Indonesien-Information Nr. 3 1995 (Ost-Timor)
Buchbesprechung
International Law and the Question of East Timor heißt ein in London neu erschienenes Buch von CIIR/IPJET (Catholic Institute for International Relations/International Platform of Jurists for East Timor).
Am 30.6.1995 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, daß er im Rechtsstreit zwischen Portugal und Australien über den Timor-Gap-Vertrag vom Dezember 1989 zwischen Indonesien und Australien nicht entscheiden könne, da das Gericht zuerst darüber zu entscheiden hätte, ob Indonesien eben jenen Vertrag mit Australien überhaupt hätte abschließen dürfen. Das Gericht sah sich in Abwesenheit Indonesiens außerstande, über die Rechtmäßigkeit des Timor-Gap-Vertrages zu entscheiden, ohne zuvor über Indonesiens Anspruch entschieden zu haben, anstelle Ost-Timors internationale Verträge abschließen zu können.
Formell betrachtet hat Australien damit einen "technischen" Sieg errungen, da dessen Einwand, der eigentliche Disput sei der zwischen Portugal und Indonesien, stattgegeben wurde.
Indonesien kann eben nur dann im Sinne des Völkerrechts verurteilt werden, wenn es die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes anerkennt. Aber genau dem widersetzt sich Indonesien und die Katze Völkerrecht beißt sich damit in den Schwanz.
Ohne formell über Indonesiens Souveränitätsanspruch über Ost-Timor zu urteilen, hat der Internationale Gerichtshof festgestellt, "daß für beide Parteien das Territorium Ost-Timors ein nichtselbständiges Territorium darstellt und seine Bevölkerung weiterhin das Recht auf Selbstbestimmung hat."
Das widerspricht dem indonesischen Standpunkt, demzufolge Ost-Timor dieses Recht am 17.7.1976 mit der Integration in die Indonesische Republik bereits verwirklicht hat. Auch das Treffen der Außenminister Portugals und Indonesiens vom 8.7.1995 in Genf hat daran nichts geändert.
Das eher merkwürdige Unentschieden des Urteils vom 30.6.1995 bedeutet natürlich erst einmal, daß internationale Ölgesellschaften wie Shell weiterhin im Timor-Gap nach Öl bohren werden (die Brent Spar in Ost-Timor? Das hat gerade noch gefehlt! d. säzzer). Laut Associated Press vom 30.6.1995 soll bereits Öl im Wert von US$ 1,4 Mrd.. entdeckt worden sein.
Formell betrachtet haben wir also weiterhin "business as usual", aber es muß dafür gearbeitet werden, daß ein künftiges demokratischeres Indonesien Urteile des Internationalen Gerichtshofes sowie das Recht der ost-timoresischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung anerkennen wird.
Gerade wegen der Weigerung des Internationalen Gerichtshofes, ein Urteil zu fällen, hat der vorliegende Band "International Law and the Question of East Timor" auch über den 30.6.1995 hinaus seine Bedeutung.
Das Buch - auf der Grundlage des Völkerrechtes und mit Sympathie für das Schicksal Ost-Timors geschrieben - ist bewußt nicht neutral gehalten. Das gilt auch und gerade für die australischen Autoren sowie den einen Autor aus Indonesien, George J. Aditjondro, der - anders als im Autorenverzeichnis noch vermerkt - nicht mehr an der Christlichen Universität Salatiga auf Java lehrt, sondern im west-australischen Perth. Da das indonesische Tauwetter in den Medien längst wieder einem alles verschleiernden Nebel der Unterdrückung staatskritischer Äußerungen gewichen ist, bemüht sich George Aditjondro um eine dauernde Aufenthaltsgenehmigung in Australien. Bei einer Rückkehr nach Indonesien droht ihm die unmittelbare Verhaftung.
Insgesamt 18 Experten, überwiegend Universitätsdozenten, haben Beiträge für den vorliegenden Band geschrieben. Das Vorwort schrieb James Dunn, vormals australischer Konsul in Portugiesisch-Timor und heute einer der schärfsten Kritiker der australischen Appeasementpolitik gegenüber Indonesien.
Anders als der Titel vermuten läßt, behandelt der Band auch die Geschichte und die weltpolitische Bedeutung Ost-Timors. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf dem Völkerrecht.
In vielen detaillierten Beispielen wird auf andere Fälle verwiesen, mit denen sich der Internationale Gerichtshof in der Vergangenheit auseinanderzusetzen hatte. Susan Marks vergleicht in ihrem Beitrag "A brief study in contrast" Ost-Timor mit Kuwait, Francois Rigaux zieht den Vergleich mit der West-Sahara ("A comparative View").
Viele, die in der Solidaritätsarbeit zu Ost-Timor tätig sind, hatten gehofft, daß mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes die juristische Auseinandersetzung um Ost-Timor zu den Akten gelegt werden könnte. Leider ist dem aber nicht so. Umso wichtiger ist eben dieser Band geblieben oder vielleicht auch gerade erst geworden.
Als Deutscher, der in der British Coalition for East Timor aktiv ist, bedaure ich immer wieder, daß trotz der jüngsten Publizität um Suhartos Auftreten auf der Hannovermesse 1995, die Kommunikationsstränge zwischen deutsch- und englischsprachigen Ost-Timor-Sympathisanten noch viel zu dünn sind. daher kann ich nur hoffen, daß "International Law and the Question of East Timor" schnellstens eine deutsche Übersetzung bekommt. Angesichts knapper Kassen kann ein solches Projekt aber nur dann verwirklicht werden, wenn eine finanzkräftige Institution, etwa aus dem Bereich der Kirchen, bereit ist, tief in die Taschen zu greifen.
Hubert Gieschen
(352 S., Preis: ß 15,95; Bestellung mittels Kreditkarte oder Scheck über: CIIR, Unit 3, Canonbury Yard, 190a New North Road, London N1 7RJ, UK)
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