Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Demokratie)
Nur wenige Wochen lang war Pramoedya Ananta Toers neuer Roman im Handel. Kurz nach dem Verbot des Buches erhielt Pramoedya einen internationalen Literaturpreis zugesprochen. Die Entscheidung des Preiskomitees spaltet Indonesiens Autorenschaft.
Es war zu schön, um wahr zu sein. Ein neu erschienenes Buch des in Indonesien verfemten Autors Pramoedya Ananta Toer, mit dem Titel "Nyanyi Sunyi Seorang Bisu (Das leise Lied eines Stummen)" lag seit Januar in Indonesiens Buchhandlungen zum Verkauf aus. "Nyanyi Sunyi Seorang Bisu" war das erste Buch des bereits mehrfach für den Literaturnobelpreis vorgeschlagenen Autors, das frei erhältlich war. Alle übrigen Werke Pramoedyas sind in Indonesien verboten und Studenten, die seine Bücher vertrieben hatten, wurden in der Vergangenheit zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Offiziell wird das Verbot mit dem angeblich marxistisch-orientierten Inhalt von Prams Werken begründet, doch der wahre Grund ist eher in der Biographie des Autors selbst zu suchen.
Pram - so nennen ihn seine Freunde - spielte in der Zeit der Alten Ordnung unter Präsident Soekarno eine gewichtige Rolle im kommunistisch geprägten Kulturverband LEKRA. Damals hetzte Pram gegen Autoren, deren Schriften nicht das richtige politische Bewußtsein widerspiegelten - ein früher Vorgriff auf die unter Suharto üblich gewordene Zensur von Presse und Literatur, unter der nun gerade Pramoedya besonders zu leiden hat. Pramoedya wurde nie vor ein Gericht gestellt. Ohne Urteil mußte er über 14 Jahre im Salemba-Gefängnis in Jakarta sowie auf der Gefangeneninsel Buru verbüßen. Bis heute steht Pram in Jakarta unter Arrest.
In "Nyanyian Sunyi Seorang Bisu" erzählt Pramoedya über sein Leben als Gefangener auf der Insel Buru. Erstaunlich, daß ausgerechnet dieses Buch frei verkauft werden durfte, während seine - politisch unverdächtigen - historischen Romane verboten sind. Vielleicht war ja das "leise Lied des Stummen" so leise, daß selbst die Zensur es zunächst überhörte.
Mitte Mai setzte die Generalstaatsanwaltschaft dem Rätselraten um die Gründe für das freie Erscheinen des Buches ein Ende. Mit Erlaß vom 12. Mai wurde dem "singenden Stummen" der Mund gestopft. Polizei und Staatsanwälte wurden angewiesen, alle noch in Umlauf befindlichen Exemplare des Buches zu konfiszieren. Personen, die im Besitz einer Kopie des Buches waren, wurden verpflichtet, dieses im nächstgelegenen Büro eines Staatsanwaltes abzugeben /Jakarta Post, 13.5.95; Jawa Pos, 16.5.95/.
War in den Medien eher zurückhaltend über Erscheinen und Verbot des Romans berichtet worden, so beherrschte Pramoedya wenige Wochen später aus anderem Anlaß die Schlagzeilen der Tageszeitungen. Die philippinische Ramon Magsaysay Award Foundation verkündete Mitte Juli, Pramoedya werde für sein Gesamtwerk als Preisträger des diesjährigen Literaturpreises der Stiftung ausgezeichnet. Der mit US$ 50.000 dotierte Magsaysay Award gilt in Fachkreisen als 'asiatischer Literaturnobelpreis'. Vor Pramoedya Ananta Toer holte 1958 Mochtar Lubis die begehrte Auszeichnung schon einmal nach Indonesien. Andere Preise der Magsaysay Foundation erhielten u.a. H.B. Yassin, A.H. Nasution, Ali Sadikin und zuletzt 1993 Abdurrahman Wahid /Ramon Magsaysay Foundation Press Release, 19.7.95; Suara Merdeka, 26.7.95/.
Indonesiens Behörden zeigten sich nach außen hin unbeeindruckt von der Preisverleihung, machten aber deutlich, daß von dem gegen Pram verhängten Ausreiseverbot keine Ausnahme gemacht werde /Suara Merdeka, 26.7.95/. Somit war es Pramoedya nicht möglich, in Manila persönlich die Auszeichnung in Empfang zu nehmen. Stellvertretend für ihn reiste seine Frau in die philippinische Hauptstadt.
Der größte Widerstand gegen die Ernennung Pramoedyas zum Preisträger der Magsaysay Foundation regte sich aber nicht bei den indonesischen Behörden, sondern unter einigen früheren indonesischen Preisträgern. Angeführt von Mochtar Lubis und H.B. Jassin unterschrieben 26 mehr oder weniger Prominente eine Erklärung, in der sie die Wahl der Magsaysay Foundation verurteilten. Mit der Auszeichnung an Pramoedya werde dessen einschlägige Rolle in den "finsteren Jahren der Gelenkten Demokratie (1959-65)" verkannt. Als Führungsmitglied im Kulturverband LEKRA sei Pramoedya damals an der Hetzjagd auf andersdenkende Schriftsteller beteiligt gewesen /Jakarta Post, 5.8.95/.
H.B. Yassin und Mochtar Lubis gehörten damals ebenso zu den verfolgten Schriftstellern, die mit dem Manifes Kebudayaan (Kulturmanifest) in offenen Widerspruch zur Politik von LEKRA getreten waren, wie der spätere TEMPO-Herausgeber Goenawan Mohamad oder der Wissenschaftler und Kolumnist Arief Budiman. Doch die beiden Letztgenannten weigerten sich nicht nur die von Mochtar Lubis, H.B. Yassin und Co. vorbereitete Erklärung zu unterschreiben, sondern verfaßten im Gegenteil eine eigene Erklärung, in der sie Prams Recht, den Magsaysay Award zu empfangen, ausdrücklich unterstrichen. Pramoedya habe für sein Fehlverhalten genug leiden müssen, meinte Goenawan Mohamad. Es sei daher absurd, wenn Mochtar Lubis noch immer darauf bestehe, daß sich Pramoedya öffentlich entschuldige.
Die in aller Breite über die Medien geführte Diskussion indonesischer Autoren über Pro und Kontra der Preisverleihung an Pramoedya zeigte letztlich, daß das Lager der Pram-Gegner keineswegs geschlossen war. Taufiq Ismail, der zu den 26 Unterzeichnern der Erklärung gegen die Preisverleihung gehörte, machte deutlich, daß er durch seine Unterschrift keineswegs die Preisverleihung verhindern wollte, während Mochtar Lubis ankündigte, er werde seine Auszeichnung inclusive dem erhaltenen Preisgeld zurückgeben, sollte Pram tatsächlich der Preis zugesprochen werden. Dennoch versäumte auch er nicht, seine Kritik am Verbot von Prams Büchern zu äußern /Media Indonesia Minggu, 6.8.95/.
Natürlich hatte die Kollegenschelte keinen Einfluß auf das Preiskommittee der Magsaysay Foundation. So machte Mochtar Lubis seine Ankündigung wahr und reiste eine Woche nach der Preisverleihung nach Manila, wo er lächelnd seine Auszeichnung an die ebenso lächelnden Vertreter der Stiftung zurückgab. Mochtar Lubis leistete eine Anzahlung von US$ 1.000 für die Rückzahlung des Preisgeldes /Gatra, 9.9.95/. Den Rest habe er nicht mehr, meinte Lubis etwas verlegen.
Pünktlich zur Feier des 50. Jahrestages der Unabhängigkeit am 17. August brachte Pramoedya Ananta Toer einen neuen Roman auf den Markt. "Arus Balik" (Wendepunkt), so der Titel des Werkes ist ein 750 Seiten starkes Monumentalwerk zur Geschichte des indonesischen Archipels Anfang des 16. Jahrhunderts. Man darf gespannt sein, an welcher Stelle des Werkes die Zensur die obligatorische marxistisch-leninistische Ideologie entdeckt. <>
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