung.
(28)
Schwacher Staat – unterentwickelte Steuermoral
Dieses korrupte System hat zu einer Verarmung des Staates geführt: Viele Abgaben werden direkt und persönlich an bestimmte Beamten getätigt. Im Jahr 2000 finanzierte Indonesien lediglich 11% seines BSP – unter Berücksichtigung der Öl-Einnahmen 19% – aus Steuereinnahmen. Malaysia erzielt dagegen 35% des BSP an Einnahmen. Nur 20% der etwa 18 Mio. Unternehmen sind vom Finanzamt erfasst und haben eine Steuernummer. Allein bei der Hochseefischerei beträgt der Verlust an Steuern US$ 4 Mrd./Jahr – 50% der 7.200 Schiffe arbeiten schwarz. (29)
Lohnsteuer wird regelmäßig nur von 4,4 Mio. Werktätigen, die in ihren 832.000 Betrieben direkt erfasst werden, abgeführt. Die Höhe der so entstandenen Verluste an Steuern wird für die Jahre zwischen 1990-2000 auf Rp. 714,5 Billionen (ca. US$ 70 Mrd.) geschätzt. (30).
Magerer Staatshaushalt, fehlender Sozialstaat
Der indonesische Staatshaushalt hat sich im Bereich der Sozialausgaben in einen Zwerg verwandelt. Allein im Jahre 2000 mussten Rp. 34,8 Billionen für inländische und Rp. 18,6 Billionen für ausländische Zinsen eingesetzt werden, das war mehr als für die Gehälter der fünf Millionen Staatsbediensteten (Rp. 30 Billionen). Nach Schätzungen der Zentralbank wird der Schuldendienst demnächst von gegenwärtig einem Viertel auf ein Drittel der Haushaltsausgaben anwachsen.
Der ohnehin magere Entwicklungshaushalt (Rp. 41,5 Billionen) kann nur aus dem Verkauf von Staatseigentum und durch Auslandskredite finanziert werden. Die Situation ist so schwierig, dass noch nicht einmal alle genehmigten Kredite abgerufen werden: Aus Mangel an Eigenmitteln (Rupiah) und wegen eines schwachen Managements wurden im Jahr 2000 nur 62% der von der CGI zugesagten Kredite genutzt.
Aufgrund des geringen finanziellen Spielraums ist die Handlungsfähigkeit des Staates sehr eingeschränkt. Die Durchführung von Sozialprogrammen ist nur mit Hilfe externer Finanzierung (Entwicklungshilfe, Spenden) möglich. Durch diese Fremdbestimmung werden eigene langfristige Planungen stark erschwert. Dies führt zu kurzfristigen, häufig ineffektiven, wenig nachhaltigen Entwicklungsprogrammen.
Die Not der dringend Hilfe bedürftigen armen Bevölkerung (137 Mio.), der rund 40 Mio. Arbeitslosen sowie der 2 Mio. Flüchtlinge wird unter den Teppich gekehrt. Das Gleiche trifft auf erhaltende Maßnahmen für Indonesiens dahinsiechende Wälder zu.
Die Bevölkerung hat viele Schwierigkeiten mit der Verwaltung, aber wenig Nutzen von ihr. Es herrscht allgemein die Ansicht, dass die Regierung nicht für sie sorgt und eigentlich für sie nicht existiert. (31)
„High Cost Economy“
Die geringen staatlichen Steuereinnahmen bedeuten keineswegs, dass nur geringe Steuern gezahlt werden: Die Kosten für ein einfaches Haus bestehen bis zu 57,5 % aus Steuern und Abgaben. Die Textilwirtschaft beklagt die “high cost economy”, da sie 29 unterschiedlichen Steuern und Abgaben (inkl. Schmiergelder) abführen muss. Dies wirkt sich auch auf die Konkurrenzfähigkeit indonesischer Produkte auf dem Weltmarkt aus: Im Jahr 2000 standen sie auf dem letzten Platz der Rangliste von 49 internationalen Produzenten. (30)
1998 gab es etwa 200 regionale Steuerarten, wodurch landwirtschaftliche Produkte in der Stadt das 5-10fache des Erzeugerpreises kosteten. (30) Anfang 2001 nahm die Zahl der Steuern durch die Dezentralisierung noch zu. 7)
Verwaltungsreform
Indonesien hat eine ineffiziente, korrupte und autoritäre Regierung. Die indonesische Bürokratie ist kein staatlicher Dienstleister, sondern ein feudales Instrument, mit dessen Hilfe “Raubritter” Gelder einziehen können. Statt einer besseren Koordination der Verwaltung lösen Bemühungen um Reformen und zur Kontrolle der (oft eigenen) Pfründe Rivalitäten und Intrigen um Zuständigkeiten aus. Somit erscheint die Arbeit der Regierung als unklar und uneinheitlich.
Das Wirtschaftssystem wird dadurch teuer und ineffizient. Aber Indonesien benötigt eine effiziente Verwaltung, um im Wettbewerb der globalen Wissensgesellschaft bestehen zu können. Im Januar 2003 startet die südostasiatische Freihandelszone AFTA. Wenn aber die “high cost economy” lokale Ware teurer macht als importierte, dann wird die AFTA den Untergang der indonesischen Wirtschaft einleiten. Schon aus diesem Grund ist eine Verwaltungsreform unabdingbar. Für den Aufbau einer effizienten und verantwortungsvollen staatlichen Verwaltung ist es dringend erforderlich, dass “die notwendigen Reformen institutionelle Reformen, d.h. normative, ethische und organisatorische (strukturelle) Reformen, beinhalten”. (32)
Starke Elite: die Großunternehmer
Wie oben beschrieben, gründen die Großunternehmen ihre Geschäfte
auf Seilschaften. Mangels Eigenkapital stehen sie aber unter dem Druck,
ihre Schulden durch schnelle, kurzfristige Spekulationen auszugleichen.
Um Fördermittel – vor allem Kredite – zu erhalten, blähen sie
ihre Projekte auf, indem sie eng mit internationalen Consultingfirmen,
Wirtschaftsprüfern und Banken zusammenarbeiten. Sie erstellen mehrere
frisierte Bilanzen – eine für den Staat, um Steuern zu sparen und
eine für die Finanzwelt, um Kredite auf dem Kapitalmarkt zu erhalten.
Auf diese Weise konnte es geschehen, dass 1996 in Jakarta 15 Konglomerate
mit 61,7% die Kontrolle über die Marktkapitalisierung hatten (33)
– die höchste Konzentration in Südostasien.
Manipulierte Finanzberichte und der Irrglaube, dass die Ressourcen
an Tropenholz unerschöpflich sind, ermöglichte es u.a. dem Unternehmen
Sinar Mas/APP (Asia Pulp and Paper) ohne Eigenkapital – aber mit Hilfe
von amerikanischen Großbanken – in den USA $ 5,6 Mrd. Bonds
zu verkaufen. Insgesamt hat APP inzwischen etwa US$13 Mrd. Schulden. 8)
Dieser immense Schuldenberg kam durch eine Art “Wechselreiterei” zustande
– finanzielle Engpässe werden durch Kreditaufnahmen – auch Subventionen
der Regierung – für andere Projekte gedeckt. (34)
So entsteht eine immer größere Kapitalblase.
In der Bau- und Immobilienbranche entstand zwischen 1994 und 1996 auf
die gleiche Weise ein Verhältnis von Schulden zu Vermögen von
1,6:1. (33) Solches spekulatives, als “casino economy”
kritisiertes, Wirtschaftsverhalten ist Ursache für den rapiden Anstieg
der Verschuldung der Privatwirtschaft in den neunziger Jahren.
Indonesiens Konglomerate haben die staatlichen Institutionen, inter-nationale
Finanzinstitute, Consul-tingfirmen und Wirtschaftsprüfer ko-optiert,
um Sonderbedingungen und Monopole zu diktieren und den üblichen Mechanismus
des Marktes außer Kraft setzen zu können. (35)
Sie möchten natürlich die Kontrolle dieser Strukturen unter
sich regeln, weshalb Gigantomanie, Großprojekte und die Bildung von
großen Konglomeraten systembedingt ist.
Starke Elite: die Bürokraten
Indonesische Bürokraten haben eine sehr starke Position. Die Verweigerung einer staatlichen Dienstleistung (z.B. Ausstellung von Urkunden, Vollzug von Gerichtsurteilen) muss nicht mit entsprechenden Richtlinien und Gesetzen begründet werden. Beamte können auch nicht disziplinarisch belangt werden und können in der Regel nur durch Beförderung von ihren Posten entfernt werden.
Ihr einziges Problem ist die öffentliche Meinung: Korrupte Beamten mögen keine öffentliche Kontrolle, Transparenz und gesellschaftliche Partizipation. Die Anfechtung von Entscheidungen von Beamten beim Verwaltungsgericht ist sinnlos, denn einen Rechtsanspruch auf Vollzug von Gerichtsurteilen gibt es seit den neunziger Jahren nicht mehr. Die Loslösung der Verwaltung von jeglicher Kontrolle und Norm bedeutet, dass Indonesien kein Rechtsstaat ist. Der Staat wird zur Zentrale der Umverteilung von Ressourcen und Dienstleistungen zugunsten von denjenigen, die bezahlen können. Nach Recherchen des Rechnungshofs (BPK) wurden 70% der Mittel aus dem Haushalt 1999/2000 unsachgemäß verwendet. (36)
Posten in der öffentlichen Verwaltung sind wegen der Möglichkeiten zur Korruption sehr lukrativ. Und so gibt es um alle hohen und höheren Posten einen politischen Kuhhandel.
Schwache Bevölkerung
Die Bevölkerung kennt ihre politischen und sozialen Rechte kaum und ist an Entscheidungsprozessen nicht beteiligt. Das Einkommen der Werktätigen und Bauern ist sehr gering. Das Verhältnis des niedrigsten zum höchsten Lohn in einem Unternehmen kann bei 1:200 liegen; in Singapur liegt dieses Verhältnis bei 1:22; für Deutschland nimmt man ein Verhältnis von maximal 1:20 an. (37)
Da es für die Bevölkerung faktisch keinen politisch oder legalen Weg gibt, ihre Rechte durchzusetzen, nehmen einige ihre Sache selbst in die Hand und versuchen, ihre wirklichen oder vermeintlichen Rechte mit Gewalt, Totschlag und Landvertreibungen durchzusetzen. (38)
Normlosigkeit (Anomie)
Der gestürzte Suharto und seine Clique haben den Rechtsstaat und somit den gesetzlichen Schutz der Bevölkerung aufgehoben, um ihre eigenen Projekte leichter durchsetzen zu können. Dies wurde besonders in den neunziger Jahren vorangetrieben, weshalb seither Anomie (Normlosigkeit) herrscht. Seitdem wird das Land von horizontalen Konflikten erschüttert, die letztendlich das soziale Kapital, das Indonesien zusammenhält, vernichten werden. (39) Der Wille zu einem gemeinsamen Staat wird immer geringer und das Vertrauen schwindet, dass die Regierung und die Gesellschaft an dem Bestreben nach einer friedlichen Konfliktlösung festhält. Aus Sicht der Elite wird die Bevölkerung immer mehr zur “Gefahrenquelle”. Ein Ergebnis dieser Politik (und des quasi ethisch-moralischen Bankrotts) ist ein wirtschaftlich maroder Staat, dessen Wälder nach exzessivem Raubbau ökologisch umgekippt sind und der zunehmend von horizontalen Konflikten um die knapper werdenden Ressourcen geplagt wird.
Neues Indonesien
Die Bevölkerung weiß andererseits nicht mehr, was dieses Land zusammenhält und wozu ein gemeinsamer Staat Indonesien nützlich sein soll. Deshalb benötigt das Land dringend einen neuen Gesellschaftsvertrag mit einer demokratischen, multikulturellen Verfassung, die das Zusammenleben regelt und allen Raum bietet, um die kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes menschlich zu gestalten.
Die Beratende Volksversammlung (MPR) hat in der Erkenntnis, dass staatliche Gewalt die Ursache der Unruhen ist, sechs Reformen versprochen: 1. Verfassungsreform; 2. Rechtsstaatlichkeit; 3. Subordinierung von Streitkräften und Polizei unter die Politik; 4. regionale Autonomie; 5. eine von Korruption gesäuberte Regierung sowie 6. Demokratisierung. (40)
Die Verfassungsreform wurde im Herbst 2002 beschlossen. Bei den vorbereitenden Diskussionen waren jedoch sowohl fehlende Transparenz als auch gesellschaftliche Partizipation zu beklagen.
Aber mit einer solchen Verfahrensweise lässt sich Vertrauen und
Frieden nicht herbeiführen. Ein Neuanfang kann nur durch eine Öffnung
des Diskussionsprozesses und die Bildung einer eigenständigen Verfassungskommission
gestaltet werden.
Korruption wird in der Literatur oft als ein Krebsgeschwür beschrieben.
Wenn das zutrifft, dann wäre Korruption durch „Wegoperieren“ heilbar.
Dagegen vergleichen manche Soziologen Korruption mit einer Krankheit, die
ähnlich wie HIV/AIDS das Immunsystem der Gesellschaft, d.h. deren
Gewissen, ausschaltet, was im Endstadium zur Anomie führen kann und
ihren Zerfall einleitet.
Zur Bekämpfung der Korruption ist deshalb eine breite ethisch-moralische
Kampagne nötig. Ansätze dazu gibt es bereits in Indonesien. So
bildeten sich Gruppen – wie z.B. Indonesian Corruption Watch, Masyarakat
Transparansi Indonesia, Aid Watch Commission – die sich mit dem Thema beschäftigen.
Und auch die großen Religionsgemeinschaften des Landes haben am 16.
Januar 2002 gemeinsam zum ethischen Neuanfang aufgerufen. (41)
Für einen grundlegenden Wandel müsste jedoch eine breite, alle
Bevölkerungsschichten umfassende Bewegung entstehen, für die
ein langer Atem und demokratische Strukturen gebraucht werden.
* Hok An ist Sprecher von IMBAS (Postfach 60 422; D-60344 Frankfurt;
Tel.+Fax +49-69-4304988; e-mail: 0694304988@t-online.de)
Fußnoten:
1) 30-40%
des Bruttosozialprodukts (1)
2) früher
Intergovernmental Group on Indonesia (IGGI). Zu diesem Geberkonsortium
gehört unüblicherweise auch der Schuldner (Indonesien).
3) Zusätzlich
fiel durch den Verfall des Rupiah das indonesische pro Kopf Einkommen von
US$ 1100/Jahr auf unter US$ 600/Jahr.
4) Nach
Schätzungen des indonesischen Rechnungshofs (BPK) gab es beispielsweise
für die bis Januar 1999 vergebenen Liquiditäts-Kredite (BLBI)
in Höhe von Rp. 144,5 Billionen lediglich Sicherheiten im Wert von
Rp. 12,35 Billionen.
5) Bei
diesen Verträgen, die auf Druck Präsident Suhartos abgeschlossen
wurden, wurde ein Festpreis vereinbart, der doppelt so hoch ist wie der
auf dem Weltmarkt und das vier- bis zehnfache des heutigen indonesischen
Energie-Preises ausmacht. Der Strom muss zukünftig also vom Staat
subventioniert werden, wenn die Energiewirtschaft nicht zusammenbrechen
soll.
6) Nach
Schätzung des Parlamentariers Aberson Marie Sihaloho werden nur 40%
der möglichen Steuern eingetrieben. (20)
7) Die
Zentralregierung versucht gegenwärtig 104 der rund 1.000 neuen regionalen
Abgaben wieder abzuschaffen. (30)
8) Auch
die bundeseigene Hermes-Versicherung gewährte dieser Firma Bürgschaften
in Höhe von fast 1 Mrd. DM.
Literatur:
JP=The Jakarta Post Online; K=Kompas Online; MI=Media Indonesia Online; SP=Suarapembaruan Online
1) Paul Krugman;
The Myth of Asia's Miracle; Foreign Affairs, 73, 1994, 62?78; http://webt.mit.edu/krugman/www
Nadia Sri Damajanti: Strategi
Kebijakan Ekonomi Indonesia: Mungkinkah Krisis Ekonomi berakhir?: http://psi.ut.ac.id/Journal/102nadia.htm,
David Roche; The better better news in Asia; Forbes Global, 02.04.02
2)
East Asia economic model needs to be reappraised: US bank; AFP Singapur
21.05.01.
3) Vergleich:
Asia's banks face $2,000bn in bad debts; Financial Times; 01.11.01.
4) Bramantyo
Djohanputro; Siklus Eforia Ekonomi dan Bisnis; K. 07.08.01.
5) Indonesia
Kwik: No Fast Return Of Ethnic? Chinese Capital; Dow Jones Newswire. 6.12.99,
Pelarian Modal Mencapai 80 Milyar Dollar AS; K. 30.09.99.
6) Priyanto;
Analisa Tentang Krisis Moneter di Indonesia; Kabar dari Pijar 03.12.97.
7) Skandal
BB, Ancaman Bank Dunia? IMF Versus Realitas Ekonomi Makro; K. 01.09.99.
8) Meyer
Siahaan; Kritik Atas Ortodoksi IMF; SP. 29.12.97.
9) Muhammad
Chatib Basri; Pesan Krugman; Tempo; NO. 26/XXVIII/30 Ag. - Sep. ´99.
10) IMF
seeks new investigation into $13b liquidity assistance; JP. 19.11.01
11) Berni
K. Moestafa; Loan utilization by real sector low: BI; JP. 27.10.01;
12 BPPN
Usulkan 100 Bank Dimerger; MI. 22.11.2000.
13) Soal
Kontrak Listrik Swasta; K. 13.10.00; Pulling The Plug On PLN;
Laksamana.Net, 29.11.01
14) Indonesia;
Managing Government Debt and its Risks; Report no. 20436-IND; 22.05.00.
15) Pelarian
Modal 10 Milyar Dollar AS per Tahun; K. 15.11.01, Aset BPPN Cuma Rp 167,7
Triliun; MI. 03.07.01., Collateral on Jakarta emergency loans worth little;
Reuters (Jakarta), 23.05.01
16) Holmes,
1997; Why social capital is relevant for development work?; Social Capital
and the World Bank: http://www.worldbank.org
17) Time
to turn off the lights on military's businesses; JP. 04.12.99., Lesley
McCulloch; Trifungsi: The Role of the Indonesian Military in Business;
BICC, Oct. ´00; S.29
18) The
good, bad and ugly sides of SOEs; JP. 30.04.01.
19) From
'Freeman' to 'Thugs 4 Hire': A Brief History of Premanism; Laksamana.Net;
29.04.01, Leslie McCulloch; Indonesia is its own worst enemy; Asia Times
07.11.01., Christopher Barr; Profits on Paper: The Political Economy
of Fiber, Finance, and Debt in Indonesia’s Pulp and Paper Industries; CIFOR;
30.11.00.
20) Rp.
100 Triliun/ Tahun, Uang dari Pajak Di?KKN?kan; SP. 01.11.99.
21) Vaudine
England; Militias adjust to free market; South China Morning Post; 09.11.01.
22) Korupsi
Terkait Dengan Demokrasi; SP. 23.10.99., F. Rahardi; Kultur Jawa
dalam Kekuasaan Modern; SP. 03.09.01.
23) Indonesian
legislators say bribery is commonplace; AFP; Jakarta 21.09.01., Tatkala
Jual Beli Perkara sudah Menjadi Fakta...; MI. 10.09.01.
24) W.Bank's
IFC says freezes funding to Indonesia; Reuters, Jakarta; 08.08.01., Why
The IMF Shouldn't Lend To Indonesia; 26.04.01.
25) Hermawan
Sulistyo; Kiai dan Kegagalan PKI; Ummat, 15/III, 27.10.97.
26) Prof
Dr Bagir Manan: Pemberantasan KKN di Lembaga Pemerintah Saja, Tidak Efektif;
SP. 6.03.00.
27) M Alfan
Alfian; Demokrasi Ekonomi Normativitas Lama versus Baru; SP. 13.07.01.
28) Maruli
Hasoloan Panggabean; Asas-asas Anggaran Keuangan Negara; SP. 21.08.01.
29) JP.
31.07.00; SP. 25.9.00; SP. 24.10.00; K. 20.06.01; JP. 20.06.01; Ribuan
Kapal Ikan Berdokumen Palsu; K. 17.10. 01., Indonesia Rugi US$ 4 Miliar/Tahun
akibat Pencurian Ikan; SP. 10.02.00.
30) Indonesia's
poor hard-hit by graft, says survey; Straits Times [Singapore] 04.09.01.
31) Pelaksanaan
Otonomi Daerah Tingkatkan Ekonomi Biaya Tinggi; K. 02.09.01., "Perang"
Terhadap Biaya Ekonomi Tinggi; SP. 15.4.98, Government Tries to Abolish
'Greed Levies'; Laksamana.Net, 30.10.01.
32) Agus
Joko Purwanto; Reformasi Administrasi Negara Indonesia; Journal Universitas
Terbuka Vol.8.2.
33) Hidayat
Jati; Dilute conglomerate holdings; JP. 10.09.01.
34) Kwik
Kian Gie; Saya bermimpi jadi konglomerat, Gramedia, Jakarta ´93.
35) B.Herry
Priyono; Sesudah Negara Dilucuti; K. 18.10.01.
36) Revrisond
Baswir, Memahami Korupsi sebagai Pengkhianatan, SP. 31.10.00.
37) Atantya
H Mulyanto; Menanti Langkah Kuda “Meganomics”; SP. 27.08.01.
38) Multa
Fidrus; Will vigilantism change the police? JP. 17.09.01.
39) Zuhairi,
Misrawi; Demokrasi Pasca - Presiden Gus Dur; SP. 15.08.01.
40) Pimpinan
MPR Ingatkan Enam Pokok Reformasi Total; K. 01.11.01
41) Andreas
A Yewangoe; Menuju Masyarakat Indonesia yang Bermoral; SP 22.01.02
Andere:
Gunar Myrdal; The Challenge
of World Poverty; Pantheon Book/Random House, New York.
Richard Robison; Indonesia
- The Rise of Capital; Allen & Unwinn, Sidney 1986.
Saurip Kadi; TNI-AD; Dahulu,
Sekarang dan Masa Depan; Grafiti; Jakarta 2000.
http://www.bi.go.id
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