Die Christian Consultation on East Timor ist zu einer Tradition geworden; sie fand in diesem Jahr zum elften Mal statt. Teilnehmer von gut 20 christlichen und säkularen Organisationen, unter ihnen Watch Indonesia!, diskutierten drei Tage lang in Utrecht über die aktuelle Lage in Ost-Timor, den Prozess auf dem Weg in die Unabhängigkeit als souveräner Staat und die Möglichkeiten, mit den erlittenen Gräueln politisch und psychisch umzugehen.
Ein Jahr danach
Breiten Raum nahmen die Berichte der Ost-Timoresen und der Ost-Timor-Besucher aus erster Hand ein. Zwar liegt der Albtraum der totalen Zerstörung nun ein Jahr zurück, doch von Normalisierung kann nur äußerst beschränkt die Rede sein. Noch fehlt es an allem, stellten die Besucher von Ost-Timor fest, auch an Programmen und Plänen. Die internationale Hilfe wird noch lange notwendig sein, erfuhr aber auch Kritik. Rogerio dos Santos von Caritas Dili betonte, dass die internationale Hilfe eine Menge Probleme mit sich bringt, wenn die Solidarität mit Ost-Timor nicht von gegenseitigem Respekt begleitet ist.
Noch immer befinden sich 134.000 Vertriebene in West-Timor. Ihre Lebensbedingungen in den Lagern sind schlimm, zusätzlich sind sie Terror und Propaganda ausgesetzt. Wim Westerbaan von Peace Brigades Internationales löste mit seiner Behauptung, diese Flüchtlinge wollten gar nicht in ihre Heimat zurück oder hätten Angst zurückzukehren, eine Kontroverse aus.
Manuel Abrantes von der Justice & Peace Commission in Dili sah die Phase der Demokratisierung und der Entwicklung demokratischer Strukturen mit an Umwelt und Menschen verpflichteter Wirtschaft und Verwaltung noch in weiter Ferne. Ost-Timor hat keine historische Erfahrung mit der Demokratie; eine Zivilgesellschaft existiert kaum, demokratisches und bürgerliches Verhalten müsse erst erlernt werden. Noch weittragender: auch ganz normales Leben und Handeln, z.B. durch Schulunterricht, Markt, Arbeit und Feste als erste praktische Schritte zur Bewältigung des Traumas, müssen neu gelernt werden. Normalität und Ordnung von Grund auf wieder hergestellt werden. Gleichzeitig muss ein Prozess der Versöhnung stattfinden und den Ost-Timoresen Gerechtigkeit widerfahren.
Gerechtigkeit und Versöhnung
Versöhnung und Gerechtigkeit als politische und pastorale Ziele sind das A und O einer friedlichen Zukunft Ost-Timors und lagen allen Teilnehmern der Beratung am Herzen. Die Menschen in Ost-Timor und in den Flüchtlingslagern müssen mit ungeheuren Verlusten fertig werden. Aufgewühlt von starken Gefühlen sollen sie lernen, mit ihren Feinden friedlich umzugehen und zu verzeihen. Doch ohne Gerechtigkeit kommt es statt zu Versöhnung zu Racheakten. Die Kirche in Ost-Timor muss ihren Beitrag leisten, sich zunehmend auf ihre pastorale Rolle besinnen und sie in die Praxis umsetzen. Durch Friedenserziehung will sie zu Versöhnung und Gerechtigkeit beitragen, durch das Wiedererwecken der eigenen Kultur zu Normalität und durch den Einsatz für Recht und Menschenrechte zum Demokratisierungs- und Normalisierungsprozess. Die Kirche bietet den Menschen Perspektive und Halt; kritisiert wurde, dass ihre Hierarchie die Leute passiv macht. Ohne funktionierende Justiz wird es weder Gerechtigkeit noch Versöhnung geben, sagte Feije Duim von der evangelischen Kirche in Holland. Die Täter aus den Milizen und dem Militär hören nur auf, wenn sie Strafe fürchten müssen, vielleicht nur von einem internationalen Gericht. Manuel Abrantes zufolge drängt auch die Kirche in Ost-Timor auf Gerichtsverfahren. Doch ein Rechtssystem muss erst aufgebaut werden, Kapazitäten sind noch nicht vorhanden. Bei allem guten Willen bleibt Versöhnung, angesichts der vielfältigen anderen internen Probleme - der fehlenden inneren Sicherheit, des nationalen Traumas, der Ressentiments, der Milizen und der Unfähigkeit Indonesiens, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen - eine fast unlösbare Aufgabe. Drohungen wie die eines indonesischen Offiziers, der Manuel Abrantes gesagt hat: "Wenn ihr unabhängig seid, werdet ihr nicht schlafen können!" können alle wohlmeinenden Versuche vereiteln.
Diplomatie
Arnold Kohen von The Humanitarian Project in Washington ging ausführlich auf die Bedeutung der USA für Ost-Timor ein. Es wird immer schwieriger, bei Politikern und Geschäftsleuten in den USA das Interesse an Ost-Timor zu erhalten: Ost-Timor als beunruhigendes Dauerthema könnte die guten Beziehungen zu Indonesien stören! Kohen unterstrich die Bedeutung des internationalen Netzwerks der Kirche, die seiner Meinung nach der einzige Ernst zu nehmende Gegner der amerikanischen Indonesienpolitik ist. Unseren Regierungen sollte klar werden, so Kohen, dass zu Hause im eigenen Land ein hoher Preis gezahlt werden muss, wenn dem Treiben der indonesischen Armee kein Riegel vorgeschoben wird. Das Argument unserer Politiker, Dialog und diplomatischer Druck würden Indonesien zu einer Lösung verhelfen, sei heute kontraproduktiv. Wir stehen vor einer völlig anderen Situation. Die indonesische Armee selbst zeigt, wie es läuft: sie arbeitet keineswegs mit Diplomatie und Dialog, sondern nur mit Druck. Gewisse Armeeeinheiten sind Monster "out of control what would be respectable in a civilian society." Nur starker internationaler Druck kann die Armee bändigen. Catherine Scott vom Catholic Institute for International Relations forderte, Druckpunkte zu definieren, um Indonesien zu bewegen, die Milizen und Soldaten aus West-Timor abzuziehen und die Rückführung der Flüchtlinge zu ermöglichen. Eine solche Möglichkeit ist ein internationales Tribunal.
Gerechtigkeit für Ost-Timor
Sabine Hammers Ausführungen zu einem internationalen Tribunal für Ost-Timor, riefen großes Interesse hervor. Rechtsprechung bzw. ein Tribunal sind Teil des Versöhnungsprozesses, ein formaler Weg, mit Verbrechen umzugehen, ein Rechtssystem aufzubauen und gleichzeitig für law and order zu sorgen, so Sabine Hammer. Sie legte die Geschichte, die Bedingungen und den Mechanismus des internationalen Tribunals dar und nannte die Verbrechen, die vor ein Tribunal gebracht werden können (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen).
Die Teilnehmer der der 11. CCET beschlossen, zur Konferenz der Geldgeberstaaten für Ost-Timor am 5.-6. Dezember in Brüssel die Forderung nach einem Internationalen Ad-hoc-Tribunal erneut vorzubringen. Die Morde von Atambua haben die Dringlichkeit und Notwendigkeit noch einmal unterstrichen. <>
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