Indonesien Information Nr. 3/1999 (Ost-Timor)
Seit November letzten Jahres arbeitete der US-amerikanische Arzt Dr. Dan Murphy in der Motael Klinik in Dili. Die Gesundheitsversorgung in Ost-Timor steht kurz vor dem Kollaps. Die Mehrheit der indonesischen Ärzte hat dem Land den Rücken gekehrt. 50.000 bis 85.000 Menschen sind in den letzten Monaten vor dem Terror der Milizen aus ihren Dörfern geflohen, andere wiederum sind in der Gewalt der Milizen, die ganze Regionen hermetisch abriegeln und kontrollieren. Die Menschen leben unter katastrophalen Bedingungen, sind eingeschüchtert und traumatisiert, sie leiden an Mangelernährung und benötigen dringend medizinische Versorgung. Angebote ausländischer Regierung, Ärzte nach Ost-Timor zu schicken und humanitäre Hilfe zu leisten, werden von der indonesischen Regierung abgeblockt. Eine unerträgliche Situation und unglaubliche Unverfrorenheit angesichts der dringend benötigen Hilfe. Dr. Murphy arbeitete als Freiwilliger in Ost-Timor und kam als Tourist ins Land. Den Unmut der indonesischen Behörden und auch der Milizen zog der engagierte Arzt auf sich, als er öffentlich das Militär als Wurzel allen Übels in Ost-Timor und Hauptverantwortlichen für die Gewalt ausmachte. Noch nie zuvor, so der Doktor, habe er so viele Menschen mit Verletzungen durch Schüsse, Macheten, Pfeile und Stöcke behandelt. Zudem lenkte er das Augenmerk auf die verheerende Situation der Flüchtlinge (vgl. Indonesien-Information, Nr.2/99). Im Mai konnte Dr. Murphy seine Ausweisung noch abwenden. Die Behörden erlaubten ihm, nach Ausreise ins benachbarte Singapur, mit gültigem sozial-kulturellem Visum wieder einzureisen. Anfang August war die Verlängerung des Visums fällig. Nun wurde ihm die Wiedereinreise verweigert. Die Menschen in Ost-Timor sind um einen weiteren Arzt ärmer. Die 24-jährige Besetzung Ost-Timors hat einem Drittel der Bevölkerung das Leben gekostet. Über 200.000 Menschen starben bei Militäroperationen oder an indirekten Kriegsfolgen wie Hunger, Seuchen und Krankheit. Nach Schätzungen aus Kreisen der katholischen Kirche sind im letzten halben Jahr zwischen 3.000 und 5.000 Menschen ums Leben gekommen. Humanitäre Hilfe ist grenzüberschreitend. So leisten indonesische gemeinsam mit ost-timoresischen Nichtregierungsorganisationen humanitäre Hilfe und stellen Nothilfeprogramme auf. Hilfe, um die kein Aufhebens gemacht wird. Gleichzeitig treibt die indonesische Regierung mit dem Leiden und dem Leben der Menschen in Ost-Timor politische Machtspielchen und verweigert ausländischen Ärzten und Ärzteteams die Einreise. Wie lange will man dem noch tatenlos zuschauen?
Dr. Murphys Stellungnahme im Wortlaut:
"Mein Name ist Dan Murphy und ich arbeitete seit letzten November als Arzt in Ost-Timor. Ich kam vor einigen Tagen nach Darwin, Australien, um mein Visum verlängern zu lassen, damit ich weiterhin meiner Arbeit in Ost-Timor nachgehen kann. Das indonesische Konsulat in Darwin stellte mir ohne Schwierigkeiten das Visum aus. Als ich letzte Nacht in Bali ankam, wurde mir die Einreise nach Indonesien verweigert und ich wurde wieder nach Darwin zurückgeschickt. Die Gesundheitslage in Ost-Timor ist zum verzweifeln: Nicht allein wegen der tropischen Krankheiten, die dort in großer Anzahl vorherrschen, sondern vor allem durch den nicht abreißenden Strom von Verwundeten - Opfer von Gewalt der Milizen und Militärs -, und durch eine zunehmende Zahl von ausgehungerten Kindern. In die Motael Klinik, in der ich hauptsächlich arbeitete, kommen täglich 100-200 Patienten, viele von ihnen mit schweren Erkrankungen. Zudem haben wir Patienten in Tokobaru, dem Krankenhaus in Dili und in verschiedenen Häusern, die Kranke und Flüchtlinge beherbergen in und um Dili. Wir haben gerade ein neues Gesundheitsprojekt für schwangere Frauen gestartet. Am Wochenende haben wir dabei geholfen, in der Gegend von Dare-Aileu ein kommunales Gesundheitsversorgungsprojekt zu entwickeln. Als ärztlicher Berater arbeitete ich eng mit der Hilfsorganisation Caritas in Dili zusammen. Erst kürzlich haben wir ein neues Verteilungssystem für Medikamente eingeführt. Wir benutzen nur WHO anerkannte Medikamente und wir legen eine einfache Beschreibung der Anwendung in englischer, indonesischer und Tetum-Sprache bei. Ich habe Hilfstransporte in entlegene ländliche Gebiete begleitet und viele Kranke in und um Dili besucht. Sehr viel mehr Arbeit ist noch zu tun; das Leiden ist immens. Jeden Tag, den ich außerhalb Timors zubringe, bedeutet, daß viele Patienten und Projekte nicht betreut werden. Ich betrachte mich selbst nicht als Bedrohung für Indonesien. In der Gesundheitsversorgung werden alle Menschen gleich behandelt. Einzig und allein damit sich die Zustände in der Gesundheitsversorgung in Ost-Timor verbessern werden können, appelliere ich an alle engagierten Menschen, die indonesischen Behörden dahingehend zu beeinflussen, ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen."
Darwin, 5. August 1999. mo <>
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