Politische Parteien und Gruppierungen in Ost-Timor
Von Michaela Müller und Monika Schlicher
Im August 1999 votierten über 78 Prozent der Wahlberechtigten Ost-Timors für eine Unabhängigkeit von Indonesien – trotz massiver Gewalt seitens pro-indonesischer Milizen. Die indonesische Regierung hat das Ergebnis des Referendums von 1999 offiziell anerkannt. Am 30. August 2001 fanden nach einer zweijährigen Übergangsphase unter UN-Verwaltung die ersten freien Wahlen in Ost-Timor statt. Gewählt wurde ein verfassungsgebendes Organ; entschieden wurde auch, wie zukünftig das Staatsoberhaupt Ost-Timors zu wählen ist. Bis Mai 2002 soll die Regierungsverantwortung Schritt für Schritt von der United Nations Transitional Administration in East Timor (UNTAET) an die demokratisch gewählten legislativen und exekutiven Organe übergeben.
Um eine Wählerregistrierung vornehmen zu können, war zunächst der Aufbau eines Personenmeldewesens erforderlich. Diese Maßnahme wurde von der Bundesregierung im Rahmen der UN-Verwaltung gefördert und durchgeführt. Die Volkszählung konnte am 22. Juni 2001, zwei Tage nach dem vorgesehenen Termin, abgeschlossen werden. Insgesamt wurden 775.602 Personen registriert, das entspricht laut UNTAET ca. 96% der geschätzten Bevölkerung. Am Wahltag gaben nicht weniger als 384.248 wahlberechtigte Bürger ihre Stimme ab. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 91 %. Es wurden 363.501 gültige Stimmen ausgezählt, nach denen sich folgende Sitzverteilung ergibt:
Partei | % | Sitze |
PNT | 2,21 | 2 |
PPT | 1,78 | 2 |
PL | 1,1 | 1 |
PDC | 1,98 | 2 |
PD | 8,72 | 7 |
PSD | 8,18 | 6 |
UDC/PDC | 0,66 | 1 |
PST | 2,01 | 1 |
ASDT | 7,84 | 6 |
Kota | 2,13 | 2 |
UDT | 2,36 | 2 |
Fretilin | 57,37 | 43 |
Apodeti | 0,6 | 0 |
Parentil | 0,54 | 0 |
PTT | 0,56 | 0 |
PDM | 0,49 | 0 |
Die als haushohe Favoritin gehandelte Fretilin verfehlte mit insgesamt 55 Sitzen (43 nationale u. 12 Distriktmandate) hauchdünn die 2/3 Mehrheit in der Verfassungsgebenden Versammlung. Mit großer Mehrheit wählte das Haus aber Fretilin-Führer Francisco Guterres, auch bekannt als Lu Olo, wurde zum Präsidenten der Versammlung. Ein Entwurf für die Verfassung liegt seit Ende Januar vor und wartet nun auf seine Verabschiedung. Die Versammlung soll nach Vollendung ihrer Aufgabe als erstes nationales Parlament der Republik Timor Loro Sae weiter bestehen bleiben. Präsidentschaftswahlen sind für den 14. April 2002 angesetzt. Als unangefochtener Favorit gilt der ehemalige Widerstandsführer Xanana Gusmão. Am 20. Mai 2002 soll der bislang noch unter UN-Verwaltung stehende Staat endgültig in die Unabhängigkeit entlassen werden.
Wer verbirgt sich hinter
den alten und neuen Parteien und Bewegungen, welche Programmatik vertreten
sie und auf welcher Grundlage wurden sie gewählt? Auf den folgenden
Seiten geben wir einen Überblick, der die Orientierung in der noch
jungen politischen Landschaft Ost-Timors erleichtern soll.
Vorschriften für die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung
Am 16. März 2001 gab UNTAET die Anordnung Nr. 2001/2 zur ‚Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung, um eine Verfassung für ein unabhängiges und demokratisches Ost-Timor vorzubereiten’ bekannt. Sie wurde vom Kabinett und dem Nationalrat angenommen. Die Anordnung umfasst fünf Themengebiete:
1. die verfassungsgebende
Versammlung,
2. die unabhängige
Wahlkommission,
3. die Registrierung der
politischen Parteien,
4. die Qualifikation von
Wählern und Kandidaten und
5. die Verteilung der Sitze:
es sollte eine Ein-Kammer Versammlung, mit 88 Mitgliedern, 75 als nationale
und 13 als Distrikt-Repräsentanten gewählt werden.
Die Versammlung hatte 90 Tage Zeit, um einen Verfassungsentwurf vorzulegen, der zur Annahme die Unterstützung von mindestens 60 Mitgliedern benötigt und am Tag der ost-timoresischen Unabhängigkeit in Kraft tritt. Nur Bewohner eines Distrikts, die dort auch registriert und am Wahltag dort anwesend waren, konnten über die Distrikt-Repräsentanten abstimmen. Alle Wahlberechtigten, die in Ost-Timor registriert und am Wahltag anwesend waren, konnten über die nationalen Repräsentanten abstimmen. Die Anordnung unterstützte gleiche Partizipation von Männern und Frauen, lehnte jedoch den Vorschlag, dass 30 Prozent der Sitze der Versammlung für Frauen reserviert sein sollten, ab.
Die Anordnung erwähnt nicht die Ost-Timoresen, die außerhalb Ost-Timors leben. Wähler mussten mindestens 17 Jahre alt und in Ost-Timor geboren sein oder ein Elternteil haben, der in Ost-Timor geboren ist oder mit Ost-Timoresen verheiratet sein. Die Versammlung soll zum gesetzgebenden Organ werden, wenn es die Verfassung so vorsieht.
Nur registrierte Parteien konnten Kandidaten in die Wahl schicken. Um sich für die Registrierung zu qualifizieren, mussten die Parteien eine von ihren Führern unterzeichnete Erklärung vorlegen, dass die Kandidaten in den drei Monaten vor der Wahl dauerhaft in Ost-Timor wohnten. Des Weiteren mussten Namen, Geburtsort und -datum sowie die Unterschriften von mindestens 500 Wahlberechtigten vorgelegt werden und es durften keinen Namen, Akronyme oder Symbole verwendet werden, die Hass schüren könnten. Unabhängige Kandidaten mussten die Unterstützung von 500 Wahlberechtigten nachweisen. Die Registrierung einer Partei unterlag öffentlicher Kontrolle, es konnte Einspruch eingelegt werden.
Die Registrierung der Parteien und ihrer Kandidaten erfolgte vom 7. bis zum 27. Juni 2001. Insgesamt 16 Parteien mit über 1.100 Kandidaten wurden zugelassen; einige Parteien wurden abgewiesen. Nicht alle Parteien suchten die Zulassung zur Wahl, sei es, weil sie das Unabhängigkeitsvotum nicht anerkennen oder wie im Falle der radikalen Splittergruppe CPD-RDTL die Durchführung einer Wahl ablehnten. 27 % aller Kandidaten waren Frauen.
Der Nationale Widerstandsrat Ost-Timors, CNRT, die Dachorganisation während der indonesischen Besatzungszeit, rief alle zugelassenen Parteien zur Schließung eines Nationalen Einheitspaktes auf. Dieser beinhaltete die Anerkennung des Unabhängigkeitsvotums von 1999, die Verpflichtung zu Gewaltfreiheit und Toleranz sowie die Anerkennung des zukünftigen Wahlergebnisses. 14 der 16 Parteien unterzeichneten am 8. Juli diesen Pakt, die Parteien PNT und Parentil lehnten dies ab. Alianca Araújo von der PNT begründete dies damit, dass die Bedingungen für Aussöhnung noch nicht gegeben seien. Die PNT tritt u.a. für eine vollständige Amnestie aller Verbrechen der Vergangenheit ein.
Im Vorfeld der Wahlen präsentierte sich in Ost-Timor eine nahezu unüberschaubare Vielfalt politischer Parteien und Gruppierungen, die auf die eine oder andere Art im politischen Leben mitmischten. Parteien jedweder politischer Couleur stellten sich zur Wahl und versuchten, die weitere politische Entwicklung des jüngsten eigenständigen Staates der Erde entscheidend mitzugestalten.
Diese neu entstandene Parteienlandschaft
machte sich noch sehr viel stärker an Persönlichkeiten und Familien
als an den Parteiprogrammen fest. Über die einzelnen Parteien und
ihre Inhalte war recht wenig bekannt. Es erschien uns wichtig, hier nicht
nur die zur Wahl zugelassenen Parteien vorzustellen, sondern das gesamte
breite Spektrum von politischen Akteuren. Die zur Wahl zugelassenen Parteien
sind vor dem Namen mit einem * gekennzeichnet, in Klammer dahinter folgen
die Zahl der von der Partei nominierten Kandidaten auf Distrikt- und auf
nationaler Ebene sowie das erzielte Wahlergebnis.
Die Pro-Autonomie Bewegungen und Parteien:
PPI – Pejuang Pro-Integrasi oder Pasukan Pejuang Integrasi (Pro-Integration Kämpfer)
PPI ist die militärische
Dachorganisation aller Milizen-Gruppen. Diese Struktur ist auch unter dem
Namen Milisia Pro-Otonomi (Pro-Autonomie-Miliz) bekannt. Die
obersten Milizenführer João da Silva Tavares und Eurico Guterres
stehen der Organisation vor. Guterres hat die ehemalige indonesische Regierungspartei
Golkar verlassen und seine politische Heimat inzwischen in Megawatis PDI-P
gefunden; eine Partei, die seine populistische nationale Gesinnung widerspiegelt
und die seine Milizen mehr als alle anderen politisch dabei unterstützt
hat, Ost-Timor als integralen Teil Indonesien vor der Abspaltung zu bewahren.
Der Dritte in der Rangfolge der Organisation, Hermínio da Silva
da Costa, trat im Mai letzten Jahres zurück, um eine politische Partei,
die PPT, zu gründen. Er brach seine Beziehungen zu UNTAS (s.u.) und
PPI ab, da sie seine Appelle zurückgewiesen hatten, das Referendum
anzuerkennen und mit UNTAET zusammenzuarbeiten, um an zukünftigen
Wahlen teilnehmen zu können. Am 12. Dezember 1999 traf sich Xanana
Gusmão mit dem Kommandanten der Milizen an der Grenze zu West-Timor.
João Tavares kündigte damals seine Bereitschaft an, die Milizen
in West-Timor aufzulösen, im April 2001 gab er jedoch bekannt, bis
zum Tode weiterkämpfen zu wollen.
UNTAS – Uni Timor Aswain (Vereinigung Timoresischer Helden)
Die Organisation wurde am
5. Februar 2000 während eines Kongresses in West-Timor gegründet.
Sie ist die Nachfolgerin des FPDK (Forum Persatuan Demokrasi dan Keadilan
– Forum für Einheit, Demokratie und Gerechtigkeit), das vor dem Referendum
gegründet worden war, um eine politische Organisation für die
Milizen zu schaffen. Im Dezember 1999 verkündete das FPDK, dass die
Milizen nicht mehr aktiv seien. UNTAS steht nach wie vor auf dem Standpunkt,
das Referendum der UN sei ein Betrug gewesen. Sie forderte die gleiche
Präsenz im Nationalrat (NR, Interimsparlament s.u.) wie der Nationale
Widerstandsrat der Ost-Timoresen (CNRT) – sieben Sitze, statt nur
der festgelegten drei – obwohl sie nur knapp 21 Prozent der Stimmen im
Referendum errungen hatten. Zu den führenden Persönlichkeiten
gehören Domingos das Dores Soares, Basilio Dias Araújo und
Filomeno de Jesus Hornay, Generalsekretär der UNTAS.
BRTT – Barisan Rakyat Timor Timur (Front des ost-timoresischen Volkes)
BRTT wurde 1999 im Vorfeld des Referendums durch Francisco Lopes da Cruz, dem früheren Berater Präsident Suhartos für Ost-Timor-Fragen, gegründet mit dem Ziel, die politische Arbeit für Autonomie und den Verbleib bei Indonesien stärker zu forcieren. (was von PPI und UNTAS abgelehnt wurde). Francisco Lopes da Cruz ist zur Zeit Botschafter Indonesiens in Griechenland.
Im Nationalrat, dem Vorläufer
des ost-timoresischen Parlaments, erhielt die BRTT einen der fünf
Sitze, die für Pro-Autonomie Parteien reserviert waren. Der BRTT Repräsentant
im Nationalrat war Salvator Ximenes Soares, Herausgeber der Zeitung Suara
Timor Lorosae. Soares betonte jedoch, dass er weder im Nationalrat einen
Pro-Autonomie Standpunkt einnehme, noch über seine Zeitung diese politische
Einstellung propagiere. Auch habe er keine Pläne, eine Pro-Autonomie
Partei zu gründen. Er möchte als Brücke zwischen beiden
Lagern fungieren.
*PNT – Partido Nacionalista Timorense (Timoresische Nationa-listische Partei) (0, 60, 2,21 %)
Die PNT wurde 1999 von Abílio Araújo gegründet. Abílio Araújo war der Übersee-Repräsentant der Fretilin, bis er aufgrund politischer und finanzieller Verbindungen mit Francisco Lopes da Cruz und dem Suharto-Clan – vor allem Suhartos ältester Tochter – ausgeschlossen wurde. Araújo propagiert einen ‚dritten Weg’ zwischen der ‚Diktatur’ des CNRT und der Integration in Indonesien als 27. Provinz. Die PNT war Verfechterin einer umfassenden Autonomie innerhalb Indonesiens, hat die Ergebnisse des Referendums und UNTAET als legale internationale Autorität in Ost-Timor jedoch anerkannt. PNT hat enge Verbindungen mit CDP-RDTL (s. nächster Punkt), beruft sich auf die Ausrufung der Unabhängigkeit vom 28. November 1975, unterstützte jedoch die Wahlen und die UN Verwaltung. Die Repräsentantin der PNT im Nationalrat war Alianca, Abílios Schwester.
Programm:
PNT unterstützt den
Aufbau eines demokratischen Staatswesens mit einem Mehrparteiensystem,
allgemeine Wahlen für eine Verfassungsgebende Versammlung und Bahasa
Indonesia als offizielle Sprache neben Portugiesisch. Sie befürwortet
eine regionale Integration durch die Mitgliedschaft im ASEAN und die Kooperation
mit benachbarten Ländern, besonders mit Indonesien.
CDP-RDTL – Conselho Popular pela Defensa da Republica Democratica Timor Leste (Volksverteidigungskomitee-Demokratische Republik Ost-Timor)
Am 28. November 1975, nur wenige Tage vor der indonesischen Invasion, rief die Fretilin einseitig die Demokratische Republik Ost-Timor aus. 1999 gründeten junge timoresische Radikale die RDTL, oder CDP-RDTL Gruppe, in Erinnerung an das historische Ereignis und mit dem Ziel, die Demokratische Republik Ost-Timor (DROT) wieder herzustellen. Sie fordern, den 28.11.1975 als Tag der Unabhängigkeit anzuerkennen, die Verfassung der DROT anzunehmen, Falintil als nationale Armee und die überlebenden Mitglieder der DROT Regierung als übergangsweise Führung Ost-Timors einzusetzen. CDP-RDTL steht folglich außerhalb des aktuellen politischen Übergangsprozesses und lehnte die Wahlen ab. CDP-RDTL betrachtet Francisco Xavier do Amaral (erster Präsident der DROT) und Rogerio Lobato (DROT Verteidigungsminister, der kurz vor den Wahlen nach Ost-Timor zurückgekehrt ist) als inoffizielle Patrone der Organisation.
Ihr Anführer, Cristiano Costa, flüchtete 1988 nach Portugal und traf dort mit Abílio Araújo, zu jener Zeit noch Fretilin-Repräsentant, zusammen, bevor er sich schließlich in Australien niederließ. Vor dem Referendum, als der CNRT zu unauffälligem Verhalten aufforderte, um eine Provokation der Milizen und des indonesischen Militärs zu verhindern, kanalisierte die RDTL Gruppe den anti-indonesischen Radikalismus einiger junger Timoresen zu provozierenden Aktionen. Cristiano Costas Verbindungen zu Abílio Araújo und nachgesagt auch zu General Wiranto machten ihn zum idealen Kandidaten, um als pro-indonesischer Provokateur zu agieren.
Programm:
Falintil soll in eine professionelle
Armee umstrukturiert werden und mit den ‚Peace Keeping Forces’ zusammenarbeiten,
bis bilaterale Sicherheitsabkommen, vor allem mit Australien, abgeschlossen
werden. Eine Mischung aus indonesischen Rupien und australischen Dollar
sollen als gemischtes Interims-Währungssystem gelten, Tetum die nationale
Sprache werden. Das politische System soll ein parlamentarisch-präsidiales
sein, die Themen Wirtschaft, Bildungs- und Gesundheitsystem, Arbeit, Gleichheit
und Umwelt sollten mit Priorität behandelt werden.
*PPT – Partido do Povo de Timor (Timoresische Volkspartei) (12, 71, 1,78 %)
Die PPT wurde am 7. Mai 2000
von Hermínio da Silva da Costa, einem ehemaligen Milizen- (Nummer
3 in der Hierarchie und UNTAS Mitglied) und Apodeti-Führer, gegründet,
um an den Wahlen teilzunehmen. Die PPT sieht sich in der Nachfolge der
MPTL, der Movimento do Povo de Timor Leste (Volksbewegung Ost-Timors).
Da Costa betont, er akzeptiere das Referendum, wolle dessen Ergebnis jedoch
auf politischem Wege weiter bekämpfen. Als Pro-Autonomie Partei war
die PPT nicht Mitglied im CNRT, unterstützt laut da Costa jedoch
Xanana als zukünftigen Präsidenten. Führer der Partei ist
Dr. Jacob Xavier, der die letzten 30 Jahre in Portugal zugebracht hat und
sich in direkter Nachkommenschaft mit dem letzten König von Portugal
sieht. Die Partei hat einigen Zulauf aus Kreisen der Liurais, (traditionelle
politischen Elite Ost-Timors auf Kreisebene), spielt jedoch eine eher untergeordnete
Rolle.
Die Unabhängigkeitsparteien:
Es existieren insgesamt 14 Parteien, die heute für ein unabhängiges Ost-Timor einstehen. Von den fünf Parteien, die 1975 gegründet wurden, haben vier letztendlich mehr oder weniger intensiv mit der indonesischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet. Nur Fretilin hat nie kooperiert.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1975 (Spaltung der Koalition und anschließender Bürgerkrieg) betonte Xanana Gusmão sehr stark die Einheit aller Parteien, die für die Unabhängigkeit kämpften, unter dem Dach des CNRT. Als Teil dieser Einheitsfront fühlt Fretilin sich jedoch eingeschränkt und zog es vor, eigenes Territorium zu ‚erobern’; ein Schritt, der für alle politischen Parteien in dem nun stattfindenden demokratischen Prozess sicher wichtig und folgerichtig ist. Xanana stellt heraus, dass der klare Sieg im Referendum nur durch die Einheit innerhalb des CNRT errungen werden konnte. Würde der CNRT jemals eine eigene Partei, sei ihm ein Wahlsieg sicher. Aus der Angst heraus, dass ein so klarer Wahlsieg eine Gefahr für die junge Demokratie wäre, hat Xanana den CNRT nicht in eine politische Partei transformiert, sondern das Widerstandsbündnis am 9. Juni 2001 aufgelöst.
Die neun neu gegründeten
Parteien werden allerdings noch lange brauchen, bevor sie wirklich eine
realistische Alternative zu den alten Parteien darstellen können.
*UDT – União Democratica Timorense (Timoresische Demokratische Union) (12, 72, 2,36 %)
Gegründet 1974, plädierte die konservative UDT für eine weiterhin enge Verbindung mit Portugal. Die Partei war die erste politische Vereinigung Ost-Timors nach der portugiesischen Nelken-Revolution. Zu ihren Gründern gehörten vornehmlich Beamte der portugiesischen Kolonialverwaltung, Landbesitzer, Katholiken und Anti-Kommunisten. Unter ihnen Mário Carrascalão, später Gouverneur während der indonesischen Besatzung und heute Präsident der Sozialdemokratischen Partei, sowie Francisco Lopes da Cruz, der spätere Berater Suhartos in Angelegenheiten Ost-Timors. Die UDT stand 1974 für Selbstbestimmung in Föderation mit Portugal, sprach sich jedoch klar gegen eine Integration Ost-Timors in irgendein anderes Land aus. In einem gemeinsamen Kommuniqué mit Fretilin erklärte die UDT am 18. März 1975 die Verteidigung der Rechte des Volkes auf nationale Unabhängigkeit. Schon im März zerbrach jedoch die Koalition der beiden Parteien. Am 11. August startete die UDT einen Staatsstreich. Ein Bürgerkrieg folgte, der rund 1.500 Todesopfer forderte und Flüchtlingsströme nach Australien und West-Timor trieb. Es folgte ein mehrmonatiges Interregnum durch Fretilin vor der indonesischen Invasion am 7. Dezember 1975. Während der Zeit der indonesischen Besatzung operierte die Partei vor allem im Ausland, in Australien und Portugal, was ihren Status unter den jungen Ost-Timoresen heute schwächt, ihr jedoch internationale Kontakte und finanzielle Ressourcen bescherte. UDT-Führer, die nach der indonesischen Invasion ins Exil gegangen waren, wandten sich nach und nach gegen die indonesische Besatzung. Die UDT war Gründungsmitglied des CNRT. Sie nahm außerdem im August 2000 Jahres am CNRT Kongress (s.u.) teil, hat sich dann aber aus dem CNRT zurückgezogen. Zu den Sitzungen des Ständigen Rates des CNRT schickte sie nur einen Beobachter. Führer der UDT verteidigten den UDT-Coup 1975 als eher anti-kommunistische denn als anti-Fretilin Initiative. Sie forderten darüber hinaus Gerechtigkeit für die UDT-Mitglieder, die während dieser Zeit von Fretilin umgebracht worden waren.
Aus persönlichen Gründen und aufgrund der Umstände sind viele ihrer ehemaligen Führer nun verteilt in anderen Parteien. Zu den führenden Persönlichkeiten der Partei gehören João Carrascalão, Bruder von Mário Carrascalão, UDT-Präsident und Minister für Infrastruktur innerhalb des ersten Übergangskabinetts der UN-Verwaltung. Er legte sein Ministeramt mit Beginn des Wahlkampfes nieder.
Programm:
Die Partei steht ein für
Pluralismus, Demokratie und Gewaltlosigkeit sowie die Achtung der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte. Sie propagiert ein präsidiales,
zentralistisches Regierungssystem. Sie tritt ein für die Wiederbelebung
der Rolle der Älteren, um nach dem Gewohnheitsrecht Probleme auf Dorfebene
zu lösen. Pensionszahlungen sollen an alle ehemaligen portugiesischen
und indonesischen Beamten sowie an ehemalige Falintil-Angehörige und
ihre Witwen und Waisen gezahlt werden.
*Fretilin – Frente Revolucionaria do Timor Leste Independente (Revolutionäre Front für ein unabhängiges Ost-Timor) (13, 75, 57,37 % und 12 Direktmandate)
Fretilin, gegründet im Jahr 1974, war von Beginn an für eine vollständige Unabhängigkeit Ost-Timors. Kurz vor der indonesischen Invasion erklärte sie einseitig die Unabhängigkeit und war, zusammen mit ihrem bewaffneten Arm, Falintil, während der gesamten Zeit der indonesischen Besetzung die Haupt-Wider-standspartei. Eine kurze Koalition mit der UDT endete im Bürgerkrieg nach einem UDT Coup am 11.08.1975. Während dieser Phase und in der ersten Zeit des Widerstandes kam es auch zu Verbrechen und Morden an angeblichen timoresischen Gegen-Revolutionären. Die Fretilin gründete am 20. August 1975 Falintil (Forcas Armadas de Libertacao Nacional de Timor Leste). Bis 1987 war Fretilin das Rückgrat des diplomatischen und militärischen Widerstandes, danach nahm die Bewegung mit der Gründung des nationalen Widerstandsra-tes, initiiert durch Xanana Gusmão, eine breitere Strategie der nationalen Einheit an. Die Fretilin beteiligte sich an der Gründung des CNRT, verließ die Dachorganisation jedoch 2000 wieder, um sich der eigenen Parteiarbeit zu widmen. Die Mitgliederzahl der Partei wird mit rund 150.000 angegeben, mit breitem Zulauf vor allem in ländlichen Gebieten. Fretilin hat außerdem enge internationale Kontakte und wird beispielsweise vom australischen Council of Trade Unions unterstützt.
Zu den führenden Persönlichkeiten gehören Mari Alkatiri, Lu’Olo und Estanislau da Costa. Fretilin stellte zwei MinisterInnen im ersten Über-gangskabinett: Mari Alkatiri (Finan-zen) und Ana Pessoa (Innenmini-sterium), die mit Beginn des Wahlkampfes ihre Ministerämter niederlegten.
Programm:
Im Mai 2000 hielt Fretilin
in Dili eine nationale Konferenz ab, an der rund 1.200 Delegierte teilnahmen.
Themen wie Einheit, Demokratie, Toleranz und Gewaltlosigkeit be-stimmten
die politische Agenda. Es wurde eine Kommission für Toleranz und Einheit
gegründet, eine Art inter-ne Wahrheitskommission, die Into-leranz
und Irrtümer der Fretilin in den vergangenen 24 Jahren aufarbeiten
sollte. Ost-Timor soll außerdem internationale Abkommen zu Menschenrechten
(vor allem Frauen- und Kinderrechte), ILO Konventionen sowie Kriegsverbrechen-
und Meeresrecht-Konventionen unterzeichnen. In der wirtschaftlichen Entwicklung
des Landes will sich die Partei auf den Ausbau von Landwirtschaft, Fischerei
und die Ausbeutung von Bodenschätzen konzentrieren sowie den Tourismus
fördern und Anreize für Investitionen aus dem Ausland bieten.
Auch die 1974 begonnenen Programme zur Bekämpfung von Analphabetentum
und die Bildung von Kooperationen sind erneut Ziele der Partei.
Fretilin, wie auch die UDT waren im Nationalrat nur durch Mitglieder aus der zweiten Reihe (Cipriana Pereira und Mária Lacruna) vertreten. Sie haben sich außerdem geweigert, Re-präsentanten in den Ständigen Rat des CNRT (SR, s.u.) zu entsenden, um gegen den Mangel an echter Autorität dieser beiden Organisationen zu protestieren.
*Apodeti – Pro Referendo – Asso-ciação Popular Democratica de Timor Pro Referendo (Demokratische Timoresische Volksvereinigung) (7, 15, 0,6 %)
Apodeti wurde 1974 gegründet und vertrat den Anschluss Ost-Timors an Indonesien als autonome Provinz. Die Partei stellte nach der Invasion viele hohe Beamte in der indonesischen Verwaltung in Ost-Timor. Die ersten beiden von Indonesien ernannten Gouverneure Ost-Timors, Aranaldo Araújo und Guilherme Gonçalves, waren Führer der Apodeti, die schließlich die Beziehungen zu ihren ‚Beschützern’ abgebrochen haben. Ein anderer unzufriedener Führer der Apodeti, Frederico Almeido Santos Costa, ist nun der Kopf der Apodeti-Pro-Referendum Bewegung, die dem CNRT beitrat. Seit der Gründung von UNTAS hat die alte Apodeti aufgehört zu existieren. Die Pro-Referendum-Apodeti setzt sich heute aus früheren Apodeti Mitgliedern zusammen. Die Führung der Partei liegt bei Frederico Almeido Santos Costa, der die Partei auch im Ständigen Rat des CNRT (SR) vertrat, Laurentino Domingos Luis Gusmão war der Vertreter im Nationalrat.
Programm:
Die Apodeti unterstützt
heute die Entwicklung demokratischer Werte auf der Basis von nationaler
Einheit, der Verteidigung der Unabhängigkeit und Souveränität
Ost-Timors, sie tritt ein für Gewaltlosigkeit, Toleranz und die Förderung
der soziokulturellen Werte des ost-timoresischen Volkes. Die Apodeti
tritt unter anderem ein für die Timorisierung der Verwaltung und Regierung
auf allen Ebenen, eine
Mehrparteiendemokratie,
Dialog und Aussöhnung, fundamentale Menschenrechte für alle Männer
und Frauen, freie Marktwirtschaft, der vorläufigen Verwendung des
Portugiesischen als Amtssprache, während Tetum weiter entwickelt wird,
ein Unterstützungsprogramm für Kriegsopfer, u.a.m..
*KOTA – Klibur Oan Timor Asuwain (Söhne der Kriegshunde aus den Bergen, Monarchistische Partei) (13, 75, 2,13 %)
Ebenfalls 1974 gegründet, besaß die Partei jedoch nie einen großen Rückhalt in der Bevölkerung. Vorläufer der KOTA war die Associação Popular Monarquia de Timor oder APMT, eine Monarchistenpartei, die von einigen Liurais (lokalen Fürsten) gegründet worden war. Sie wurde von den Portugiesen nicht als offizielle Partei anerkannt, da ihr Anhang zu gering war. Ihr Pro-Integrationsstandpunkt diente Indonesien jedoch dazu, die Behauptung zu untermauern, die Mehrheit der timoresischen Parteien befürworte die Integration. Am 11. August 1998 wies KOTA gemeinsam mit UDT, Fretilin, Apodeti und Trabalhista das indonesische Autonomie-Angebot zurück, forderte die Freilassung von Xanana Gusmão und ein Referendum in Ost-Timor. KOTA war Mitglied im CNRT.
Die Führung von KOTA liegt bei Augusto Pires (SR) und Clementino dos Reis Amaral. Clementino dos Reis war während der portugiesischen Kolonialzeit Distriktverwalter von Baucau, während der indonesischen Besatzung seines Landes saß er 14 Jahre lang im indonesischen Parlament und zuletzt diente er Indonesien sieben Jahre lang als Mitglied der nationalen Menschenrechtskommission KOMNAS HAM. Als seine Zeit in Jakarta nach dem Votum für die Unabhängigkeit ablief, kehrte er zurück. Enge Verbindung unterhält die Partei auch zu Dom Duarte, dem Herzog von Braganca in Portugal.
Programm:
KOTA sieht sich der Förderung
der timoresischen Kultur und Traditionen verpflichtet. Die Partei ist in
erster Linie eine Vereinigung von Liurai-Familien. Auf ihrem Kongress am
15. Mai 2000 in Dili soll die Forderung nach einer konstitutionellen Monarchie
erhoben worden sein. Die Partei bedauert den abnehmenden Respekt vor den
Liurais. Sie setzt sich für die Wahrung der Menschenrechte ein und
versucht die timoresische Kultur und Praxis mit diesen Prinzipien zu vereinbaren.
KOTA unterstützt ein Mehrparteiensystem und eine exekutive Präsidentschaft.
Sie unterstützt Xanana Gusmão als Präsident. In der wirtschaftlichen
Entwicklung soll das Land sich auf Armutsbekämpfung, die Entwicklung
der Landwirtschaft, Fischerei, Viehzucht und Kaffeeproduktion sowie der
Förderung von Tourismus konzentrieren. Die Partei tritt ein für
Tetum als nationale Sprache, zugleich sollen in den Schulen die Fremdsprachen
Portugiesisch, Indonesisch und Englisch gelehrt werden.
*PTT/Trabalhista – Partido Trabalhista Timor (Arbeiterpartei Timors) (5, 33, 0,56 %)
Die kleine Partei, deren Mitgliederzahl sich bei Gründung 1974 auf etwa 10 belief, verstand sich als Vertretung der arbeitenden Klasse. Sie trat zunächst für die Unabhängigkeit ein und favorisierte dabei einen langsamen Prozess der Transformation mit weiterhin engen Verbindungen zu Portugal. In Reaktion auf die einseitige Erklärung der Unabhängigkeit durch Fretilin schlossen sich UDT, Apodeti, KOTA und Trabalhista zu einem Anti-Kommunistischen Bündnis (MAC) zusammen und befürworteten den Anschluss an Indonesien. Ein Parteivertreter unterzeichnete 1975 die Balibo-Erklärung mit, die eine Intervention Indonesiens forderte. Heute jedoch betont die Partei, es habe sich dabei um eine private Meinung des Unterzeichnenden gehandelt. 1998 wies die Partei Indonesiens Autonomie-Angebot zurück und forderte ein Referendum. Sie versucht heute einen neuen Start.
Die Partei wird geführt von Paulo Freitas da Silva, der auch Mitglied im Ständigen Rat des CNRT war. Freitas da Silva repräsentierte im Parlament in Ost-Timor 5 Jahre lang die Indonesische Demokratische Partei, PDI, und war Vorsitzender der Sektion Ost-Timor der offiziellen indonesischen Arbeitergewerkschaft SBSI. Vize-Präsidentin Mária Angela Freitas vertrat die Partei im Nationalrat. Trabalhista steht jedoch Xanana Gusmão und José Ramos-Horta und ihren – wie sie es nennt – ‚diktatorischen Tendenzen’, Mangel an Transparenz und Verantwortlichkeit sehr kritisch gegenüber.
Programm:
Die Partei schätzt
ihre Mitgliederzahl heute auf 2.500, mit einem 45-prozentigen Frauenanteil.
Sie bezeichnet sich selbst als demokratische sozialistische Partei, ähnlich
der australischen Labour Party, zu der sie auch gute Kontakte unterhält.
Sie unterstützt eine demokratische Sozialisierung von Industrie, Produktion
und Verteilung, um Ausbeutung zu eliminieren. Trabalhista will durch die
Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem Arbeiter unterstützen
sowie die Interessen der Gewerkschaften vertreten. Tetum und Englisch sollen
die beiden Hauptsprachen sein. Die Partei tritt ein für die Wahrung
der Menschenrechte als Basis einer toleranten, multikulturellen Gesellschaft.
Die Außenpolitik sollte dem Recht aller Nationen auf Selbstbestimmung
und Unabhängigkeit verpflichtet sein, ebenso wie
der Notwendigkeit, regionaler und internationaler Abrüstung und Waffenkontrolle.
Neue Parteien:
*ASDT - Associação Socialdemocrata de Timor (Sozialdemokratische Assoziation Timors) (13, 75, 7,84 %)
Bei dem Namen dieser neuen
Partei handelt es sich um den ursprünglichen Namen der Fretilin.
Wiederbelebt wurde die Partei unter diesem Namen von Francisco Xavier do
Amaral, dem 1. Präsidenten der damals einseitig ausgerufenen Demokratischen
Republik Ost-Timors (s.a. CPD-RDTL). Als Xavier do Amaral 1977 nach
der indonesischen Invasion dafür plädierte, den Kampf aufzugeben
und ein Amnestieversprechen Indonesiens anzunehmen, wurde er als Präsident
abgesetzt und aus Furcht vor einem Überlaufen von den eigenen Leuten
inhaftiert. Kurz darauf wurde er von indonesischen Truppen „befreit“; seitdem
lebte er als Angestellter eines Generals auf Kalimantan. Zurück in
Ost-Timor suchte er die Nähe der alten Parteigenossen und bewegte
sich im Umfeld der CPD-RDTL, die es jedoch ablehnte, sich zur Wahl zu registrieren.
Über die Inhalte und das Parteiprogramm der AST liegen uns keine Informationen
vor.
*PST – Partido Socialista de Timor (Timoresische Sozialistische Partei) (3, 75, 2,01 %)
Die PST ist die Nachfolgerin der Timoresischen Sozialistischen Vereinigung, die sich in den 90er Jahren mit einer stark linken Agenda gegründet hatte. Entstanden ist sie aus ost-timoresischen Studenten- und Arbeitergruppen in indonesischen Städten. Die Partei verfügt folglich über einen starken Arbeitersektor und ist in ihrem Aufbau einer Gewerkschaft ähnlich. Sie organisiert Arbeiter-Demonstrationen, verhandelt zwischen Streikenden und Arbeitgebern und interveniert, wenn ein Protest zu eskalieren droht. Die PST basiert auf marxistisch-leninistischen Prinzipien der Philosophie und Organisation und hat es sich zum Ziel gemacht – gewaltlos – eine sozialistische, klassenlose Gesellschaft in Ost-Timor aufzubauen. Zu den Führern der Partei gehören Avelino Coelho da Silva und Pedro Costa. Ersterer war PST Vertreter im Nationalrat, während letzterer im Ständigen Rat des CNRT saß.
Programm:
Die PST vertritt unter anderem
ein demokratisches, parlamentarisches Mehrparteiensystem und Gewaltenteilung.
Sie steht für die Achtung der Menschenrechte und für Gleichheit,
inklusive der Abschaffung der Klassen. Sie tritt ein für Arbeiterrechte,
freie Gewerkschaften, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und das
Verbot von Kinderarbeit. Sie fordert die gerechte Verteilung von Agrarland,
die Konfiszierung und Verstaatlichung von Besitztümern der indonesischen
Regierung, Freiheit der Presse und freien Zugang zu Informationen.
*UDC/PDC – Partido Democrata Cristão (Christlich Demokratische Partei/Union) (7, 75, 0,66 %)
Die PDC wurde 1999 in Dili von katholischen und protestantischen Führern gegründet, die UDC als Splittergruppe der UDT 1998 in Portugal. Die beiden Parteien treten seit August 2000 unter gemeinsamer Führung auf und werden von Vicente da Silva Guterres und Arlindo Marçal, früherer Moderator der protestantischen Kirche Ost-Timors, vertreten. Die PDC hat Verbindungen zur indonesischen Demokratiebewegung und plant Beziehungen zu christlich-demokratischen Parteien in anderen Ländern. Im Gegensatz zur UDC war die PDC nicht Mitglied im Nationalrat. Die UDC gehörte 1998 zu den Gründern des CNRT.
Programm:
Die PDC unterstützt
ein demokratisches Mehrparteiensystem mit starker Betonung der Rolle der
Zivilgesellschaft. Die Verwirklichung der Menschenrechte, vor allem der
Frauen- und Minderheitenrechte ist ihr ein wichtiges Anliegen. Die Partei
unterstützt kein volles präsidiales System für Ost-Timor.
Die Wirtschaft soll volksorientiert sein, Bildung und Gesundheitswesen
bezahlbar und für alle zugänglich sein. Die Partei befürwortet
Portugiesisch als die offizielle Sprache und Tetum als Nationalsprache.
Die UDC basiert auf christlichem
Humanismus und der Sozialdoktrin der katholischen Kirche; ihre Mitglieder
sind hauptsächlich Katholiken. Als ihre wesentliche Mission bezeichnet
sie die Zusammenarbeit mit anderen timoresischen politischen Gruppen und
den Mitgliedern des CNRT, um einen sicheren und friedlichen Übergang
zur Unabhängigkeit und den Aufbau eines demokratischen Systems in
Ost-Timor zu gewährleisten. Sie favorisiert ein demokratisches Mehrparteiensystem
nach französischem Vorbild, mit strenger Begrenzung der Macht des
Präsidenten. Die UDC unterstützt ein marktwirtschaftliches System
für Ost-Timor. Die Partei hat einen Beobachterstatus bei der
Internationalen Christdemokratischen Union.
*PSD – Partido Social Democrata Timor Lorosae (Sozialdemo-kratische Partei) (13, 75, 8,18 %)
Die PSD wurde im September
2000 als moderate Alternative zu Fretilin und UDT gegründet und sieht
sich als liberale Zentrumspartei. Zu ihren Gründern gehört Mário
Carrascalão sowie eine Reihe weiterer ehemaliger Mitglieder der
Führungsetagen von UDT und Fretilin, die versuchen, Spaltungen
wie in der Vergangenheit zu vermeiden. Die neue Partei zielt auf Menschen,
die es leid sind, die alten Parteien zu revitalisieren und hat rund 8000
Mitglieder. José Ramos-Horta bestreitet zwar Mitglied zu sein, soll
jedoch bei der Gründung involviert gewesen sein. Die PSD vertritt
die Auffassung, es sei an der Zeit, der Politik der Massenbewegungen und
der Emotionen ein Ende zu machen; statt dessen sollte man sich auf Strukturen,
Inhalte, Information und Management konzentrieren.
João Carrascalão
kritisiert das Projekt als schlechten Scherz. Die UDT werde nie von der
Bildfläche verschwinden, geschweige denn eine Koalition mit der PSD
eingehen. Zu den führenden Persönlichkeiten zählen neben
Mário Carrascalão, Agio Perreira (SR), Leandro Isaac und
Zacarias da Costa. Die Partei war nur informell im Ständigen Rat des
CNRT vertreten, da sie erst später gegründet wurde.
Programm:
Die Philosophie der PSD
umfasst die Achtung der Menschenrechte, das Eintreten für Pluralismus,
Partizipation, soziale Gerechtigkeit, die Herrschaft des Gesetzes, individuelle
Gleichheit und Rechte, die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten,
u.a.m.. Sie ist gegen das Konzept einer Partei oder ei-ner Ideologie, verteidigt
aber die Rolle der Regierung in der Wirtschaft und im Umweltschutz. Sie
wird Bil-dung, Kultur, Gesundheit Priorität geben und lehnt die Todesstrafe
sowie Abtreibung ab. Die PSD steht für die Mitgliedschaft im ASEAN
und der CPLP (Community of Portuguese Speaking Na-tions). Die PSD unterstützt
Portu-giesisch als offizielle Sprache.
*PD - Partido Democrata (Demokratische Partei) (13, 74, 8,72 %)
Diese neue Partei wurde unlängst
von der Studentenorganisation Renetil (s.u.) ins Leben gerufen. Auf ihrem
Kongress im Jahre 2000 spaltete die Frage, ob die Renetil als Bewegung
erhalten werden oder sich in eine politische Partei verwandeln soll, die
Organisation. Die neue Partei repräsentiert die Gruppe von jungen
Leuten, die in Indonesien eine Ausbildung erhalten oder die Universität
besucht haben. Insbesondere in der Frage nach der nationalen Sprache nehmen
sie zu den übrigen Parteien eine andere Haltung ein und favorisieren
Bahasa Indonesia.
*Parentil - Partai Republik National Timor Leste (Nationale Partei Ost-Timors ) (0, 53, 0,54 %)
Neugegründete Partei,
die es ablehnte, den Nationalen Einheitspakt zu unterzeichnen.
*PDC - Partido Democrata Cristao (Christlich Demokratische Partei/Union) (8, 75, 1,98 %)
Neue Partei, die aus einer
Spaltung der UDC/PDC hervorgegangen ist.
*PDM - Maubere Democrata Partido (Demokratische Partei des Maubere Volkes) (4, 55, 0,49 %)
Neugegründete Partei,
die ihre Wurzeln in der Apodeti hat.
*PL - Partido Liberal (Liberale Partei) (8, 32, 1,1 %)
Neugegründete Partei.
Organisationen ohne den Status politischer Parteien:
CNRT – Conselho Nacional da Resistência Timorense (Nationalrat des Timoresischen Widerstandes)
Der CNRT wurde 1998 von Mitgliedern des Nationalrat des Maubere Widerstandes (CNRM), UDT und Fretilin als Dachorganisation der Widerstandsbewegung und nicht als politische Partei gegründet. Der CNRT folgte damit dem CNRM nach. UNTAET arbeitete in der Übergangsverwaltung sehr eng mit dem CNRT als Vertretung der Ost-Timoresen zusammen.
Vor dem 2. CNRT-Kongress im August 2000 wurde die Mitgliedschaft um die neuen Parteien (PST, UDC, PSD) sowie um die alten pro-indonesischen Parteien (Apodeti, KOTA, Trabhalista) erweitert. Nach dem Kongress verließen jedoch Fretilin und UDT den CNRT, um sich ganz der eigenen Parteiarbeit zu widmen und arbeiteten seitdem auch nicht mehr im Ständigen Rat des CNRT mit. Dies machte den CNRT zu einem Forum kleinerer Parteien.
Falintil, der bewaffnete Arm des timoresischen Widerstandes gegen Indonesien wurde am 1. Februar 2001 aufgelöst, 650 seiner Mitglieder wurden für die ‚East Timor Defence Force’ rekrutiert.
CNRT-Präsident Xanana Gusmão und Vize-Präsident José Ramos-Horta, Außenminister der ersten und der zweiten Übergangsregierung, sind bislang noch keiner der politischen Partei beigetreten. Als zweiter Vize-Präsident wurde auf dem CNRT-Kongress Mário Carrascalão gewählt. Da der CNRT keine politische Partei ist, konnte er sich nicht an den Wahlen beteiligen. Mit der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen endet die Rolle des CNRT; Xanana Gusmão hat das Widerstandsbündnis am 9. Juni 2001 daher aufgelöst.
Der CNRT-Kongress und die 13 Distriktkongresse in seinem Vorfeld waren die erste Gelegenheit seit dem Referendum 1999, Ideen und eine breitere nationale Politik zu diskutieren. Fünf Kommissionen erreichten einen breiten Konsens bei einer Reihe von politischen Themen, die die Basis für die Politik der Parteien bildete.
Die erste Kommission fokussierte sich auf innere Angelegenheiten des CNRT. Man verabschiedete einstimmig einen Pakt der nationalen Einheit, der die Partei verpflichtet die nationale Einheit und Unabhängigkeit Ost-Timors, die territoriale Integrität, das Ergebnis des Referendums 1999, die Magna Carta der Menschenrechte sowie freie und faire Wahlen zu respektieren und zu unterstützen.
Kommission II beschäftigte sich mit der UN-Übergangsverwaltung (UNTAET) und empfahl, dass UNTAET mehr Ost-Timoresen in die Administration aufnehmen soll, wobei auf eine Minsetquote von 30 Prozent Frauen geachtet werden sollte. Sie empfahl außerdem die Einrichtung einer Nationalbank, einer Einheitswährung und Budgets für die einzelnen Distrikte.
Kommission III widmete sich der Versöhnung und der nationalen Politik. Man einigte sich auf eine Definition von Versöhnung und bestimmte Portugiesisch zur Nationalsprache, die nach 5-10 Jahren durch Tetum ersetzt werden soll. Die Wirtschaft soll marktorientiert sein und zu Investitionen aus dem Ausland ermutigen.
Kommission IV behandelte den Aspekt der Sicherheit und empfahl, dass Falintil die „Peace Keeping Forces“ der UN ergänzen soll, vor allem im westlichen Sektor des Staatsgebietes.
Kommission V behandelte das zukünftige politische System des Landes. Sie sprach sich für eine Republik mit einem präsidialen System aus. Der Kongress unterstützte ein Mehrparteiensystem, Demokratie und eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft. Man forderte die Einrichtung einer Verfassungsgebenden Kommission.
Der Kongress forderte jedoch auch klare Einschränkungen der politischen Aktivitäten. Das umfasst unter anderem einen Ausschluss der Pro-Autonomie Parteien, das Verbot von Märschen und Demonstrationen für Parteien und ein Wahlverbot für Angehörige der Streitkräfte sowie den Ausschluss von Beamten, Richtern und kirchlichen Würdenträgern von Parteiaktivitäten.
Alle Empfehlungen der Kommissionen
wurden von einer überwältigen Mehrheit angenommen. Einstimmig
nahm der Kongress außerdem die Magna Carta des CNRT für Menschenrechte,
einen nationalen Aktionsplan für Menschenrechte und eine Resolution
zu Frauenrechten an.
Jugendbewegungen – Renetil, ETSSC, Juventude Lorico Aswain, Impetu, Opjlatil, Ojetil
Diese Bewegungen junger TimoresInnen
haben maßgeblich den zivilen Widerstand in Ost-Timor getragen. Im
Gegensatz zu den politischen Parteien, deren Führung sich hauptsächlich
aus der älteren Generation rekrutiert, die noch unter dem portugiesischen
Kolonialsystem geboren wurde, sind die Mitglieder der Jugendbewegungen
unter der indonesischen Herrschaft aufgewachsen und haben indonesische
Schulen und Universitäten besucht. Die drei erstgenannten Bewegungen
organisierten im Jahr 2000 Kongresse. Ihre Mitglieder werden sich vielleicht
den bestehenden politischen Parteien anschließen oder eigene politische
Parteien gründen.
Die katholische Kirche
Der Einfluss der katholischen Kirche darf nicht unterschätzt werden. Die Meinung von Bischof Belo hat meist genauso viel Gewicht wie diejenige Xanana Gusmãos. Eines der fünf Ministerien der ersten timoresischen Übergangsregierung (Social Affairs) war von Pater Filomeno Jacob geleitet worden. Ein Priester war außerdem der Organisator des CNRT-Kongresses. Im Nationalrat wurde die katholische Kirche durch Pater José Antonio da Costa vertreten.
Während der Zeit der indonesischen Besatzung war die katholische Kirche oft die einzige Kraft, die ihre Stimme für die Ost-Timoresen erhoben hat. Die Gefolgschaft wuchs in Folge dessen sehr stark an. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Kirche auch in der Zukunft die gleiche Dominanz haben wird, wenn Ost-Timor zu einer freien, unabhängigen und demokratischen Nation wird.
Bischof Belo definiert die
zukünftige Rolle der Kirche in der Politik wie folgt: Laien stehe
es frei, sich in politischen Parteien zu engagieren. Der Klerus sollte
es jedoch vermeiden, in die Parteipolitik involviert zu werden. Kirche
und Staat sollten zum Wohle aller zusammenarbeiten, jeder in seinem speziellen
Kompetenzbereich. Die Kirche soll in der Politik eine gewichtige Rolle
als Gewissen der Regierung spielen, in einer Beziehung, die Belo als ‚kritische
Solidarität’ bezeichnet.
Der Nationalrat
Der Nationalrat, ein sogenanntes nichtgewähltes Parlament während der Übergangszeit bis zu den ersten Wahlen in Ost-Timor, trat am 23. Oktober 2000 zum ersten Mal zusammenkam und ersetzte den 15-köpfigen National Consultative Council. Er umfasste 36 Repräsentanten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Gruppen: 13 Vertreter aus den politischen Parteien (fünf davon für Pro-Autonomie-Parteien), 13 Vertreter aus den Distrikten, 7 aus der Zivilgesellschaft und 3 Mitglieder religiöser Gruppen. Die Vergrößerung des Rates geschah, um eine breitere Partizipation der ost-timoresischen Gesellschaft im politischen Entscheidungsprozess sicherzustellen. Der Nationalrat galt als Generalprobe für eine letztendliche Machtübernahme der Ost-Timoresen. Er besaß keine direkte Macht, diskutierte und kommentierte jedoch Anordnungen der UN-Verwaltung und brachte eigene Gesetzesentwürfe ein. Der Rat wurde am 14. Juli 2001, einen Tag vor Beginn des Wahlkampfes, von Sérgio de Mello aufgelöst.
Ende September 2001 ernannte die UN-Verwaltung das neue Kabinett der zweiten Übergangsregierung. Ihm gehören erstmals ausschließlich Ost-Timoresen an. Ministerpräsident ist Mari Alkatiri von der Fretilin, der gleichzeitig das Amt des Wirtschaftsministers bekleidet. Fretilin stellt zehn, die Demokratische Partei PD drei Minister. Die übrigen der insgesamt 25 Minister und Vizeministerposten wurden an Parteilose vergeben, darunter auch das Außenministerium, das Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta anführt. <>
„East Timors Political Parties
and Groupings“, Australian Council for Overseas Aid, April 2001
„Political Movements and
Parties: pro-autonomy”, East Timor Observatory, POL01-12/02/2001
„Political Parties and Pro-Independence
Forces”, East Timor Observatory, POL02-05/03/2001
„Constituent Assembly Elections
and the Political Parties“, East Timor Observatory, POL04-2001/07/20
(Eine detaillierte Darstellung von Parteien und Organisationen findet sich auf der Homepage der australischen Hilfsorganisation ACFOA (Australian Council for Overseas Aid) unter „http://www.acfoa.asn“)
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