Während der beiden Konferenzen gaben Fachleute aus aller Welt einen Überblick über die Entwicklung in Ost-Timor und die heutige Situation. So sprach Professor Roger Clark von der Rudgers Law School/USA über das Recht des ost-timoresischen Volkes auf Selbstbestimmung. Dr. Gilmar Mendez aus Brasilien, Mitglied der Verfassungskommission, sowie Renato Constantino Jr. von den Philippinen, Vertreter des Asien-Pazifik-Kommittees zu Ost-Timor (APCET), referierten über die internationalen und regionalen Reaktionen auf die Besetzung Ost-Timors. Dr. Ariffin Omar aus Malaysia berichtete über das Thema aus der Perspektive der malaysischen Regierung. Christine Chinkin, Professorin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Southhampton und Mitglied der Internationalen Platform von Juristen für Ost-Timor (IPJET), setzte sich mit den europäischen Reaktionen auf die Invasion Ost-Timors auseinander. Sie ging dabei auch auf die Rolle der westlichen Medien ein, die in der Vergangenheit über Ost-Timor nur sehr spärlich berichteten und verwies hierbei auch auf die Filmdokumentation von Noam Chomsky, die das Verhalten der Medien eindrucksvoll darlegt (s. Indonesien-Information, Sep. 93). Die Reaktionen der europäischen Länder, insbesondere in Folge des Massakers von Dili, sowie die Waffenlieferungen an Indonesien bildeten den Hauptteil dieses Vortrages.
Während der Konferenz in Iserlohn legte Rainer Kahrs, Journalist und Mitarbeiter der BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport", eine detaillierte Auflistung der deutschen Waffenexporte nach Indonesien vor. Interessant ist hierbei, daß Indonesien bezüglich Waffenlieferungen der wichtigste Partner Deutschlands ist. Neben den tatsächlichen Exporten von Rüstungsgütern darf man auch nicht vergessen, daß Indonesien seit vielen Jahren Rüstungsgüter wie zum Beispiel das Gewehr G3 und den Hubschrauber BO 105 in Lizenz produziert - Waffen und Waffensysteme, die, da sie in Indonesien produziert werden, in keiner deutschen Exportbilanz auftauchen. Klemens Ludwig, Journalist und langjähriger Mitarbeiter der Gesellschaft für bedrohte Völker, gab einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung in Ost-Timor von der vorkolonialen Epoche bis heute. Daß eine grundlegende Änderung der politischen Situation in Indonesien Grundlage für das Recht auf Selbstbestimmung ist, wurde nicht nur bei diesem Vortrag deutlich.
Einen leidenschaftlichen und herzergreifenden Vortrag hielt die nordirische Friedensnobelpreisträgerin Mairead McGuire während der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz in Porto. Ihre Erläuterungen zur positiven Entwicklung der politischen Situation in Nordirland, die vor kurzem noch für festgefahren und aussichtslos gehalten wurde und jüngst eine so überraschende Wende erfuhr, werfen die Frage auf, weshalb eine solche plötzliche Wende nicht auch in Ost-Timor möglich sein sollte. Für ihre Rede, während der Frau McGuire Mühe hatte, ihre Tränen zu unterdrücken, erntete sie minutenlangen Beifall der KonferenzteilnehmerInnen. Arnold Cohen berichtete über die Arbeit der Christian Conference in den USA. Er sagte, die amerikanischen Bischöfe haben erklärt, sie wollen sich intensiver für Ost-Timor einsetzen. Vordergründig seien hierbei das Recht auf Religionsfreiheit, die Verletzungen der Menschenrechte sowie die Störungen der Gottesdienste, die in jüngster Zeit stark zunahmen.
Die Exil-Timoresen Jose Ramos Horta, UN-Repräsentant der CNRM und Jose Antonio Amorim Dias, europäischer Sprecher der CNRM, gaben einen Einblick in den derzeitigen Stand der Verhandlungen mit VertreterInnen der portugiesischen und indonesischen Regierungen unter UN-Aufsicht sowie über die Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor. Dabei erläuterte Ramos Horta ausführlich die einzelnen Schritte des CNRM-Friedensplanes. Vorbedingung für weitere Verhandlungen sei jedoch die Freilassung Xanana Gusmaos. Die Phase 1 des Friedensplanes sieht die vollständige Demilitarisierung Ost-Timors vor, worauf in Phase 2 die Autonomie Ost-Timors folgt. Das bedeutet freien Zugang von Nichtregierungsorganisationen (NROs), eine timoresische Volksversammlung sowie freie Wahlen unter UN-Aufsicht. Phase 3 schließlich führt zur Selbstbestimmung Ost-Timors.
Die Vertreter von Fretilin, Mari Alkatiri, und UDT, Zacarias da Costa, forderten die europäischen Länder auf, endlich Druck auf Indonesien auszuüben. Gerade jetzt, nachdem die USA aufgrund des Massakers vom 12. November 1991 ihre Waffenlieferungen an Indonesien einschränkten, sucht Indonesien verstärkt nach Ersatzlieferanten in Europa. Daß Indonesien hierbei sehr erfolgreich war und ist, zeigen die englischen Lieferungen von Hawk-Kampfflugzeugen, die deutschen Lieferungen von NVA-Kriegsschiffen sowie Verträge über die Lieferung von U-Booten und die Ausbildung von indonesischen Marinesoldaten sehr eindrucksvoll.
Pedro Pinto Leite, Vorsitzender von IPJET, sowie Professor Clark wiesen mit Nachdruck auf das für 1995 erwartete Urteil des Timor-Gap-Abkommens zwischen Indonesien und Australien hin. Dieses Abkommen regelt die gemeinsame Ausbeutung der ost-timoresischen Ölfelder durch Australien und Indonesien und wurde von Portugal vor den internationalen Gerichtshof gebracht.
Liem Soei Liong von tapol, London, gab eine Übersicht über die aktuelle politische Situation in Indonesien. Seine Ausführungen wurden von Vertretern verschiedener indonesischer NRO's ergänzt, die unter nicht unerheblichem Risiko an den beiden Konferenzen in Deutschland und Portugal teilnahmen. Ihre Ausführungen über die aktuelle Situation der Demokratiebewegung in Indonesien und die erschwerten Bedingungen ihrer Arbeit waren sehr interessant. Rachland Nashidik, Vorsitzender des Zentrums für Information und Aktionsnetzwerk für eine demokratische Reform (PIJAR) sprach im Namen der indonesischen Delegation, die neben ihm durch Saleh Abdullah von der Indonesischen Front für die Wahrung der Menschenrechte (INFIGHT), Agus Edi Santoso vom Zentrum für Information und Erziehung zu Menschenrechten (PIPHAM), Raziku Amin von der Stiftung für Menschenrechte (LEKHAT) sowie Dr. George Aditjondro, Dozent an der Satya Wacana Universität in Salatiga vertreten war. Er hob hervor, daß in diesen Tagen, zum ersten mal seit der indonesischen Invasion Ost-Timors im Dezember 1975, Verhandlungen zwischen Indonesiens Außenminister Ali Alatas und Vertretern des ost-timoresischen Widerstandes stattfänden. Dies sei zwar nur ein kleiner, jedoch sehr bedeutender Schritt. Rachland Nashidik zieht unter anderem auch die Entwicklung in Nordirland als einen ermutigenden Vergleich heran und äußerte seine Hoffnung, daß die Verhandlungen zwischen den Vertretern Indonesiens und Ost-Timors in dieselbe Richtung gehen würden. Das Recht auf Selbstbestimmung des ost-timoresischen Volkes sei unmittelbar mit der demokratischen Entwicklung in Indonesien verknüpft (und umgekehrt), betonte er. Dies sei auch der Grund, weshalb Ost-Timor im politischen Programm der Demokratiebewegung Indonesiens eine Hauptrolle spiele. Durch die Berichte der indonesischen Delegierten erhielten die KonferenzteilnehmerInnen einen interessanten Eindruck von der Arbeit der indonesischen NGOs und der damit verbundenen Schwierigkeiten und Probleme. Durch die von der Regierung geplanten Verschärfung der Zulassung von NROs und die zwangsweise Offenlegung ihrer finanziellen Mittel droht den NRO's das Ende ihrer Arbeit. Saleh Abdullah beendete seinen Vortrag, indem er seinen philippinischen Kollegen Renato Constantino Jr. zitierte: "Es ist Zeit, diesen Krieg zu gewinnen".
Einen sehr umfassenden Einblick in die Auswirkungen der indonesischen Invasion und Besetzung Ost-Timors gab George Aditjondro von der Satya Wacana Universität in Salatiga/Zentraljava. In Porto gab Aditjontro in Form einer Vorlesung an der dortigen Universität weitere Erläuterungen zum Thema.
Neben den gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Veränderungen, die mit der Besetzung einhergingen, ging Aditjondro insbesondere auch auf die ökologischen Einflüsse der Besetzung ein. Nähere Information dazu enthält Aditjondros neues Buch "In the Shadow of Mount Ramelau", erschienen bei INDOC, Leiden/Niederlande (erhältlich bei Watch Indonesia! für DM 22.- incl. Versand). Weitere Vorlesungen an anderen Universitäten konnten nicht mehr stattfinden, da George Aditjondro erfahren hatte, daß die indonesische Polizei ihn zum Verhör in Yogyakarta vorgeladen hatte. Er beschloß, der Ladung Folge zu leisten und unverzüglich nach Indonesien zurückzukehren. George Aditjondro wurde nach seiner Rückkehr mehrmals von der Polizei verhört, darüber hinaus erfolgten bisher aber keine weiteren Repressalien.
Der Organisator der Konferenz in Portugal, Professor Antonio Barbedo de Magalhes hob nochmals besonders den Mut unserer indonesischen Freunde hervor, die erklärten, daß sie nach ihrer Rückkehr ihre Arbeit für eine Demokratisierung der indonesischen Gesellschaft fortführen werden. Es ist zu hoffen, daß unseren indonesischen Freunden nach ihrer Rückkehr nach Indonesien keine Repressalien drohen und daß sie ihre Arbeit erfolgreich fortführen können. Mulyana Kusumah, ein NGO-Vertreter (LBH), der an den beiden Konferenzen teilnehmen wollte, wurde vor seiner Abreise verhaftet, nachdem seine Familie bereits im Vorfeld terrorisiert worden war.
Schließlich gab es während der beiden Konferenzen Berichte
über Solidaritätsarbeit für Osttimor aus allen Teilen der
Erde. Im Vordergrund standen hierbei die mögliche Koordination von
Aktivitäten generell und insbesondere für das nächste Jahr,
in dem Indonesien zwei große Jubiläen feiern möchte: 50
Jahre indonesische Staatsgründung und 30 Jahre Suharto-Regierung.
Unsere Aufgabe ist es, das 3. Jubiläum, welches Indonesien gerne verschweigen
möchte, in aller Munde zu bringen: 20 Jahre Völkermord in Osttimor!
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