Suara Nr. 3/2008 (Osttimor)

 

„Die Stimmen der Opfer bleiben ungehört“

Interview mit Rosa de Sousa von der osttimoresischen Frauenorganisation FOKUPERS (RdS) und Maria Agnes Bere, Koordinatorin der Women’s Justice Unit vom Judicial System Monitoring Project  (MAB), geführt am 16.09.2008 in Berlin


Watch Indonesia!: Wie war die allgemeine Reaktion in Osttimor auf den CTF-Bericht?

RdS: Es gab bisher noch keine breite öffentliche Diskussion über den Bericht, der ja bisher noch nicht offiziell veröffentlicht ist. Als positiv wird betrachtet, dass die Kommission sich gegen Amnestien ausgesprochen hat.

MAB: Für viele Osttimoresen war der CTF-Bericht bisher auch deshalb kein Thema, weil sie andauernd mit anderen Problemen beschäftigt sind. Zu allererst konzentrieren sich die Leute auf das wirtschaftliche Überleben, das durch die stark angestiegenen Lebensmittel- und Benzinpreise zunehmend schwierig geworden ist. Auf der politischen Ebene wird momentan eher über die Autos für die Abgeordneten, über die Binnenflüchtlinge oder über die Petitioners diskutiert. Viele sind auch von der politischen Debatte überwältigt – es kommen am laufenden Band immer neue politischen Krisen, da fehlt den Menschen die Zeit sich auf ein derart komplexes Thema zu konzentrieren.

WI!: Die Serious Crimes Unit (SCU) der UNMIT arbeitet mit der osttimoresischen Generalstaatsanwaltschaft zusammen um die 1999 begangenen schweren Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. Wie bewerten sie diese Zusammenarbeit?

RdS: Wir haben bisher die Arbeit der SCU unterstützt, aber es darf nicht nur bei Ermittlungen bleiben, es müssen auch Taten folgen. Wir hatten neben der Arbeit der SCU das ad-hoc Tribunal in Jakarta, die nationale Wahrheits- und Versöhnungskommission CAVR und jetzt die Wahrheits- und Freundschaftskommission CTF, aber für die Opfer gibt es noch immer keine Gerechtigkeit.

MAB: Wir sind uns noch nicht sicher, was die Zusammenarbeit mit der SCU bewirken wird. Wichtig wäre es aber auch, dass die internationale Gemeinschaft Osttimor nicht nur bei den Ermittlungen für die Verbrechen von 1999 unterstützt, sondern auch hilft, den gesamten Justizsektor in Osttimor zu stärken.

WI!: Die Haltung der Regierung Osttimors ist es, einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung der indonesischen Okkupation zu ziehen. Wie reagieren Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit darauf?

MAB: Das zentrale Problem ist und bleibt, dass die Opfer marginalisiert, ihre Stimmen nicht gehört, und ihnen Gerechtigkeit verwehrt wird. In der bisherigen Aufarbeitung ist es eigentlich immer zentral um die Täter und nicht um die Opfer und ihre Stimmen gegangen. Viele sind sehr enttäuscht. Auch muss man natürlich sehen, dass so gut wie alle der Hauptangeklagten in Indonesien leben.

RdS: Wir sehen auch die Begnadigungen von Schwerstverbrechern seitens unseres Präsidenten als sehr problematisch an. Im Falle von Joni Marques (Milizenführer von 1999) ist zum Beispiel jetzt ein verurteilter Mörder und Vergewaltiger begnadigt worden. Wir fürchten, dass diese Begnadigungen zu einer Atmosphäre der Straflosigkeit beitragen und zu einem andauernden Gewaltzyklus führen können, besonders auch, was die sexuelle Gewalt angeht. Auch verstärkt sich in der Bevölkerung der Eindruck, dass man nur die Kleinen hängt und die Grossen laufen lässt.

WI!: Was sind die zentralen Forderungen der osttimoresischen Zivilgesellschaft?

RdS: Zusammen mit anderen Organisationen beteiligt sich Fokupers an der Nationalen Allianz für ein Internationales Tribunal (ANTI), welches sich dafür stark macht, dass die Empfehlungen des CAVR-Berichtes nun auch endlich umgesetzt werden. Auch arbeiten wir eng mit verschiedenen Organisationen und auch der UN zusammen, um die Arbeit von CAVR und ihren Abschlussbericht Chega! (Genug!) der breiteren Öffentlichkeit vor allem auch im ländlichen Gebiet näher zu bringen.

MAB: Wir unterstützen auch aktiv die Forderungen der Opferverbände, dass auch den Stimmen der Opfer Gehör verschafft werden muss und nach all den Kommissionen, die sich mit dem Thema befasst haben, es nun letztendlich auch Gerechtigkeit geben muss. <>
 
 

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