(Nachdruck aus dem Neuen Deutschland vom 5. Februar 2001)
So viel Opposition hätte man sich seinerzeit gegen Diktator Suharto gewünscht. Während vor den Türen des Parlaments in Jakarta Tausende Studenten gegen Präsident Abdurrahman Wahid demonstrierten, stimmten drinnen die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit für die Annahme eines Untersuchungsberichtes, der ihm in zwei Fällen die Verwicklung in unsaubere Geldgeschäfte vorwirft.
Wahid bestreitet die Vorwürfe, unternahm aber bislang nichts, um seine Unschuld nachzuweisen, sondern brachte die Parlamentarier durch sein arrogantes Auftreten vor dem Untersuchungsausschuss nur noch mehr in Rage.
Die gerade in Manila erfolgte Absetzung des philippinischen Präsidenten Estrada gab Wahids politischen Gegnern Zuversicht, dass es ihnen diesmal gelingen könnte, ihn aus dem Amt zu kippen. Es war nicht ihr erster Versuch. Bereits seit über einem Jahr mehren sich Kritik und Unzufriedenheit an und mit Wahids Amtsführung. Angeführt von Amien Rais, dem populistischen Wortführer des Parteienbündnisses der islamischen Mitte (Poros Tengah) verging fast kein Tag ohne Rücktrittsforderung an den Präsidenten. Der Versuch, auf der Sitzung der Beratenden Volksversammlung im August 2000 die Amtsenthebung Wahids zu bewirken, schlug dennoch fehl. Wahid konnte den Kopf aus der Schlinge ziehen, wurde aber zu zahlreichen Zugeständnissen gezwungen, die zu einer weiteren Schwächung seiner Regierung führten. Obwohl die nun erhobenen Korruptionsvorwürfe bereits bekannt waren, stand damals die Entlassung zweier Minister im Mittelpunkt der Kritik. Daran zeigt sich, dass sich die Stimmungsmache gegen Wahid weniger auf dessen konkretes Fehlverhalten in bestimmten Fällen begründet als vielmehr auf Machtgelüste seiner politischen Gegner, gepaart mit der wachsenden Ungeduld im Volk, das endlich die Früchte der Reformpolitik ernten möchte. Die Regierung trägt schwer an den Altlasten aus der Suharto-Ära und den wirtschaftlichen Folgen der Asienkrise. Die allgegenwärtige Korruption, die zur Verschlechterung der Lebensbedingungen führt, konnte bislang ebenso wenig eingedämmt werden wie die anhaltenden gewaltsamen Konflikte in Aceh, West-Papua und den Molukken. Obwohl offenkundig ist, dass keine Regierung in der Lage wäre, all diese Probleme innerhalb weniger Monate zu lösen, wächst im Volk der Unmut und die Enttäuschung. Demokratische Instrumente zur Kontrolle der Regierung und Wege zum Einbringen berechtigter Kritik sind nach über 30 Jahren Diktatur noch wenig entwickelt, geschweige denn funktionsfähig. Daher mündet jegliche abweichende politische Auffassung unweigerlich in Rücktrittsforderungen. Nur wenige sehen, dass ein dritter Wechsel im Präsidentenamt innerhalb von nur drei Jahren als Ausdruck politischer Instabilität fatale Folgen für das Land mit sich bringen könnte.
Nach Alternativen gefragt, verstummen die meisten eben noch so lautstarken Kritiker des Präsidenten. Laut Verfassung würde nach einem Rücktritt Wahids Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri bis zum Ende der Wahlperiode 2004 die Amtsgeschäfte übernehmen. Doch Amien Rais und seine Anhänger setzten ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, würden sie Megawati ins Amt hieven. Bei der Präsidentenwahl 1999 hatte sich diese Gruppe ausdrücklich für Wahid stark gemacht, um Megawati zu verhindern. Für viele an den Protesten beteiligte Studenten wäre die nationalistische Megawati ein Fall vom Regen in die Traufe. Und Megawati selbst hält - entgegen der Mehrheit ihrer eigenen Fraktion - noch immer zu Wahid. Das Militär gibt sich loyal zum Präsidenten, was aber nicht ausschließt, dass es außerhalb des Parlaments an der gezielten Destabilisierung seiner Regierung aktiv beteiligt ist.
Das Parlament gab Wahid letzte Woche drei Monate Zeit, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen, bevor über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens entschieden wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er sich auch diesmal wieder behaupten kann und möglicherweise sogar bis zum Ende seiner Amtsperiode 2004 durchhalten wird. Der Preis dafür wird aber sein, dass die Machtkämpfe unterhalb des Präsidenten noch zunehmen, während er selbst immer weiter an Handlungsspielraum einbüsst.
In den westlichen Industriestaaten betrachtet man diese Entwicklung
mit Sorge. Es fehlt nicht an Sympathiebekundungen für Abdurrahman
Wahid, der als Demokrat und liberaler Geist geschätzt wird. Doch das
Engagement der Politik als auch der Wirtschaft, die beide jahrelang das
Suharto-Regime unterstützt hatten, lässt zu Wünschen übrig.
Erst mal abwarten, heißt es, noch sei die Lage zu unsicher. Die Aussichten,
dass sich die Lage von alleine stabilisieren wird, sind allerdings mehr
als gering. <>
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