Von Monika Schlicher und Edith Koesoemawiria
Die Aktivisten der erfolgreichen Demokratischen Partei waren schon im zivilen Widerstand gegen Indonesien aktiv
DILI taz Die Straße
in Ost-Timors Hauptstadt Dili gleicht einem Feldweg und hat keinen Namen.
Ein einfaches Holzschild weist den Weg: „Partido Democratico 50 m“.
Zwei Schreibtische, ein Computer, ein paar Plastikstühle. Gerade mal
zwei Monate alt ist die Demokratische Partei (PD) Ost-Timors. Mit
8,72 Prozent der Stimmen erreichte sie nach der Befreiungsfront Fretilin
das beste Ergebnis bei den Wahlen vom 30. August für die verfassunggebende
Versammlung. Damit platzierte sich die PD noch vor der Sozialdemokratischen
Partei (PSD), die von führenden Persönlichkeiten der Elite
als moderate Alternative zur alten Widerstandspartei gegründet wurde.
„Wir freuen uns auf lebhafte
Debatten in der verfassunggebenden Versammlung“, kommentiert Lurdes
Bessa selbstbewusst das Abschneiden ihrer Partei. Mit 57,37 Prozent hat
die Fretilin zwar eine deutliche Mehrheit gewonnen. Doch das Ergebnis
bleibt hinter den Erwartungen der Parteiführung zurück. Ein Alleingang
der Fretilin bei der Ausarbeitung der künftigen Verfassung
ist damit ausgeschlossen.
Erfreut über das gute Abschneiden der jungen Partei zeigte sich auch Ost-Timors Interims-Außenminister José Ramos-Horta: „Diese Partei wird schon bald das zukünftige Gesicht Ost-Timors bestimmen.“ Das starke Ergebnis der Fretilin rühre von ihrem Mythos her. „Inhalte und Programme sollten mehr Bedeutung haben als Namen und Geschichte einer Partei“, so der charismatische PD-Vorsitzende, Fernando de Araujo. Sechs Jahre lang saß der ehemalige Studentenaktivist in Indonesien im Gefängnis. Erst im Juli 1998 wurde er entlassen. Eine einzelne dominante Partei hält er für hinderlich für die demokratische Entwicklung. Darum habe man sich entschlossen, eine eigene Partei zu gründen.
Vor dem Büro der PD sitzen Mitglieder und diskutieren das Wahlergebnis. Es sind keine unbekannten Gesichter. Die PD ist die Partei der jüngeren Generation, die den zivilen Widerstand gegen die indonesische Annexion getragen hat. Diese Menschen haben unter hohem Risiko Proteste organisiert, sich weltweit mit Nichtregierungsorganisationen vernetzt, Informationen über Menschenrechtsverletzungen ins Ausland geschmuggelt und im Land wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet. Traurige Berühmtheit erlangte 1991 der Trauerzug zum Friedhof von Santa Cruz, der vom Militär zusammengeschossen wurde, was die Welt aufschreckte.
Der zivile Widerstand war neben der diplomatischen Front und der Falintil, der Guerilla in den Bergen, ein wesentlicher Pfeiler im Kampf um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Der Rückhalt innerhalb der Gesellschaft ist deshalb groß und erklärt das gute Abschneiden der sehr jungen Partei bei den Wahlen. Als zweite Generation des Widerstands werden diese Menschen gern bezeichnet in Abgrenzung zur alten politischen Führung aus der Anfangszeit des Unabhängigkeitskampfes 1975.
Die alte politische Elite war nach dem Unabhängigkeitsreferendum 1999 wieder dem Exil nach Ost-Timor zurückgekehrt und übernahm wie in der Fretilin wieder die Führungspositionen. „Die Fretilin gibt der jüngeren Generation keine aktive Stimme“, erklärt Lurdes Bessa. „Sie haben dadurch nicht nur Mitglieder, sondern auch viele Stimmen an uns verloren.“
Fernando de Araujo freut sich über das gute Wahlergebnis seiner PD, dennoch bleibt er nachdenklich an diesem Tag. Er weiß um die vielfältigen Aufgaben und Schwierigkeiten, denen ein unabhängiges Ost-Timor sich gegenüber sieht. „Zunächst einmal haben wir unserer Straße hier einen Namen gegeben“, sagt er lachend: „Wir haben sie Straße der Demokratie getauft.“ <>
Der Artikel erschien in der taz vom 8.09.2001
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