Indonesien-Information - Dezember 1993 (Menschenrechte)

Poncke Princen in Berlin

Ende Oktober war Haji Johannes Cornelius Princen auf Einladung von Watch Indonesia! und der Humboldt-Universität zu einem Diskussionsabend Gast in Berlin. Princen ist eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten in der Geschichte des jungen Staates Indonesien. Wie oft der Mann wegen seines Hanges zur Gerechtigkeit hinter Gittern saß weiß er vielleicht selbst nicht mehr. Aber, soviel ist sicher, es war ziemlich oft, und bisher hat keines der Regime, die sich mit ihm plagen mußten, es versäumt, ihn mindestens einmal dahin zu bringen. Erst waren es die Deutschen im 2. Weltkrieg, dann schickten ihn die Holländer in ein Sonderlager für diejenigen Soldaten, die sich weigerten gegen die Indonesische Republik zu kämpfen. Sukarno steckte ihn für vier Jahre ins Gefängnis, nachdem Princen bereits hochgeehrter Freiheitskämpfer der republikanischen Armee und Mitglied des Parlaments geworden war, und schließlich konnte es sich auch Suharto nicht verkneifen, diesen unbequemen Haji Princen von Zeit zu Zeit dahin zu tun, wo die Mauern dick sind und die Tage lang.

1966 gründete Princen mit anderen indonesischen Anwälten das Institut zur Verteidigung der Menschenrechte, dem er als Leiter vorstand. Seine Kritik richtete sich von Anfang an gegen die nichtverfassungsmäßigen Institutionen des Staates wie dem allmächtigen KOPKAMTIB (Komando Operasi Pemulihan Keamanan dan Ketertiban; Einsatzkommando zur Wahrung von Recht und Ordnung), BAKIN (staatlicher Geheimdienst) und BAIS (militärischer Geheimdienst), die besonders seit Ende der 70er Jahre einen fast nahtlosen Kontroll- und Überwachungsstaat in Indonesien aufbauten. Seit 1984 war es Princen nicht erlaubt ins Ausland zu verreisen; er war dicekal - ein Wort welches zum Grundwortschatz der Neuen Ordnung Suhartos gehört und so etwas wie Landesarrest bedeutet. Nun, nach fast einem Jahrzehnt, durfte Princen erstmals wieder den Boden der Indonesischen Republik verlassen. Eine seiner Stationen war neben Lissabon, Amsterdam und Stockholm auch Berlin.

Von den Folgen eines Schlaganfalls noch zeitweise an den Rollstuhl gefesselt, wirkte Princen dennoch äußerst lebendig. Seine Kritik an dem, was politisch seit Jahren und Jahrzehnten in Indonesien passiert, war scharf und grundsätzlich und mochte manchem unter den etwa fünfzig DiskussionsteilnehmerInnen ein wenig unbequem in den Ohren geklungen haben.

Die sogenannte politische Öffnung, die sich jetzt scheinbar in Indonesien abspielt, diese neue Form der Pressefreiheit, der politischen Meinungsäußerung, die Amnestierungen und auch die Tatsache, daß er selbst nun wieder aus dem Land hinausdürfe - das alles sei doch nichts weiter als ein Manöver im aktuellen Machtkampf Suhartos gegen Teile der Armee, die so ganz allmählich gefährlich werden könnten für den Präsidenten und seine Familie. Die Öffnung sei eines von vielen Anzeichen dafür, daß Suharto das Wasser bis zum Halse stehe. Es sei ein Besänftigen der internationalen Meinung sei und zugleich der Versuch, sich allmählich von all den Grausamkeiten zu distanzieren, die unter Suhartos Regie in Indonesien seit 1965 begangen wurden. Die Schuld an diesen Vergehen bekomme jetzt indirekt, aber durchaus wirkungsvoll, die Armee, darunter insbesondere ehemalige enge Mitarbeiter Suhartos wie Benny Murdani, in die Schuhe geschoben. Die Kommunistenmorde 1965-1966, die Morde an der Zivilbevölkerung in Ost-Timor, Tanjung Priok, Petrus, Aceh, Dili - all das gehe nun zu Lasten von Suhartos Rivalen in der Armee. Suharto selbst möchte im als der Vater des Aufbaus und als Vorreiter und Vorbild in Sachen Menschenrechte bei den Blockfreien angesehen werden.

Die internationale Meinung ist stark, an ihr ist schwer vorbeizukommen. Doch wer sie erst mal im Rücken hat, besitzt gute Karten. Die im letzten Jahr von der Regierung eingesetzte Menschenrechtskommission sei da nur ein Beispiel von vielen für Suhartos fleißigen Versuch, sich eine weiße Weste anzuschneidern. Tatsächlich, so Princen, sind gerade die Leute, die jetzt in dieser Kommission den Ton angeben, seit Jahren mitverantwortlich für die Mißachtung der Menschenrechte in Indonesien, wie zum Beispiel der frühere Justizminister Ali Said.

Princens Institut zur Verteidigung der Menschenrechte hat jede Zusammenarbeit mit dieser Kommission abgelehnt; zu klar sei deren Absicht zu erkennen, sich eine Kontrollmöglichkeit über die Aktivitäten des Instituts zu verschaffen. Auch der Vorschlag Suhartos, in seiner Funktion als Schirmherr von APETA, die Ex-Tapol Kennzeichnungen für ehemalige politische Gefangene abzuschaffen, sei ein pseudo-demokratischer Profilierungsversuch. (APETA ist eine Organisation ehemaliger PETA-Angehöriger, also Indonesier die während des 2. Weltkrieges in der japanischen Armee gedient hatten; auch Suharto war PETA-Soldat).

Die Situation in Indonesien hat sich bei alledem, was die Beachtung der Menschenrechte anbelangt, nicht um einen Deut verbessert. Solange Suharto an der Macht sei, werde sich da auch nur wenig ändern. Auf Anfrage aus dem Publikum ging Princen auch kurz ein auf die seltsame Alternative: Beachtung der Menschenrechte oder Zunehmen separatistischer Tendenzen in Indonesien. Tatsächlich sei es eher umgekehrt, nämlich daß gerade die Mißachtung der Menschenrechte in Aceh, in Irian, in Ost-Timor usw. die extremen Formen des Protestes - und dazu gehöre der Separatismus - nur fördert. Je ungerechter ein System, desto fundamentaler der Protest. Princens Antwort: "The government must be so attractive that people want to join the united state!". Doch das sei ganz offenbar nicht der Fall.

Um die faktische Ungerechtigkeit des politischen Systems in Indonesien aus der Welt zu schaffen, um dem Parlament wieder diejenige Geltung zu verschaffen, welche ihm nach der Verfassung zusteht, um überhaupt wieder im Ernst daran denken zu können, so etwas wie unabhängige politische Parteien zu bilden und unabhängige Gewerkschaften ins Leben zu rufen, dazu müsse zunächst einmal dieser dienstälteste Präsident (isser nich! Kim Il Sung u. Castro sind noch viel viel älter. d. säzzer) des Erdballs seinen Abschied von der Macht nehmen. Danach ließe sich weitersehen. Im Moment bestehe ja nicht einmal eine Opposition, die diesen Namen verdient hätte. Sie sei schwach und zerstritten, auch aufgrund einer erfolgreichen "divide et impera"- Politik der Regierung.

Noch befände sich Indonesien in der Hand des Präsidenten Suharto und der Armee. Suharto selbst werde immer mehr zu einem Diktator, der sich weniger dem Volk, als der Armee selbst erwehren muß. Zur Zeit fände wieder ein entscheidender Machtkampf statt und die nächsten vier Monate würden zeigen, wer daraus siegreich hervorgeht. Die Benennung von Try Sutrisno zum Vizepräsidenten nannte Princen einen kleinen Coup d'Etat. Princen beschreibt den Staat Indonesien als eine "Cryptic Dictatorship", in der das ganze Volk in den Händen des Militärs ist. Die Hoffnung, daß die Zukunft dem Volk mehr Gerechtigkeit und Freiheit, weniger Armut und weniger Kontrolle bringen wird, sei zugegebenermaßen gering.

Wahrscheinlicher sei die Übernahme der Staatsmacht durch ähnliche Figuren wie Suharto. Er, Princen, werde aber nicht müde werden, dennoch für die Ziele, von denen er weiß, daß sie im Interesse des indonesischen Volkes liegen, einzutreten. Je älter, desto lauter! <>

   
 
 
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