Indonesien-Information - Dezember 1993 (Menschenrechte)
Es scheint wie ein Wunder, was im berühmt-berüchtigten politischen Gefängnis Cipinang in Jakarta passiert. Der Militärkommandant der Region Jakarta, Generalmajor Hendropriyono, ehemahliger Adjutant von Präsident Suharto, schenkte den politischen Gefangenen fünf Schreibmaschinen sowie Bücher über die Staatsideologie Pancasila, Staatsbürgerkunde und Parlamentsbeschlüsse. Sollen die Häftlinge etwa in die Fußstapfen von Romanautor Pramoedya Ananta Toer treten, der als politischer Gefangener viele berühmte Romane schrieb?
Aber nein! Der Generalmajor Hendropriyono, der zur Zeit selbst studiert und eine Arbeit an der Militärhochschule für Jura schreibt, will, daß die Häftlinge ihn selbst und keineswegs Pramoedya Ananta Toer zum Vorbild nehmen. Er veranlaßte, daß alle politischen Häftlinge vor ihrer mit Auflagen versehenen Entlassung bzw. ihrer Reintegration in die Gesellschaft ihre Überzeugungen zur Staatsideologie Pancasila und der Verfassung (UUD 1945) in einer Arbeit niederschreiben müssen. Damit die Häftlinge die Möglichkeit zum Schreiben haben, stellte der General fünf Schreibmaschinen zur Verfügung /Tempo, 28.08.1993/.
Nach General Hendros Auffassung ist eine Entlassung unter Auflagen nicht nur abhängig von der guten Führung während der Haft, sondern auch vom Bewußtsein der Gefangenen, daß ihre Taten falsch waren. "Wenn das Ergebnis enttäuschend ist, dann hat Bakorstanasda (Amt für die Koordination der nationalen Stabilität) ein Mitspracherecht. Wenn ich das Paper lese und keine Reue für ihre Taten entdecke, dann dürfen sie auch nicht unter Auflagen entlassen werden." /Editor, 4.9.93/
Der erste Häftling, der eine Arbeit vor dem Prüfungssausschuß zu verteidigen hatte, war Fatwa, Mitglied der Oppositionsgruppe Petisi 50, der wegen der Ereignisse von Tanjungpriok 1984 verurteilt worden war. "Seine Arbeit ist gut. Er bestand mit cum laude", sagte Generalmajor Hendropriyono /Detik, 1.-7. September 93/.
Die Pflicht eine Arbeit zu schreiben gilt allerdings nur für die politischen Häftlinge, die ihre Strafe schon zu mehr als zwei Dritteln verbüßt haben oder kurz vor ihrer Entlassung stehen - wie die politischen Gefangenen, die wegen der Ereignisse von Tanjungpriok einsitzen, oder die wegen eines Bombenattentats auf die Central Bank of Asia von Liem Sioe Liong Verurteilten. Die Regelung des Generalmajors gilt allerdings nicht für Häftlinge, die als Rädelsführer des Putschversuchs 1965 verurteilt wurden, wie der ehemalige Außenminister Subandrio und der ehemalige Oberkommandierende der Luftwaffe Admiral Omar Dhani. Der Grund: "Sie wurden zu lebenslänglich verurteilt", erklärte der Staatssekretär im Justizministerium Baharuddin Lopa /Tempo, 4.9.93/.
Der ehemalige Vorsitzende des Instituts für Menschenrechte (LBH), Garuda Nusantara, äußert seine Bedenken, denn "die Regelung, eine Arbeit zu schreiben, hat keine rechtliche Grundlage. Wozu ist eine solche Arbeit gut?", fragte er /Tempo, 4.4.93/. Seine Bedenken sind berechtigt. Denn zur Zeit gibt es ca. 500 politische Gefangene in 35 Gefängnissen in ganz Indonesien. Sie sitzen durchschnittlich über fünf Jahre, ein Teil von ihnen hat bereits zwei Drittel ihrer Strafen verbüßt /Detik, 1.-7. September 1993/. Darunter befinden sich auch 50 Gefangene in Aceh, die wegen Unterstützung der Befreiungsbewegung Aceh Merdeka verurteilt wurden, und mehr als hundert Freiheitskämpfer in West-Irian (Irian Jaya) /amnesty internationnal, September 1993/.
Im gleichen Sinne wie Garuda Nusantara äußerte sich Mulya Lubis, ebenfalls ehemaliger Vorsitzender von LBH. "Gefängnisse sind keine akademische Institution. Also gibt es gar keine Voraussetzungen, um eine Arbeit zu schreiben", sagte er. Er sieht in der Regelung eine zusätzliche Belastung für die Gefangenen. "Warum hat man so etwas nicht viel früher eingeführt? Das ist doch etwas völlig Neues und darf den Häftlingen nicht kurz vor ihrer Entlassung die Freiheit versperren." Auch der neue Vorsitzende von LBH, Adnan Buyung Nasution, spricht sich gegen die Regelung aus: "Wenn es zur Pflicht wird, eine solche Arbeit zu schreiben, bin ich dagegen und bin bereit die Leute zu verteidigen", sagte er kämpferisch /Editor, 4.4.93/.
Die Militärkommandatur in Jakarta sieht das selbstverständlich anders und wirbt dafür, die neue Regelung als positiv anzuerkennen. "Wir brauchen diese Arbeiten, damit wir wissen, was die Häftlinge denken", erklärte der Stellvertreter Hendropriyonos. Folglich muß das Militär die Entlassenen nicht mehr beobachten /Editor, 4.9.93/.
Aber was ist, wenn die politischen Häftlinge die Grundschule nicht zu Ende besucht haben? Müssen sie mit ihrer geringen Ausbildung eine Arbeit mit vielen Literaturangaben und Fußnoten schreiben? Es scheint so, als ob der Generalmajor darüber noch nicht nachgedacht hat /Tempo, 28.08.93/. <>
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