Indonesien-Information Februar 1993 (Abschiebung)

 

Nur eine "Begegnungsgemeinschaft"

 

Indonesierin und ihrem kleinen deutsch-indonesischen Sohn droht Abschiebung


Berlin. Der Innensenator von Berlin, Dieter Heckelmann (CDU), hat seltsame Vorstellungen von dem, was eine Familie ist. Ein Mann, eine Frau und ein Kind sind nur als solche zu definieren, wenn sie auch immer an einem gemeinsamen Tisch in derselben Wohnung sitzen. Nun wäre es unerheblich, wie Heckelmann eine Familie definiert, wenn dies nicht manchmal brutale Konsequenzen hätte. Das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigte am 12. November dieses Jahres die Rechtsansicht der Heckelmann unterstehenden Ausländerbehörde, eine nicht zusammenlebende Familie nur als "Begegnungsgemeinschaft" zu begreifen. Die Folge dieser Entscheidung ist, daß zwei Personen die Abschiebung aus Deutschland droht.

Nach Südostasien expediert werden soll jetzt die 39jährige indonesische Staatsbürgerin Marina S. und ihr in Berlin geborener zweieinhalbjähriger Sohn Dennis. Nach Auskunft des Rechtsanwaltes Peter Meyer lebt die Mutter seit fast zwanzig Jahren, nämlich seit 1974, ununterbrochen in Berlin. Hier studierte sie an der Technischen Universität Architektur, begann ihre Promotion und arbeitete als Architektin in der öffentlichen Altbausanierung. Am 11. Juni 1990 gebar sie ihren Sohn.

Ihr Freund und Vater des Kindes besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und ist Arzt in Berlin. Seit der Geburt des Kindes leben die Eltern in einem eheähnlichen Verhältnis, jedoch mit getrennten Wohnsitzen, weil beide Wohnungen zu klein für eine ganze Familie sind. Mal wohnt er bei ihr, mal sie bei ihm. Für Tausende von Berliner Paaren ist dies seit Jahren eine völlig normale Beziehungs- und Lebensform, da es auf dem Berliner Wohnungsmarkt oft hoffnungslos ist, eine größere Wohnung zu ergattern.

Nicht jedoch für die Senatsverwaltung für Inneres. Sie lehnte eine Aufenthaltserlaubnis für Mutter und Kind ab, weil dies keine familiäre Lebensgemeinschaft sei. Das heißt also: Die Familie darf auseinandergerissen werden.

Gegen diese Entscheidung legte der Rechtsanwalt beim Verwaltungsgericht Widerspruch ein. Mit Erfolg. Am 25. August 1992 entschied die erste Instanz, daß Marina und Dennis S. eine Vater- Kind-Mutter Beziehung leben und daher einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hätten.

Die Ausländerbehörde wiederum wollte sich diesem Richterspruch nicht beugen. Unverzüglich zog sie vor die nächste Instanz und legte beim Oberverwaltungsgericht Beschwerde ein. Und die entschied am 12. November gegen Marina S. und den deutsch-indonesischen Dennis. Was es für ein Kind bedeutet, einen Vater zu verlieren und für den Vater ein Kind, das übersteigt offenbar, so Anwalt Meyer, das "Vorstellungsvermögen des Innensenators". aku
 

taz, 11.12.1992
 
 

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