Indonesien-Information Nr. 3 2002 (Umwelt)

 

Das Staudammprojekt Koto Panjang und die Zerstörung von Leben

Anwohner verklagen Investoren in Japan

von Arno Waizenegger* und Mariadi**


Auf der indonesischen Insel Sumatra wurde im Jahr 1997 der Koto Panjang-Damm fertig gestellt. Dieses Wasserkraftwerk wurde unter der Regierung Suharto geplant und vom staatlichen indonesischen Elektrizitätsversorger (PLN) mit der Hilfe ausländischer Investoren und in Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen verwirklicht. Durch die Errichtung des Damms, der sich an der Grenze der beiden Provinzen Riau und Westsumatra befindet, wurden 124 km2 tropischen Regenwaldes und fruchtbaren Landes geflutet. Dieses Land war die Heimat von 23.000 Menschen und einer Vielzahl auf Sumatra endemischer Tiere wie Sumatra-Tiger, Tapir und Elefant. Außerdem ist ein hinduistischer Tempel aus dem 10. Jahrhundert durch das Ansteigen des Wasserspiegels gefährdet. Um den Bau des Dammes verwirklichen zu können, sollten 23.000 Menschen sowie die meisten der geschützten Tiere umgesiedelt werden.

Für die von der Flutung ihres Landes betroffene Bevölkerung stellte der gute Boden der Region sowie die Verfügbarkeit von sauberem Wasser deren Existenzgrundlage dar, da die meisten Bewohner der 10 Ortschaften ihr Einkommen aus der Landwirtschaft erwirtschafteten. Aus diesem Grund waren die meisten Bewohner mit einer Umsiedlung nicht einverstanden. Diejenigen, die einer Umsiedlung zustimmten, glaubten entweder an die Versprechungen der lokalen Regierung, die ihnen Reichtum und Wohlstand versprach, oder sie hatten Angst Opfer von militärischen Operationen zu werden. Einige Betroffene, die nicht Unterzeichneten, wurden von Soldaten misshandelt oder sie wurden auf Grund falscher Beschuldigungen inhaftiert. In das Dorf Pulau Gadang in Riau wurden Militärtruppen gesandt, um die Bewohner aus ihrem Dorf zu fahren. Ihre Häuser wurden zerstört, um ihre Rückkehr zu verhindern.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ANDAL (Analisis Dampak Lingkungan) wurde 1984 im Auftrag der PLN durch die Tokyo Electric Power Services Co, Ltd. in Zusammenarbeit mit der Universität Andalas in Padang ausgearbeitet. Die Umweltverträglichkeitsprüfung wird durch das indonesische Recht im Gesetz Undang-Undang (UU) No. 4/1982 gefordert. In dem Umweltmanagementplan RKL (Rencana Pengelolaan Lingkungan) und dem Umweltüberwachungsplan RPL (Rencana Pemantauan Lingkungan) aus dem Jahr 1988, welche durch Tokyo Electric Power Services Co, Ltd. in Zusammenarbeit mit der Universität Riau erarbeitet wurden, werden die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und der Tierwelt detailliert dargestellt. Diese Pläne wurden erstellt, um die ökonomischen, sozialen und ökologischen Probleme, die durch die Errichtung des Dammes und der damit zusammenhängenden Umsiedlungen der Bevölkerung und der Tierwelt entstehen, zu minimieren. Deren Durchführung zu Gunsten einer nachhaltigen Entwicklung wird in der Rechtsverordnung Peraturan Pemerintah (PP) No. 29/1986 gefordert. Neben einer Kompensation für die Umsiedlung in Form von neuen Behausungen, Brunnen mit ausreichendem sauberem Wasser, kostenlosem Elektrizitätsanschluss und kostenlosem Strom für ein Jahr, wurden den betroffenen Menschen im Umweltmanagementplan pro Familie ein mindestens 2 ha großes Stück Land, welches entweder mit Kautschukbäumen oder mit Ölpalmen bepflanzt sein sollte, sowie Arbeit in Kautschukplantagen und im entstehenden Kraftwerk versprochen. Außerdem wurde festgelegt, dass die von der Flutung ihres Waldes betroffenen Tiere – unter anderem 35 wilde Elefanten – artgerecht in ein nahe gelegenes Naturschutzgebiet umgesiedelt würden. Diese aus der  Umweltverträglichkeitsprüfung resultierenden Ausgleichsmaßnahmen wurden nie angewendet.

Die 1993 umgesiedelten Menschen kultivierten ursprünglich hauptsächlich Kaffeesträucher, Kokospalmen und Kautschukbäume und konnten ihren Lebensunterhalt in ihrer alten Heimat problemlos bestreiten. An ihrem neuen Zuhause hat die überwiegend landwirtschaftliche Bevölkerung Schwierigkeiten sich selbst zu versorgen, da das Land in der Region unfruchtbar ist, und da die Bauern nach der Umsiedlung nur noch einen kleinen Bruchteil des Landes besitzen, das sie vorher besaßen. Einige haben auch schriftlich eine mit einer Nummer versehene Parzelle zugeteilt bekommen, von der sie aber bis heute nicht wissen, wo sie sich befindet oder ob es diese überhaupt gibt.  Die versprochenen Kautschukbäume bzw. Ölpalmen waren entweder zum Großteil nicht vorhanden, zu jung, um sie zu kommerziellen Zwecken verwenden zu können, oder sie wuchsen auf Grund des schlechten Bodens nicht. Von dem gesamten Areal, das mit Kautschukbäumen bepflanzt werden sollte, war nur ein Anteil von 10% vorhanden. Die Wasserversorgung war ebenfalls nicht in der Weise vorhanden, wie sie aufgrund der Ausgleichsmaßnahmen versprochen worden war, sondern bestand lediglich aus Brunnen, die von Regenwasser gespeist werden. Das Wasser ist von minderer Qualität und die Brunnen gewährleisten den Menschen keine ausreichende Wasserversorgung. Für den Elektrizitätsanschluss sowie für die Nutzung mussten sie entgegen den Vereinbarungen schließlich doch zahlen. Des weiteren sind öffentliche Einrichtungen und Plantagen weit außerhalb der Dörfer und die Straßen dorthin in sehr schlechtem Zustand.

Da einige Bauern nun nicht mehr in der Lage sind sich selbst zu ernähren, sind sie gezwungen ihre Arbeitskraft unter harten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Die Frauen sind gezwungen ihre Kinder ungeschult und unbehütet zu Hause zu lassen, da sie in andere Dörfer gehen müssen, um auf den Kautschukplantagen arbeiten zu können. Der Lohn von 10.000 Rp. (ca.1 €) pro Tag reicht nicht aus, um das Geld für die Bildung ihrer Kinder aufzubringen. Eine weitere Möglichkeit sich selbst zu ernähren, die vor allem von den Bauern, die ursprünglich in den Dörfern Tanjung Balit und Tanjung Pauh in Westsumatra wohnten, wahrgenommen wird, besteht darin ihr altes Land aufzusuchen, um dort ihre Nahrungsgüter anzupflanzen. Da die Kosten für den Transport dorthin mit 6.000 Rp. (ca. 60 Cent) den Großteil ihres Tageslohnes ausmachen, bleiben die meisten Bauern die ganze Woche dort. Da das Gebiet jedoch Bestandteil des Projektes ist, ist es ihnen verboten sich dort aufzuhalten.

Der auf Sumatra endemische Elefant der Gattung Elephas maximus sumatrensis lebte ebenfalls in der Region um Koto Panjang. Es wurden 35 Elefanten gezählt, welche im Rahmen des Umweltmanagementplans in einen Nationalpark umgesiedelt werden sollten. Tatsächlich wurden sie jedoch in sogenannte Elefantenschulen gebracht, um sie später zu kommerziellen Zwecken nutzen zu können. Drei der Tiere starben bei der Gefangennahme, viele wurden verletzt. Was mit den anderen Tieren geschehen ist, weiß man nicht.

Die Probleme, die sich auf Grund der Errichtung des Dammes ergaben, waren absehbar. Die Weltbank lehnte damals die Unterstützung für das Staudamm-Projekt ab, da erfahrungsgemäß Probleme aus derartigen Projekten in Indonesien resultierten. (Das bekannteste Beispiel hierfür ist der von der Weltbank geförderte Bau des Kedung Ombo-Staudammes auf Java in den 80er Jahren, der zu einer Vielzahl von bis heute ungelösten Problemen führte und maßgeblich zur Entstehung der regierungs- und  weltbankkritischen NGO-Szene des Landes beitrug.) Diese Erfahrungen hinderten jedoch die indonesische Regierung, den japanischen Hauptinvestor ODA (eine Vereinigung aus Overseas Economic Cooperation Fund (OECF) und Japan Banking International Corporation (JBIC)), der 290 Mio. US$ zur Verfügung stellte, sowie die norwegische Firma Kvaerner, die die drei Turbinen im Wert von 15 Mio. US$ installierte, nicht daran mit der Durchführung des Projektes zu beginnen.

Die Bevölkerung aus zwei der betroffenen Dörfer und NGOs aus den Provinzen Riau und Westsumatra erkannten schon vor dem Beginn der Bauarbeiten im Jahr 1991, dass eine adäquate Kompensation für die betroffene Bevölkerung nicht realisiert werden wird, und sandten fünf Repräsentanten, welche Mitglieder des „Kotopanjang Solidarity Action Committee“ sind, nach Jakarta, um vor dem indonesischen Parlament und vor der japanischen Botschaft sowie beim OECF-Büro zu demonstrieren. Außerdem trafen sich zwei Einwohner mit Abgeordneten des japanischen Auswärtigen Amtes. Sie protestierten dagegen, dass die Menschen gezwungen wurden, Dokumente zu unter-zeichnen, in denen sie bestätigten, dass sie umziehen wollten, indem ihnen angedroht wurde überhaupt keine Kompensation zu bekommen, falls sie es ablehnten zu unterschreiben. Außerdem beklagten sie, dass es für die Zivilbevölkerung keine Möglichkeit gab, das als Kompensation gedachte neue Land zu besichtigen und dass die Höhe der Kompensation ohne Übereinstimmung mit der Bevölkerung  getroffen wurde. Des weiteren beklagten sie, dass noch keine Anstrengungen unternommen wurden die betroffenen Tiere umzusiedeln. Ihre Forderung war, dass die Finanzierung des Projektes durch die ODA gestoppt wird, bis ein Plan mit der betroffenen Bevölkerung ausdiskutiert und ausgearbeitet ist. Die ODA lenkte ein und stoppte die Finanzierung bis die indonesische Regierung ihr versichern konnte, dass die betroffenen Tiere umgesiedelt wurden und alle betroffenen Familien einer Umsiedlung sowie dem Ausmaß der vereinbarten Kompensation zugestimmt haben. Um diese Forderungen zu erfüllen wurden auf illegale Weise von der Regierung weitere Unterschriften gesammelt und der ODA als Beweis für die Erfüllung der Forderungen übergeben. Die Finanzierung wurde nicht lange unterbrochen.

Nachdem die Umsiedlung im Jahr 1993 durchgeführt wurde, klagten 81 Familien aus den beiden Dörfern Tanjung Balit und Tanjung Pauh im Jahr 1998 mit der Hilfe der Organisation KBH (Kantor Bantuan Hukum Bukittinggi) vor dem Bezirksgericht Tanjung Pati in Westsumatra gegen die indonesische Regierung, weil diese die versprochene Kompensation, wie sie im RKL festgelegt worden war, nicht erstattete. Im Jahr 2000 zogen 67 von den insgesamt 180 Familien aus Tanjung Pauh, welche die versprochenen Kompensationen noch nicht erhalten hatten, erneut vor Gericht, um dieselben Forderungen nochmals zu stellen. Das Gericht entschied beide Male gegen die Kläger. Am 05. September 2002 reiste eine Delegation, bestehend aus jeweils einem Vertreter aus jedem betroffenen Dorf, welche in der NGO BPRKDKP (Badan Perjuangan Rakyat Korban Dam Koto Panjang) organisiert sind, mit Unterstützung der beiden NGOs KBH und WALHI (Wahana Lingkungan Hidup Indonesia / Friends of the Earth Indonesia) nach Tokio, um den Fall Koto Panjang vor ein japanisches Gericht zu bringen. Eine japanische Spendenorganisation (BPRKDKP Japan), die durch Prof. Kazuo Sumi ins Leben gerufen wurde, stellte den indonesischen Aktivisten aus Koto Panjang drei Anwälte, half ihnen bei der Finanzierung der Anreise und der Übernachtung sowie bei der Beschaffung von Informationen und bei der Öffentlichkeitsarbeit.

Die von den Folgen des Dammes betroffene Bevölkerung klagte gegen die japanische Regierung, die für die Finanzierung des Koto Panjang-Projektes und damit auch für dessen Folgen mitverantwortlich ist. Sie forderte die japanische Regierung einerseits dazu auf, auf die indonesische Regierung Druck auszuüben, damit diese den Fall Koto Panjang vollständig klärt. Des weiteren forderte sie Kompensationen in Höhe von 5.000.000 Yen (ca. 42.000 €) pro Familie, um eine Infrastruktur aufzubauen und der betroffenen Bevölkerung aus der finanziellen Not zu helfen, in die sie auf Grund der Errichtung des Dammes getrieben wurden. Die Regierung wird zudem um Hilfe bei der Rehabilitation der Umwelt in der Region gebeten.
Die Gerichtsverhandlung wird im Dezember diesen Jahres in Tokio stattfinden. Außerdem wird die selbe Delegation noch im Oktober diesen  Jahres den Fall vor ein Gericht in Jakarta bringen.

Der Fall Koto Panjang ist kein Einzelfall in Asien. Schwerwiegende ökonomische, ökologische und kulturelle Zerstörung, welche durch die Errichtung von Dämmen verursacht wurde, lassen sich bei den schon bestehenden Staudämmen Pak Mun und Rasi Salai in Thailand, Ambuklao, Binga und Casecnan auf den Philippinen, Drei-Schluchten in China, Narmada in Indien sowie bei den indonesischen Staudämmen Lore Lindu in Südostsulawesi und Kedung Ombo auf Java beobachten. <>
 

*Geographie- und Malaiologie-Student an der Universität Köln
** Aktivist von WALHI (Friends of the Earth Indonesia) Westsumatra, Indonesien
 
 

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