Indonesien-Information August 1994 (Rüstung)

Das Ende der Öffnungspolitik

Minister Habibie in Seenot (1. Teil der Trilogie)

Am 24. Mai '94 begutachtete Forschungs- und Technologieminister Habibieden Stand der Instandsetzungs- und Umrüstungsarbeiten an den erstenneun von insgesamt 39 Kriegsschiffen der ehemaligen NVA-Flotte. Sein Besuchder PT PAL-Werft in Surabaya, die Teil seines eigenen Firmenimperiums ist,sollte eine Art Endabnahme durch den Direktor selbst darstellen, bevordie Schiffe am 9. Juni mit einer offiziellen Zeremonie im FlottenstützpunktTeluk Ratai, Lampung, unter Anwesenheit von Präsident Suharto derMarine (TNI AL) übergeben wurden. /Republika, 26.5.94/

Während im Ausland vor allem Menschenrechtsorganisationen und Ost-Timor-Solidaritätsgruppenan dem Kriegsschiffhandel Anstoß nehmen, stieß das Geschäftin Indonesien selbst in erster Linie wegen des zu hohen Kaufpreises fürdie betagten Schrott-Kähne auf Kritik. Auch die selbstherrliche Art,wie Minister Habibie das Geschäft fast im Alleingang abwickelte, sorgtefür Unmut, insbesondere in Militärkreisen.

So nahm Habibie anläßlich seines Besuches in Surabaya dieGelegenheit wahr, zum wiederholten Male auf den angeblich guten Zustandder Schiffe hinzuweisen. Obwohl die Schiffe erst 2-10 Jahre alt seien,seien allerdings Reparaturen und Umbauarbeiten notwendig, um dem von derMarine gesetzten Standard zu entsprechen. "Sie TNI AL bestimmen denStandard; wir nehmen nur Bestellungen entgegen, die deren Bedürfnissenentsprechen," meinte Habibie. /Republika, 26.5.94/

Im Versuch, die Sache schönzureden, weist Habibie nur allzu deutlichauf die wunden Punkte des Schiffskaufes hin. Denn mitnichten beruht dasProjekt auf den Wünschen der Marine, die lediglich zu der Frage konsultiertwurde, mit welchen Waffensystemen die Schiffe auszurüsten seien /DeTIK,8.- 14.6.94/. Die von Habibie gemachte Altersangabe der Schiffe (2-10 Jahre)muß auch Nicht-Experten zu denken geben: Demnach wären in derDDR noch drei Jahre nach ihrem Untergang Kriegsschiffe gebaut worden. InWirklichkeit sind die Schiffe im Durchschnitt 15 Jahre alt /Tempo, 11.6.94/.

Schiffbruch in der Biskaya

Lügen haben kurze Schwimmflossen. Nur wenige Tage später,am 2. Juni lies ein Sturm in der Biskaya die Wogen bis nach Jakarta hochschnellen.Am Landungsschiff mit dem Namen KRI Teluk Lampung, das sich als zehntesSchiff auf dem Weg von Deutschland nach Indonesien befand, wurde durchdie bis zu 10 m hohen Wellen in der Biskaya die Bugklappe abgerissen. DerLaderaum der KRI Teluk Lampung lief voll o Wasser, worauf das Schiff ineine Schräglage von 20 geriet und maneuvrierunfähig wurde.

Die 51-köpfige Besatzung, unter ihnen ein deutscher Techniker,mußte SOS funken und wurde von den französischen und spanischenKüstenwachen mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht. Das Schiffselbst konnte später abgeschleppt werden. /Kompas, 6.6.94; Forum Keadilan,23.6.94/

Habibie mußte zugeben, daß es bereits bei drei der anderenLandungsschiffe Probleme mit der Bugklappe gegeben habe. Im Gegensatz zurKRI Teluk Lampung sei es aber jedesmal gelungen, die Klappe wieder zu schließen.Bei den noch zu liefernden Landungsschiffen solle nun aber vorsichtshalberdie Bugklappe fest zugeschweißt und erst nach der Überführungin Indonesien wieder geöffnet werden /Kompas, 6.6.934/. In indonesischenHoheitsgewässern gibt es bekanntlich ebensowenig Wellen wie es Meinungsverschiedenheiteninnerhalb der Regierung gibt...

Habibie versuchte erneut, die Situation schönzureden, indem erbetonte, daß sich die technische Überlegenheit der deutschenSchiffe gerade darin zeige, daß sie im Zweifelsfall zwar in Schieflagegeraten, aber keinesfalls sinken würden. Wie gering diese Gefahr war,zeige sich auch daran, daß Zeit genug vorhanden war, die Besatzungetappenweise zu evakuieren, was wohl kaum möglich gewesen wäre,wenn das Schiff kurz vorm Sinken gestanden hätte /Kompas, 6.6.94/."Es ist doch klar, daß wir keinen Schrott kaufen, sondern Schiffe,die einsatzfähig sind," gab Habibie zur Kenntnis /DeTIK, 8.-14.6.94/.

Keine Staatsknete für Habibie

Doch Habibies schöne Worte waren vergeblich. Die zuvor noch verhalteneKritik wurde nun zum Gewitter; Habibie geriet ins Schwimmen und befandsich letztlich selbst in Seenot. Immer stärker wurde der Zustand derSchiffe in Zweifel gezogen. Scharfe Angriffe kamen von Seiten des FinanzministersMar'ie Muhammad, der sich - ähnlich wie das Militär - bei derAbwicklung des Schiffskaufs von Habibie übergangen fühlte. Dieangespannte Haushaltslage erlaube es nicht, die von Habibie für dasgesamte Programm veranschlagte Summe von US$ 1,1 Mrd aufzuwenden, erklärteMar'ie. Diese Summe entspräche ca. 5 % des indonesischen Staatshaushaltes,von dem offiziell nur 1,5 % den Streitkräften zustehen /DeTIK, 8.-14.6.94/.Auch Verteidigungsminister Edi Sudrajat stimmte in die Kritik ein: "Ichdenke, diese Summe ist zu hoch" /DeTIK, 8.-14.6.94/, währendder Oberbefehlshaber der Streitkräfte seine Leute zeitgleich dazuaufforderte, die begrenzten zur Verfügung stehenden Mittel effizienteinzusetzen /Reuter, 8.6.94/. Die Zeitschrift Tempo vertrat die Auffassungvieler, als sie schrieb, daß es wohl besser und billiger gewesenwäre, anstatt der NVA-Kähne neue Schiffe zu kaufen /Tempo, 4.6.94/.

Mar'ie Muhammad zeigte sich lediglich bereit, einen Betrag in Höhevon US$ 319,03 mio auszugeben. Habibie versuchte zu feilschen und verlangtezunächst US$ 760 mio. Doch Mar'ie zeigte keine Lust, sich auf Preisverhandlungeneinzulassen, wie sie auf dem Gemüsemarkt üblich sind, er bliebstur bei 319 mio, auch noch, als Habibie seine Forderung erst auf US$ 600mio, später dann sogar bis auf US$ 482 mio reduziert hatte /DeTIK,8.- 14.6.94; Republika, 8.6.94/.

Aus dem Programm gestrichen wurde der Neubau von Hafenanlagen, der Ausbaudes bestehenden Flottenstützpunktes Teluk Ratai sowie der Bau zweierTankschiffe zur Versorgung der Kriegsflotte. Doch mit diesen Streichungenreduzierte sich die aufzuwendende Gesamtsumme nur auf US$ 760 mio. Mar'ieMuhammad bestand auf weiteren Kürzungen. So wurde auch die Überholungder Schiffsmotoren, die bei PT PAL vorgenommen werden sollte, bis auf weiteresaufgeschoben - eine Einsparung, die sich möglicherweise bald als fatalerweisen wird. Doch Indonesiens Regierung ist bereits mit Rp. 168,08 mrd(ca. DM 134 mio) bei Habibies Konzern verschuldet, davon mit Rp. 108,35mrd (ca. DM 87 mio) allein bei PT PAL /Republika, 8.6.94/.

Zahlt am Ende die deutsche SteuerzahlerIn?

Doch auch damit nicht genug. Bleibt es bei den von Mar'ie Muhammad bereitgestelltenUS$ 319 mio, werden auch Kürzungen bei den in Deutschland fälligenRechnungen für die Lieferung, den Umbau und die Überführungder Schiffe sowie für die Ausbildung der Schiffsbesatzung in Neustadtvorgenommen werden. Angesichts der Beinahe-Katastrophe in der Biskaya haltenHabibies Rivalen die Schiffe sowieso für überbezahlt; einigewerden Habibie auch die Schmach gönnen, seinen deutschen Geschäftspartnerndie Zahlungsunfähigkeit erklären zu müssen.

Unklar ist bislang, um welchen Betrag die Zahlungen nach Deutschlandgekürzt werden. Die SPD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag Dr. KlausKübler und Dr. Elke Leonhardt fragten daher die Bundesregierung, welchefinanziellen Belastungen damit auf die Bundesrepublik Deutschland zukämen/Fragen an die Bundesregierung vom 8.7.94 (Dr. Kübler) und 13.7.94(Dr. Leonhardt)/. Kanzleramtsminister Friedrich Bohl erklärte daraufmit Schreiben vom 19.7.94, daß die Kreditanstalt für Wiederaufbaufür den Umbau der Schiffe einen Kredit über rund DM 420 mio gewährthabe, der wiederum durch eine Hermes-Bürgschaft staatlich abgesichertsei. Belastungen für den Bundeshaushalt seien damit nicht verbunden.

Suharto übernimmt die Verantwortung

In Indonesien fand die Diskussion um die Schiffe ihren vorläufigenEndpunkt in der Rede Präsident Suhartos während der Übergabezeremonieam 9. Juni im Marinestützpunkt Teluk Ratai, Lampung. Suharto sah sichgezwungen, sich für seinen schwer angeschlagenen Protege und (nochimmer?) möglichen Nachfolger im Präsidentenamt, Habibie, in dieBresche zu schlagen. In seiner Rede nahm er alle Verantwortung fürden Kauf der Kriegsschiffe auf sich. Er selbst habe Habibie mit der Abwicklungdes Geschäfts beauftragt, und an alle diejenigen gerichtet, die Habibieals Urheber des Handels verdächtigen, gab er zur Kenntnis: "Keineswegs.Er wußte von überhaupt nichts" /DeTIK, 15.-21.6.94/.

Nachdem Suharto gehört habe, daß die ehemaligen NVA-Schiffezum Verkauf ständen, habe er sich direkt mit Kanzler Kohl in Verbindunggesetzt. Dieser bestätigte die Verkaufsabsicht, habe aber mit demHinweis auf weitere Kaufinteressenten um Stillschweigen gebeten. Auch vonindonesischer Seite habe man die Sache zunächst vertraulich behandelt,da damit zu rechnen war, daß der Waffenkauf in Zusammenhang mit derOst-Timor-Problematik gebracht und scharf kritisiert werden würde/DeTIK, 15.-21.6.94/.

In seiner Rede ging Suharto auch scharf mit der indonesischen Presseins Gericht, die durch ihre Berichterstattung die nationale und politischeStabilität gefährdeten /DeTIK, 15.-21.6.94/.

Ob Suharto mit seiner Rede Habibie wirklich geholfen hat, sei dahingestellt.Allein die Tatsache, daß es einer Erklärung des Präsidentenbedurfte, bestätigt die Auffassung, daß Habibies Stärkenur unter dem Schutz Suhartos zur Geltung kommen kann - was nicht ebenfür die Eignung Habibies zum nächsten Präsidenten spricht.Darüberhinaus widerspricht Suhartos Rede in Teluk Ratai in einigenPunkten der bisherigen Darstellung durch Habibie selbst. Dessen Behauptung,alle Entscheidungen seien mit ABRI und dem Finanzministerium abgestimmtgewesen, ist nicht vereinbar mit der Erklärung des Präsidenten,das Geschäft sei nur auf seine Initiative hin zustande gekommen.

Habibie wiederum erklärte in einer Parlamentsanhörung am 7.6.94:"...wir brauchten die Genehmigung des Bundessicherheitsrates und derNATO. Das heißt, sie mußten überzeugt werden, daßwenn diese Schiffe an Indonesien verkauft würden, dies keine Spannungin der Region verursachen würde. Stellen Sie sich vor, wie lange ichbrauchte, um dafür zu kämpfen, ohne daß etwas an die Pressegelangt. Und gerade als ich dafür kämpfte, tauchte das Ost-Timor-Problemauf, ..." /Editor, 16.6.94/. Die Äußerung weist auf dasDili-Massaker im November 1991 hin, d.h. zu dieser Zeit befand sich Habibiebereits mitten in der Verhandlung um die Schiffe. Den Auftrag des Präsidentendazu bekam er allerdings erst knapp 10 Monate später, am 3. September1992... <>

 
 
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