Indonesien-Information August 1994 (Menschenrechte)
1.) Bekasi, West-Java. Das Land am Kali Malang in Bekasi, im östlichenTeil des Großraums Jakarta gelegen, gehört dem Staat - genauergesagt: dem staatseigenen Wasserbau-Betrieb Perum Otorita Jatiluhur. Dochseit vielen Jahren haben minderbemittelte Familien, die größtenteilsaus anderen Regionen Javas zugezogen sind, auf dem ansonsten ungenutztenLand ihre Häuser errichtet. Einige lebten schon seit 1970 am KaliMalang, die Gegend entwickelte sich seither zu einem Wohngebiet wie vieleandere, mit kleinen Läden, Imbißbuden und Werkstätten.Natürlich besaß niemand eine Baugenehmigung, aber die Besiedlungdes Gebietes wurde jahrelang von den Behörden geduldet und die OtoritaJatiluhur erhob sogar einen Pachtzins von den Bewohnern.
Schon seit einiger Zeit wußten die Anwohner am Kali Malang, daßihr Aufenthalt dort nicht mehr ewig währen würde. Die "wilde"Siedlung paßte nicht mehr ins Bild der um Modernität bemühtenMetropole. Es gab verschiedene Ankündigungen, daß das Gebietgeräumt werden solle. Doch im Juni 1994 mußte plötzlichalles ganz schnell gehen. Am Morgen des 14. Juni begannen um 10.00 UhrPolizei, Militär, Feuerwehr und Zivilbehörden in einer konzertiertenAktion das Gelände mit Bulldozern zu räumen. Haus für Hauswurde dem Erdboden gleichgemacht. Die Bewohner waren völlig überrascht,viele konnten nicht einmal mehr ihre wenigen Habseligkeiten retten. Einjunges Paar wurde gar von den Bulldozern mitten aus ihrer Hochzeitsfeiergerissen.
Die Leute reagierten mit Hilflosigkeit. Einige warfen voller Wut mitFlaschen auf die Bulldozer, andere skandierten "Merdeka!" ("Freiheit!"),wieder andere sahen fassungslos zu, wie ihre Häuser dem Bagger zumOpfer fielen und weinten. In zwei Tagen wurden 819 Häuser zerstört,ca. 2.500 Menschen verloren ihr Zuhause.
Drs. Syaifullah von der Stadtverwaltung Bekasi meint, die Anwohner hättengenügend Zeit gehabt, sich auf die Räumung vorzubereiten. PerBrief habe der Bupati (Bezirksvorsteher) die Leute aufgefordert, ihre Häuserselbst abzureißen. Der Brief, der am 2. Juni unterschrieben wurde,setzte die Woche vom 1.-7. (!) Juni als Phase zur Bekanntmachung fest.In der Woche vom 7.-14. Juni sollten dann die Bewohner ihre "Aktivitäteneinstellen", denn vom 14.-30. Juni werde geräumt, erläuterteSyaifullah den Inhalt des Briefes. Genug Zeit? Und wer erhielt wann denBrief?
Viele leben immer noch am Kali Malang. Sie sitzen zwischen den Trümmernihrer Häuser, aus denen sie versuchen, Notunterkünfte zu basteln."Wo soll ich schlafen? Um ein Haus zu mieten, fehlt mir das Geld.Um ein Haus zu bauen, fehlt mir das Land," klagte Ny. Lili, eine 34-jährigeWitwe mit drei Kindern.
Einige Anwohner richteten eine Petition ans indonesische Parlament.Darin bitten sie um Medikamente, Zelte, eine öffentliche Suppenküchesowie um die Erlaubnis, vorerst auf dem Gelände bleiben zu dürfen.
Es ist nicht bekannt, daß die Stadt bestimmte Pläne zur Nutzungdes Geländes hat. Die Tageszeitung Pikiran Rakyat bemüht sich,eine Begründung für die Plattwalzaktion zu geben. Das Blatt schreibt,es sei bekannt, daß in den Hütten am Kali Malang viele Prostituierteihrem Gewerbe nachgegangen seien. Eine Duldung dieses Zustandes durch dieStadt würde bedeuten, der Prostitution Vorschub zu leisten. (ZweiPreisklassen höher floriert das selbe Gewerbe ohne nennenswerte Störungenseitens der Behörden...)
Eine andere Begründung zitierte das Wochenblatt DeTik. Entlangdes Kanals müsse ein Uferstreifen von 30 m Breite unbebaut bleiben,erklärte ein Beamter der Stadtverwaltung. DeTik wundert sich zusammenmit den vertriebenen Bewohnern, denn am anderen Ufer gibt es bislang keineBestrebungen, den 30-m-Abstand zu wahren. Jener Uferstreifen ist allerdingsnicht mit Häusern von Armen sondern mit Fabriken bebaut. Es scheint,daß rechts und links ziemlich verschieden sind, wenn es um Landvertreibunggeht, schreibt DeTik. /Pikiran Rakyat, 16.6.94; Republika, 25.6.94; DeTik,22.-28.6.94/
2.) Kembangan, Jakarta Barat. Im Ortsteil Srengseng, ganz im WestenJakartas gelegen, befindet sich eine 20 ha große ehemalige Mülldeponie.Auf dem Gelände lebten Müllsammler (Pemulung) mit ihren Familienin einfachen Behausungen, die aus alten Brettern, Blechen und Plastikplanenzusammengebastelt sind. Müllsammler ist ein typischer 'Gastarbeiter'-Beruf,d.h. die meisten der 215 Familien stammen nicht aus Jakarta, sondern ausanderen Teilen Javas.
Eines frühen Morgens im Juni kamen Leute vom Ordnungsamt zusammenmit zahlreichen Polizisten. Die Müllsammler wurden per Megaphon aufgefordert,aus ihren Hütten zu kommen. Kaum hatten sie dem Aufruf Folge geleistet,schon schütteten ein paar Dutzend Beamte mit Petroleum um sich undließen die Hütten in Flammen aufgehen. "Es ging sehr schnell.Ich konnte nichts anderes mehr retten als die Kleidung, die ich anhatte,"sagte Sarkiwan, 27, der seit vier Jahren hier lebte.
Die Stadtverwaltung von Jakarta Barat wurde von einigen Abgeordnetendes Regionalparlaments (DPRD-DKI) kritisiert. Das gezeigte Vorgehen seiunmenschlich, sagte ein Abgeordneter. Doch Sjahrin L.T., stellvertretenderBürgermeister von Jakarta Barat, weist diesen Vorwurf zurück:"Wir haben nur altes Zeug verbrannt, das da angehäuft war, undwir haben mehrfach Vorwarnungen gegeben."
Der Direktor des Informationsamtes Muhayat erklärte: "Dasist Staatsland und ... daraus soll ein Stadtwald gemacht werden."Die Behauptung, es gäbe Pläne für eine Luxuswohnsiedlungauf dem Gelände, wies Muhayat zurück.
Jetzt streiten sich die Opfer der Aktion mit der Stadtverwaltung umeine angemessene Entschädigung. Die Stadt ist bereit, Rp. 18 mio (ca.DM 14.400,-) an die Müllsammler zu verteilen. Diese beziffern denihnen zugefügten Schaden allerdings auf Rp. 41 mio (ca. DM 32.800,-)./Forum Keadilan, 7.7.94/
3.) Cengkareng, West-Java. Nahe dem Dorf Cengkareng bei Tangerang entstandvor 13 Jahren der neue Flughafen von Jakarta, Sukarno-Hatta InternationalAirport. Mehr als 1.400 Familien wurden damals in verschiedene Dörferdes Bezirks Tangerang umgesiedelt. Neben dem Ersatz der Umzugskosten wurdeden Leuten versprochen, sie erhielten 5.000 m² Land pro Familie alsSchadenersatz.
Viele der Vertriebenen, die unter ärmlichen Verhältnissenleben, warten bis heute vergeblich auf die Zuteilung eines entsprechendenStückes Land. Es war nicht schwer, die einfachen Leute, die zum Teilnicht einmal lesen und schreiben können, übers Ohr zu hauen.Viele von ihnen haben keine Papiere in der Hand, um beweisen zu können,daß ihnen noch eine Entschädigung zusteht. Andererseits sagtder zuständige Bupati, sind tatsächlich noch 280 ha Land zurVerteilung an die Vertriebenen vorgesehen, nachdem ca. 520 ha schon verteiltworden seien. Doch mehr als 500 Familien meldeten noch Ansprüche an- zuviele im Verhältnis zu der noch vorhandenen Fläche. Da vieleBerechtigte keine Papiere besitzen, ist es schwer, zu entscheiden, wemtatsächlich noch Land zusteht.
Abgebrühte Geschäftemacher haben sich bereiterklärt,den in Beweisnot befindlichen Vertriebenen zu helfen. Mehrmals besuchtensie die Leute, erkundigten sich über die genauen Umstände undversprachen, die Landrechte bei den Behörden durchzusetzen. Jedesmalbenötigten sie dazu allerdings eine gewisse Menge Geld, die die gutgläubigenLeute ihnen auch gaben. Die vermeintlichen Helfer wurden nie mehr gesehen.../Republika, 20.6.94/
4.) Cicadas/Cilangkap, West-Java. In der Nähe der Stadt Purwakartaist die Ansiedlung eines Industrieparks geplant. Ein Konsortium von sechsFirmen will das Gelände erschließen. Eine der Firmen ist PTSentraloka Adhya Buana. Die Firma hat beste Verbindungen, denn ihr ersterDirektor ist der Sohn des früheren Gouverneurs von West-Java und jetzigenindonesischen Innenministers, Yogie S. Memed.
Den Bauern, die bisher das Land bewirtschafteten wurde Anfang 1991 verkündet,sie müssen das Land abgeben, es gehöre dem Staat. Aus "Sympathie"sei man aber bereit, ihnen Rp. 100 (ca. 8 Pfennig) pro Quadratmeter Entschädigungzu zahlen. Ein Anspruch auf das Geld bestehe aber nicht, daher sei es auchnicht möglich, um den Preis zu verhandeln. Wer das Geld nicht wolle,der gehe eben leer aus. Einige Bauern widersetzten sich dennoch. So gelanges, den Preis erst auf Rp. 150, dann schließlich auf Rp. 200 anzuheben.
Doch auch Rp. 200/m² ist lächerlich wenig. Der Preis liegtweit unter der Grundsteuer von 3.500 Rp./m², die die Bauern jahrelangzahlten. Die Kostenplanung von PT Sentraloka Adhya Buana sieht einen Quadratmeterpreisvon Rp. 7.000 vor, das 35-fache dessen, was die Bauern erhalten sollen.Nach erfolgter Erschließung wird die Firma das Land für Rp.30.000/m² weiterverkaufen.
Die Bauern setzten verschiedene Hebel in Bewegung, denn sie waren derfesten Überzeugung, daß ihnen das Land gehöre. Sie schriebenauch einen Brief an Präsident Suharto und tatsächlich bekamensie im Juni 1993 Antwort. Es wurde anerkannt, daß die Bauern - undnicht der Staat - die Landrechte besitzen. Doch die Vorbereitung fürdie Vertreibung der Bauern lief weiter, wie wenn nichts geschehen wäre.
In ihrer Verzweiflung wandten sich die Bauern an das RechtshilfeinstitutLBH in Bandung. Eine Woche vor dem Termin bei LBH wurde einer der Wortführer,der 21-jährige Arbeiter Okin Haryono, von seinem Arbeitsplatz wegentführt. Er fand sich kurz später im Haus des Bupati wieder,wo neben dem Bupati selbst unter anderem der Vorsitzende des Bezirksrates,der Polizeichef und der Richter des Amtsgerichtes Purwakarta auf ihn warteten.Erst um 2.00 Uhr nachts durfte Okin wieder gehen.
Nach dem Vorfall gefragt, erklärte der Bupati, es handelte sichum eine "normale Einladung, um das Problem zu erfahren." Okindagegen erzählte, man habe versucht, ihn zu erpressen. Er solle fürsein Land Rp. 950/m² erhalten, müsse aber eine Quittung übernur Rp. 200/m² unterschreiben, um Begehrlichkeiten bei den anderenLandbesitzern zu vermeiden. /DeTik, 27.4.-3.5.94/ <>
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