aus taz vom 12.06.1992
Berlin (taz) - Noch wackelt General Suhartos Stuhl nicht, aber es
knirscht im Gebälk. Zwar haben rund zwei Drittel der 108 Millionen
Wahlberechtigten ihre Stimme der regierenden Partei Golkar gegeben. Doch
die Auszählung von rund 90 Prozent der am Dienstag abgegebenen
Stimmen zeigt ein paar Prozentpunkte Verlust für Golkar, die
die beiden nur in Städten organisierten Oppositionsparteien
als leichte Gewinne verbuchen.
Präsident Suhartos fünfte fünfjährige Amtsperiode endet im März 1993. Bislang konnte er sich auf die Loyalität der Abgeordneten seiner Partei und vor allem der von ihm selbst ernannten Parlamentarier verlassen, die ihn im kommenden Jahr wieder wählen sollen. Doch zum ersten Mal seit seiner Machtübernahme 1965 sind Zweifel an seinem politischen Überleben wachgeworden. Das bislang eher tabuisierte Thema einer Nachfolgeregelung, dessen Erörterung bislang als Kritik an bestehenden Verhältnissen verstanden wurde, wird nun immer offener diskutiert.
Seit längerem ist die Ära Suharto von einem sich ausbreitenden Nepotismus gekennzeichnet. Auf der Grundlage des Familienprinzips, so legt es die indonesische Verfassung im Abschnitt XIV Paragraph 33 fest, soll die Wirtschaft des Landes funktionieren. Präsident Suharto hat diesen Paragraphen wörtlich verstanden, quasi als Aufforderung. Seine sechs Kinder, Cousins und Schwiegersöhne besetzen als Mittelsmänner und -frauen viele Schlüsselpositionen im indonesischen Wirtschaftsleben.
Ob es sich um Erdöl, Reis, Nelken oder Telekommunikation handelt - kein größeres Abkommen wird ohne Beteiligung des sogenannten "Toshiba-Clans" abgeschlossen. In Indonesien ist dieses Wort ein Akronym, zusammengesetzt aus den Anfangssilben von Suhartos Kindern Tommy, Siti, Sigit und Bambang.
Da ist zum Beispiel das Nelkenmonopol vom zweitjüngsten Sohn des Präsidenten, Hutomo (Tommy) Mandala Putra, das Proteststürme bei Bauern und der Zigarettenindustrie verursacht hat. Die Gewürznelken sind ein unverzichtbarer Bestandteil der vielgerauchten "Kretek"-Zigaretten und damit ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Früher konnten die Bauern ihre Nelken zu Marktpreisen verkaufen. Ende 1990 schuf Tommy ein Handelsmonopol, an dessen Spitze er sich setzte.
Seitdem kontrolliert er die Nelkenpreise und die Vermarktung. Unter dem Vorwand, ihnen zu höheren Preisen zu verhelfen, zwang er die Bauern, einen Teil ihrer Ernte zu vernichten. Die Industrie durfte fortan nur noch bei Tommy Nelken erwerben.
Neben Tommy sind Schwester Siti Hardjanti Hastuti (Tutut) und Bruder Bambang Trihatmodjo die Familienmitglieder mit dem ausschweifendsten Geschäftsgebaren, das in jüngster Zeit selbst in höchsten Regierungskreisen Anlaß zur Kritik gab. Vorgehalten wird der Suharto- Familie, durch ihre wirtschaftlichen Machenschaften die staatlichen Bemühungen um mehr ökonomische Stabilität zu gefährden.
1965 putschte sich Suharto nach dem Versuch eines angeblich kommunistischen Staatsstreiches an die Macht. Seine Herrschaft begann mit einer beispiellosen Verfolgung von "Kommunisten", bei der mindestens eine halbe Million Menschen ums Leben kamen. Die Erinnerung an diese Massaker verstanden Suharto und die indonesische Armee durch brutale Morde an Oppositionellen, durch Folter und Repressionen bis heute wachzuhalten. So herrscht seit Jahren eine demokratiefeindliche Friedhofsruhe im Land, die allerdings auf ausländische Firmen gar nicht so abschreckend wirkt. Die Verhältnisse gelten als "stabil" und das Klima als "investitionsfreundlich".
Im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger Sukarno, der Indonesien vor einer zu großen ökonomischen Abhängigkeit von den Industrienationen bewahren wollte, begann mit Suhartos "neuer Ordnung" die kapitalistische Öffnung des Landes. Die vielen Banken und Shopping- Centren in der Hauptstadt Jakarta künden vom ernormen wirtschaftlichen Wachstum Indonesiens.
Doch der Architekt des Fortschritts wird jetzt von seinem eigenen Werk
bedroht, denn Suhartos feudaler Regierungsstil macht den Präsidenten
zu einem indonesischen King Kong in der Wallstreet von Jakarta, der
blind ist für die Kritik an dem Schaden, den die Wirtschaft
durch die Habgier seiner Kinder bereits genommen hat.
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