Von Alex Flor
Einhellig wurde der im Juli letzten Jahres vollzogene Machtwechsel in Jakarta als Erfolg des Militärs und der alten politischen Elite der Ära unter Diktator Suharto gewertet. Während Kritiker die Ablösung von Präsident Abdurrahman Wahid durch die bisherige Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri als „kalten Putsch“ verurteilten, zeigte sich das bürgerliche Lager froh darüber, dass der unvermeidliche Regierungswechsel von keinerlei gewaltsamen Zwischenfällen begleitet war.
Megawati Soekarnoputri, die
schweigsame und oft als unpolitisch bezeichnete, aber beim Volk beliebte
Symbolfigur der Reformbewegung, erfüllt in idealer Weise die Rolle
eines demokratischen Deckmäntelchens, hinter dem sich das konsolidierte
Lager der alten Suharto-Kräfte verstecken kann, um wirklichen Reformen
Einhalt zu gebieten. Während Präsident Wahid - wenngleich erfolglos
- immerhin versuchte, das Militär an die Kandare zu nehmen und eine
friedliche Lösung der eskalierenden regionalen Konflikte zu suchen,
steht Megawati für einen streng nationalistischen Kurs, der dem Militär
freie Hand lässt, diese Konflikte auf seine Weise zu „lösen“.
Die Lage in den abtrünnigen Provinzen Aceh und Irian Jaya (Papua)
hatte sich bereits in den Wochen vor dem Machtwechsel extrem verschärft
und verschlechtert sich seit Megawatis Amtsantritt kontinuierlich. Vergeblich
wartete man in Megawatis Antrittsrede, in der sie sich zu „Groß-Indonesien“
bekannte, auf Stichworte wie Demokratisierung und Achtung der Menschenrechte.
Doch der Machtwechsel war
unvermeidlich, nachdem die Regierung Wahid in 20 Monaten keine Erfolge
im Kampf gegen die drängenden Probleme wie schwächelnde Wirtschaft,
zunehmende Verarmung, Schuldenkrise, Separationsbewegungen, regionale Unruhen,
mangelnde Rechtssicherheit u.a. aufweisen konnte. Von Beginn seiner Amtsperiode
an hatte Wahid mit dem Handicap zu kämpfen, sich nur auf seine eigene
12 Prozent-Partei PKB verlassen zu können. Um sich dennoch auf Mehrheiten
stützen zu können, holte er Politiker aller Fraktionen an den
Kabinettstisch seiner „Regierung der nationalen Einheit“ - und machte sich
damit erst recht handlungsunfähig. Wahids Gegner - allen voran der
Präsident der Beratenden Volksversammlung (MPR), Amien Rais, ließen
keine Gelegenheit aus, Wahids Politik zu torpedieren. Die Regierung erwies
sich als schwach und verlor zunehmend an Sympathie. Die wenigen politischen
Entscheidungen, die noch getroffen wurden, waren Einzelentscheidungen des
Präsidenten, oft gegen den Willen der Parlamentsmehrheit und Teile
des Kabinetts, was ihm den Ruf einbrachte, sich als autoritärer Herrscher
zu gebärden. Einst reformfreudige Studenten schlugen sich auf Seiten
seiner Gegner und forderten Wahids Absetzung. Im Volk wuchs die Sehnsucht
nach einer starken Hand und man begann sich nach der „guten alten Zeit“
unter Diktator Suharto zu sehnen, als Reis billig und die Straßen
sicher waren.
Über ein Jahr lang hatten die Gegner Wahids an seinem Stuhl gesägt. Äußere Anlässe waren seine mutmaßliche Verwicklung in zwei Korruptionsskandale, gefolgt von der umstrittenen Entlassung zweier Minister. Für ersteres fanden sich keinerlei Anhaltspunkte um eine Ermittlung einzuleiten, letzteres geriet schlicht in Vergessenheit. Dennoch wurde am Kurs eines Amtsenthebungsverfahrens festgehalten. „Diese beiden Fälle sind nicht mehr der Punkt. Wir werden unsere Position nicht ändern, da wir uns nun mehr auf politische Angelegenheiten wie Führungsqualität und Kompetenz konzentrieren,” erklärte der Abgeordnete Alvin Lie von Amien Rais´ Partei PAN.
Wahid war nicht mehr handlungsfähig und drohte mehrfach mit der Verhängung des Ausnahmezustandes und der Auflösung beider Parlamentskammern. Rais erklärte, umgehend das Amtsenthebungsverfahren durch eine vorgezogene Sondersitzung der MPR zu beschleunigen, falls Wahid diese Drohung wie angekündigt am 20. Juli 2001 wahr machen sollte. Die an jenem Tag verkündete Verschiebung des Ausnahmezustandes hinderte Rais freilich nicht daran, seinen Plan dennoch gleich am nächsten Tag umzusetzen. Die schnell gefundene Begründung für die Sondersitzung war nun die Vereidigung eines umstrittenen neuen Polizeichefs durch Präsident Wahid am Vortag.
Wahid und seine Partei PKB
bezeichneten die Sitzung als „illegal“, da es offenkundig nicht um die
Bewertung der politischen Leistungen Wahids gehe, sondern einzig und allein
darum, ihn um jeden Preis abzusetzen. Wahids Weigerung, sich vor
der MPR zu rechtfertigen, ließ seine Amtsenthebung und
die Wahl Megawatis zur reinen Formsache werden.
Das in letzter Minute doch noch erlassene Dekret zur
Verhängung des Ausnahmezustandes, der Auflösung des Parlamentes
und der ehemaligen Regierungspartei Suhartos, GOLKAR, wurde schlicht ignoriert.
Somit blieb die befürchtete Verfassungskrise, in der sich zwei PräsidentInnen
gegenseitig die Legitimation absprechen, reine Theorie. Mit Ausnahme Wahids
und der PKB beeilten sich alle relevanten Kräfte im In- und Ausland,
Megawati anzuerkennen, um die Lage zu stabilisieren - und damit Unruhen
vorzubeugen. Devisenhändler belohnten Megawatis Wahl mit einem steilen
Anstieg der Rupiah knapp unter die magische Grenze von 10.000 Rp./$ (zuvor
ca. 11.300 Rp./$).
Spannender als die Wahl
Megawatis war die darauf folgende Kür des neuen Vizepräsidenten.
Für dieses Amt standen immerhin mehrere Kandidaten zur Auswahl. Alle
fünf sind Karrierepolitiker, keiner von ihnen ein progressiver Reformer
und alle blicken auf Erfahrungen als Minister unter Suharto, Habibie und
Wahid zurück. Im letzten Wahlgang siegte der konservative Moslempolitiker
und Vorsitzende der Vereinigten Entwicklungspartei (PPP), Hamzah Haz, über
den GOLKAR-Fraktionsvorsitzenden Akbar Tandjung. Wie wenig die Abstimmung
Volkes Wille repräsentierte zeigte der zweite Wahlgang, in dem Susilo
Bambang Yudhoyono ausgeschieden war. In Umfragen eines Fernsehsenders nach
der Beliebtheit der Politiker hatten 30-mal mehr Befragte für Susilo
gestimmt wie für Hamzah Haz und 50-mal so viele wie für Akbar
Tandjung. Am Ende war man immerhin froh über die Niederlage Tandjungs,
da sein Sieg wohl die Gemüter erhitzt hätte, gilt er doch am
offenkundigsten als Repräsentant das alte Suharto-Regimes.
Hamzah Haz sitzt seit 1971
für die ehemalige Blockpartei PPP im Parlament und bekleidete unter
Habibie das Amt des Investitionsministers. Hamzah und seine Partei waren
1999 maßgeblich für die Kampagne verantwortlich, die mit dem
Argument, eine Frau könne nicht Präsidentin eines islamischen
Staates werden, die Präsidentschaft Megawatis ver-hinderte und stattdessen
Wahid ins Amt hievte. Hamzah behauptete nach seiner Wahl, er persönlich
habe diese Ansichten nie geteilt. Dennoch bleibt die Konstellation Megawati/Hamzah
eine Gefahr für die Solidität und Führungskraft der neuen
Regierung.
Nach den monatelangen Schmähungen der Regierung Wahid in den Medien blieb die Begeisterung nach dem Machtwechsel aus. Selbst in Megawatis Hochburgen wie Bali gab es keine Siegesfeiern. Ebenso verhalten blieben die Solidaritätsbekundungen der Wahid-Anhänger, die ihr Idol vom Palast abholten um ihn zum Flughafen zu begleiten. Nachdem er zuvor angekündigt hatte, den Palast nicht zu räumen, flog Wahid zu einem Gesundheitscheck in die USA und versuchte so sein Gesicht zu wahren.
Die relative Ruhe in der Bevölkerung ist jedoch nicht wie Kommentatoren glauben, Beweis für den hohen Grad an Demokratie und Verfassungskonformität dieses Machtwechsels, sondern vielmehr Ausdruck der zunehmenden Politikverdrossenheit. Die kleinen Leute glauben nicht mehr daran, dass die politischen Ränkespiele der Elite irgend etwas mit ihnen zu tun haben könnten. <>
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