Indonesien-Information August 1994 (ArbeiterInnen)

Gibt es eine zweite Marsinah?

Während der Prozeß um den Mord an der ArbeiteraktivistinMarsinah mehr neue Fragen aufwirft als alte Probleme löst, währenddie Folgen der Demonstrationen von Medan, die unter anderem aus Anlaßdes mysteriösen Todes des Arbeiters Rusli stattgefunden hatten, nochnicht verdaut sind, wird Indonesiens Öffentlichkeit schon wieder voneinem ungeklärten Tod einer Arbeiterin bewegt.

Am Morgen des 30. April 1994 wurde in einem Abwasserbecken der TextilfabrikPT Kahatex in Sumedang, West-Java, die Leiche der 23jährigen ArbeiterinTiti Sugiarti gefunden. Titi Sugiarti, die seit drei Jahren bei PT Kahatexarbeitete, war bereits seit zwei Tagen nicht mehr gesehen worden.

Satpam- (Werkschutz-)Angestellte haben die Leiche sofort nach der grausamenEntdeckung durch KollegInnen aus dem Becken geholt. Die Firmenleitung sahes nicht für nötig an, den Fall der Polizei zu melden, da sieangeblich glaubte, es habe sich um einen "normalen" Unfall gehandelt.Erst gegen Mittag erschien doch noch die Polizei, nachdem sie von KollegInnenTitis verständigt worden war.

Der Öffentlichkeit wurde der Fall erst nach zwei Wochen bekannt.Der Direktor von LBH Bandung, Effendi Saman, bezweifelt, daß es sichum einen Unfall gehandelt haben könnte, und forderte Polizei und Firmenleitungauf, den Fall nicht zu vertuschen. Auch viele KollegInnen, Freunde undBekannte Titis halten einen Unfall oder gar einen Selbstmord für ausgeschlossen.Klar ist, daß Titi nicht in dem Abwasserbecken zu Tode gekommen ist,sondern ihre Leiche erst später darin "entsorgt" wurde.Bei der Obduktion der Leiche wurden Quetschungen an der Brust festgestellt,um die Beine schlangen sich Reste eines Seiles und aus Nase und Ohren tratBlut aus: deutliche Hinweise, daß es sich nicht um einen Tod durchErtrinken gehandelt haben kann.

Die Polizei ermittelt angeblich nach allen Seiten, ein Gewaltverbrechenwurde bislang weder bestätigt noch dementiert. Angeblich sei aberfür einen Mord an Titi kein Motiv erkennbar.

Das sehen einige Leute allerdings anders: Titi hatte zusammen mit KollegInnengeplant, Ende Mai eine Demonstration zu veranstalten, um von der Firmasoziale Sicherheit, Schwangerschaftsurlaub und Unfallversicherung zu fordern./Kompas, 19.5.94/ <>