Indonesien-Information August 1994 (Menschenrechte)
Als im Frühjahr diesen Jahres die bereits im April '93 geschlossenePartnerschaft zwischen Berlin und Jakarta bekannt wurde, witzelten Aktivistenzynisch, ob wohl auch eine Partnerschaft mit Bagdad anvisiert sei (s. IndonesienInformation, März '94). Statt Bagdad hätte man auch Peking vorschlagenkönnen, den Ort des unvergessenen Tiananmen-Massakers. Doch die Realitätholt die Satire ein: Auf seiner Asienreise im April '94 unterzeichneteBerlins Regierender Bürgermeister Diepgen auch ein Partnerschaftsabkommenmit Peking. Nach bewährter Praxis - wie im Falle Jakartas - wurdenzuvor weder die Berliner noch ihre gewählten Vertreter im Abgeordnetenhausinformiert /taz, 16.4.94/. Über die demokratische Gesinnung der Herrenin Jakarta und Peking mag mensch sich bereits eine klare Meinung gebildethaben - nun bieten die geschilderten Vorgänge Anlaß, auch überdas eigenartige Demokratieverständnis eines Herrn Diepgen nachzudenken.
Parlamentarische Mißbilligung
SPD und Grüne sowie das Neue Forum mißbilligten das Vorgehendes Bürgermeisters. Die SPD - die in Berlin, wie mensch leicht vergessenkann, gemeinsam mit der CDU regiert - verlangte inzwischen die Erarbeitungeiner Vorlage, die das Verfahren beim Zustandekommen von Partnerschaftenregeln soll, so daß solche Abkommen in Zukunft nicht mehr seitensdes Regierenden Bürgermeisters im Alleingang unterzeichnet werdenkönnen. /taz 20.4.94/
Metropolenkonferenz in Berlin
Vom 16. bis 18. April hatten die Bürgermeister von Jakarta undPeking gemeinsam mit den Kollegen aus 24 weiteren "Weltmetropolen"Gelegenheit ihre Partnerstadt Berlin zu besuchen, denn hier fand die 4.Konferenz der Weltmetropolen statt. Thema der Konferenz war: "Metropolenin ihrer Region" - konkret befaßte man sich mit den Infrastrukturproblemenin und in der Umgebung von Großstädten /Mitteilung des RegierendenBürgermeisters, 22.4.94/. Neue Erkenntnisse wurden dabei nicht gewonnenund die Diskussion blieb an der Oberfläche der Thematik, so daßJournalistInnen die Konferenz als "Konferenz der Phantasielosigkeit"bezeichneten /taz, 18.5.94/. Fragen der Menschenrechte blieben wie selbstverständlichausgeklammert, zumal es sich dabei - wie Horst Schaeffer von der Senatskanzleierklärte - um eine "nationalstaatliche und keine kommunale Angelegenheit"handle /taz, 13.5.94/. Abgesehen davon, das es sich hierbei um eine äußerstfragwürdige Rechtfertigung dafür handelt, mit den Vertreternrepressiver Regime - und das sind auch die Lokalpolitiker - wie mit altenFreunden zu verkehren, entbehrt diese Behauptung auch jeder Grundlage:Gerade am Beispiel Jakarta zeigt sich immer wieder, wie viel Infrastrukturpolitikund Stadtsanierung mit Menschenrechten zu tun haben. Zu nennen wärenhier beispielsweise die Nacht-und-Nebelaktionen in denen Slumsiedlungenplattgewalzt werden, wenn sie angeblich das Stadtbild stören oderaber Firmen das entsprechende Gelände nutzen wollen. Selbst seit Jahrzehntenansässige EinwohnerInnen, die aber nicht über Papiere überihren Grundbesitz verfügen, sondern auf das Adat-Recht vertrauen,das darauf beruht, daß bereits ihre Vorfahren dort wohnten, werdenohne Entschädigung aus ihren Häusern vertrieben, wenn der Platz- beispielsweise - für Autobahnen, Fabriken oder Golfplätze benötigtwird. Kein Menschenrechtsthema?
Selbst in der Verkehrspolitik zeigt sich die Menschenverachtung derkommunalen Akteure: Mensch erinnert sich an die großangelegte Vertreibungder "unzeitgemäßen" Becak-Fahrer aus Jakarta und dieVersenkung ihrer Fahrzeuge - und damit ihrer einzigen Einkommensquelle- im Meer. Keine Menschenrechtsverletzungen, Herr Diepgen?
NGOs und Parlamentarier informierten die Presse
Auf einer Pressekonferenz am Rande der Metropolentagung kritisiertenWatch Indonesia!, terre des hommes, amnesty sowie die Parlamentarier Dr.Sebastian Pflugbeil (Neues Forum) und Christof Tannert (SPD) die undemokratischeArt und Weise des Zustandekommens der Partnerschaften mit Peking und Jakartaund vor allem die völlige Ausklammerung der Menschenrechtsfragen aufder Konferenz. Sie sprachen vor einem großen und interessierten Kreisvon JournalistInnen. Da kritischen Organisationen innerhalb des Konferenzprogrammeskeinerlei Möglichkeit gegeben wurde, sich an den Diskussionen zu beteiligen,gestalteten selbige sich dementsprechend langweilig, so daß die Presseoffenkundig erfreut über eine gehaltvollere Abwechslung war.
Der Vertreter von Watch Indonesia! wies darauf hin, daß die Wahldes Gouverneurs von Jakarta eine vergleichbare demokratische Legitimationhabe, wie die Wahlen in der ex-DDR. Er machte des weiteren u.a. auf dieoben genannten Menschenrechtsfragen in der Kommunalpolitik aufmerksam underklärte abschließend, daß Diepgen sich zum "IM derindonesischen Stasi" mache, wenn er nur den wirtschaftlichen VorteilBerlins im Kopf habe.
Genau das ist aber ganz offensichtlich der Fall. Um Völkerfreundschaftund kulturellen Austausch - den ursprünglichen Gründen fürStädtepartnerschaften - geht es schon lange nicht mehr. In Verlautbarungenwerden diese Begriffe kaum erwähnt. "Es geht für mich umdas Angebot unserer technischen Möglichkeiten an diese Städte,"sagte Diepgen z.B. vor seiner Reise nach Peking und Jakarta. Und darinsieht er "die Chance der Sicherung und des Neuaufbaus von Arbeitsplätzenin Berlin." Menschenrechte werden floskelhaft als "Selbstverständlichkeit"abgehakt - und als "Hilfestellung für einzelne Betroffene"konkretisiert /Berliner Zeitung, 5.4.94/. Einzelfallhilfe als Beispiel- oder als Umschreibung dafür, daß Grundsätzliches keinThema sein soll?
Auch Diepgens Erwähnung von Kulturaustausch hat den Charakter vonschmückendem Beiwerk; in einem Interview mit der Berliner Zeitungklingt das etwa so: "Hier geht es mehr um Kulturaustausch, um dieAnbahnung von wirtschaftlichen Kontakten. Ein Beispiel: Bei meinem ...Besuch in China haben wir ... mit dazu beitragen können, daßAufträge für den Ausbau der U-Bahn in Shanghai ... nach Berlingegangen sind." eine Ausführung zu Kulturaustausch folgt auchspäter nicht. /Berliner Zeitung, 5.4.94/
Diepgen muß weiterhin mit Opposition rechnen
Das Bündnis aus NGOs und Neuem Forum kündigte an, weiterhinihre Anliegen einzufordern. Dazu gehören die Beteiligung der Öffentlichkeitin beiden Städten, die Förderung von Kontakten zwischen NGOs,die Berücksichtigung der Menschenrechtssituation in Jakarta sowiedie Beteiligung der Öffentlichkeit an durchzuführenden Projekten.Die Förderung von Vorhaben, die den Charakter von "Schönheitsoperationen"haben, ohne der Bevölkerung in Jakarta wirklich zu helfen wird abgelehnt.<>
Zurück zur Hauptseite | Watch Indonesia! e.V. | Back to Mainpage |