In den beiden ersten Instanzen vor Gericht haben sie den Prozeß verloren. Aber vor dem Obersten Gericht (Mahkamah Agung) hatten sie Erfolg. Dennoch läßt die Gerechtigkeit weiter auf sich warten, denn der neue Präsident am Obersten Gerichtshof hob das Urteil wieder auf. Diese Nachricht stimmte Mbah Wito und seine Freunde natürlich sehr traurig.
Gegenüber einem Journalisten der Zeitschrift Forum Keadilan, mit dem er sich mehrmals in seiner Hütte traf, erzählte Mbah Wito:
Als das Oberste Gericht unseren Forderungen gegenüber der Regierung zum Sieg verhalf, habe ich an den Spruch gedacht, "die Gerechtigkeit wird kommen, wie schwierig es auch sein mag." Wir hörten, daß wir eine Abfindung in Höhe von 14 Milliarden Rupiah (DM 1 mio) bekommen sollten, eine Summe, die ich mir nicht einmal im Traum vorstellen kann.
Dies alles kann aber die Opfer, die wir bringen mußten, in Wirklichkeit nicht ersetzen: den Verlust unseres Landes, unseres Viehs, die Grabstätten unserer Vorfahren sowie -das allerwichtigste- unser Selbstwertgefühl und vor allem das Leben einiger unserer Freunde. Vierzehn unserer Freunde mußten sterben. Vor allem einer von ihnen war verzweifelt und hatte den Verstand verloren, bevor er starb.
Leider ging unsere schöne Hoffnung verloren. Unser Sieg wurde wieder zunichtegemacht. Obwohl, wie ich von den Studenten, die uns besuchen, höre, der Oberste Gerichtshof das höchste Organ in diesem Land sei. Aber weil er das höchste Organ ist, darf er ohne weiteres Gerechtigkeit verteilen und die verteilte Gerechtigkeit wieder zurücknehmen. Als Menschen sind wir natürlich tief verletzt durch die Entscheidung des Obersten Gerichts, mit der unser Sieg wieder aufgehoben wurde. Aber diese Entscheidung ist nicht überraschend. Wir kennen solche Manipulationen zur Genüge. Sogar unser alltägliches Leben in den sechs Jahren war voll von Verrat und Betrug wie diesem.
Begonnen hat es, als die Regierung uns zwang, unsere Dörfer zu verlassen, die wir seit Generationen bewohnten. Wir waren bereit, aber unsere Bereitschaft wurde nicht geschätzt, obwohl die Entscheidung des Umzuges nicht unsere war, sondern die der Regierung. Unser Land wurde mit nur 250 bis 500 Rupiah pro Quadratmeter bewertet. Unsere Landfläche wurde manipulativ verkleinert und entsprach nicht der tatsächlichen Fläche. Die Landvermessung wurde ohne vorherige Absprache durchgeführt. Hauptsache, es ging nach ihrer Willkür. Außerdem wurden unsere Häuser und Pflanzen nicht gewertet, vor allem nicht die Gräber unserer Vorfahren.
Wir waren gezwungen, die Abfindung für unser Land in Höhe von 250 bis 500 Rupiah zu akzeptieren, 2 obwohl der Erlaß des Gouverneurs vorher 3.000 Rupiah/m festgelegt hatte. Aber die Zuständigen sagten, das sei ein Tippfehler. Wir protestierten weiter, aber die Regierung war gleichgültig.
Wir wurden sogar vertrieben, als ob das Land nicht unser Land gewesen wäre. Das war so ähnlich, wie wenn Menschen Tiere verscheuchen. Beim Kampf um unsere Rechte wurden wir von Studenten, NGOs und Journalisten unterstützt. Aber dafür hat uns die Regierung "Pak Bakori" geschickt (Pak steht für Bapak, Vater oder Herr, und Bakori ist die Abkürzung von Badan Koordinasi Intelijen, Koordinationsorgan der Geheimdienste; d.red.) In Zivil verkleidet paßten sie Tag und Nacht auf uns auf. Wir wurden wie Kriminelle behandelt, obwohl wir nur unser eigenes Land und unser Haus bewohnten.
Was uns tief kränkte, war die Tatsache, daß "Pak Bakori" früher von uns, dem kleinen Volk, lebte. Während des Befreiungskrieges damals gegen die Holländer haben doch wir sie ernährt - und eine öffentliche Küche eingerichtet. Wir waren sogar ihre Verbündeten, die ihnen halfen. Mein älterer Bruder Tarno war wegen dieser Hilfe in Ambarawa gestorben.
Als der Bapak Präsident von unseren Problemen erfuhr, forderte er öftermal dazu auf, die Probleme durch Musyawarah (Beratung) zu klären. Aber sein Rat wurde nicht befolgt. Was "Musyawarah" bedeutete: wir durften nur zuhören und einverstanden sein mit der Entscheidung der Projektleute über die Abfindung. Eine andere Meinung vertreten durften wir nicht. Gegen das Ergebnis des "Musyawarah" zu sein, bedeutete gegen die Regierung zu sein. Die Konsequenzen lauteten: drei Monate Gefängnisstrafe und Geldbuße in Höhe von 10.000 Rupiah. Wenn wir weiter dagegen blieben, wurden wir als PKI (Kommunistische Partei Indonesiens) abgestempelt. Während der "Musyawarah" im Beisein von "Pak Bakoris" Augen war unser Leben wie in der Zeit unter den Japanern. In unseren Dörfern, die früher sicher und ruhig waren, war es jetzt durch die Anwesenheit der Projektleute und "Pak Bakori" bedrückend.
Weil wir Angst hatten, alleine zu sein, versuchten wir, uns in der Gruppe zusammenzutun. Aber dann wurden wir verdächtigt, geheime Sitzungen zu veranstalten, die die nationale Sicherheit gefährdeten. In Wirklichkeit wurde unser Leben immer durch die Anwesenheit von Projektmenschen und "Pak Bakori" bedroht. Durch die verschiedenen Einschüchterungen haben viele unserer Freunde - 5.000 Familien - kapituliert. Unter dem beängstigenden Klima haben viele das Abfindungsgeld (uang ganti rugi) nehmen müssen - in Wirklichkeit war es "uang rugi" (Verlustgeld) - und versuchten weiter zu kämpfen, dem Wasserpegel des Dammes folgend. Viele waren bereit, in die von der Regierung bestimmten Gebiete umzuziehen oder im Rahmen der Transmigration nach Sumatra umzusiedeln.
Unsere Gruppe, 79 Familien von Kedungpiring, versuchte, hier zu bleiben. Wir haben alle Regierungsangebote abgelehnt: "Uang rugi" (Verlustgeld), Umzug in das neue Gebiet oder Transmigration. Wir versuchten gegen die Projektleute zu kämpfen, die immer gewinnen wollen. Wir werden nicht kapitulieren gegen diese Ungerechtigkeit. Wir mußten uns nur zurückziehen, weil wir vom Wasserspiegel verjagt wurden, der täglich weiter anstieg, bis wir schließlich hier in Kedungpiring gelandet sind.
Täglich wackeln unsere Häuser im Wind. Täglich leiden wir unter den Einschüchterungen und Beleidigungen der Projektleute und "Pak Bakori". Einer hat sogar gesagt, daß wir "selbst wenn wir bis zum Himmel kämpfen, keinen Erfolg haben werden". Ein anderer sagte, "wenn ihr die Regierung besiegt, dann schneide mein Ohr ab." Wir sind fast am Ende. Während unseres Kampfes hier, sind 14 unsere Freunde in Traurigkeit gestorben. Ich bin jetzt kränklich geworden. Meine Brust tut immer weh. Vielleicht kommt meine Zeit bald. Wenn wir in dieser Atmosphäre dennoch überleben und normal leben können, ist das alles Gottes Segen.
Jetzt besitzen wir gar nichts mehr. Obwohl das Oberste Gericht unseren Sieg aufgehoben hat, werden wir hier bleiben. Unser Gefühl sagt uns, daß wir nochmals besiegt werden. Die Zeichen sind deutlich. Als wir uns um die Papiere für unser Land kümmerten, wollte keiner der Notare in Mittel-Java uns bedienen. Sie werden von der Provinzregierung Mittel-Javas gewarnt. Die Konsequenz ist, daß LBH Semarang (Institut für Rechtshilfe) sich um alle benötigten Papiere in Jakarta kümmert.
Wie es auch sein mag, wegen unserer "vorläufige Niederlage" werden wir keinen Schritt weichen. Wir werden hier bleiben und weiter kämpfen, weil wir fest überzeugt sind, daß sich bei der anderen Seite einiges nicht in Ordnung befindet. Für das was recht ist, bleiben wir. Ich glaube fest an die Erzählungen meines Großvaters, daß solche Ereignisse wie dieses von der Geschichte bestimmt sind. Früher wurden unsere Vorfahren in Kedung Ombo immer beraubt. Aber später gewannen ihre Nachfahren. Wir bauten dann Häuser, legten die Naß- und Trockenreisfelder an, und lebten in Ruhe. Aber jetzt werden wir erneut beraubt, wurden sogar von unseren Häusern vertrieben.
Wir verlieren, unsere Kinder verlieren auch. Sollen sie uns weiter betrügen. Ich bin fest davon überzeugt, daß unsere Enkelkinder gewinnen werden. Das Schicksal hat schon bestimmt, daß "die Gerechtigkeitskönigin (Ratu Adil) kommen wird".
/"Mbah Wito: Ratu Adil Pasti Datang", Forum Keadilan, 24.11.94/ <>
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