Die Planung muß offengelegt werden, da öffentliche Belange
berührt werden. Sie darf nicht verheimlicht oder hinter verschlossenen
Türen durchgeführt werden, wie zur Zeit, "obwohl es für
die Bevölkerung, auch wenn sie Bescheid wüßte, keine Möglichkeit
gäbe, an dem Gift-Gelände vorbeizukommen." So waren im Februar
1992 die Parlamentarier Tadjoeddin Noer Said und Zulkifly in Jakarta zu
vernehmen. Ihre Kritik richtete sich gegen die Art und Weise, wie die Regierung
selbstherrlich und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung die Planung einer
"Entsorgungs"-Anlage für Sondermüll in Cibinong (Desa Nambo)
bei Bogor durchführte. Es sei nicht klar, ob die Regierung sich bei
dem Vorhaben an ihre eigene Umweltgesetzgebung gehalten hat. Beispielsweise
wisse man nicht, ob für die Anlage bereits eine Umweltverträglichkeitsprüfung
(AMDAL) durchgeführt worden sei, wie sie seitens der Regierung für
alle "normalen" Industriebetriebe gefordert wird.
Folgerichtig forderten die beiden Kritiker, den Planungsprozeß erneut aufzurollen - unter Berücksichtigung demokratischer Prinzipien wie etwa dem Mitspracherecht der betroffenen Anwohner.
Tadjoeddin und Zulkifly sind allerdings keineswegs den Reihen engagierter Umweltschützer zuzurechnen. Aus ihren weiteren Ausführungen wird deutlich, daß sie gegen eine Sondermülldeponie auf einer unbewohnten einsamen Insel des Archipels keine Einwände hätten. [Pikiran Rakyat, 22.2.1991]
Ohne Zweifel stellt die geplante Anlage inmitten einer dicht besiedelten Gegend eine Umweltgefährdung ersten Ranges dar. Die Alternative "Weit weg" ist aber allein noch keine umweltfreundliche Lösung, von ökonomischen Aspekten einmal ganz abgesehen (Transportwege!). In der Tat ist es schwierig, in einem riesigen Land wie Indonesien einen geeigneten Standort für eine Sondermüll-Anlage zu finden. Die Zerstörung der Biosphäre einer bislang unberührten Insel wäre nur die kurzfristig offensichtlichste Auswirkung eines solchen Ausweich-Standortes. Fraglich ist in jedem Einzelfall, ob ein Standort z.B. aus geologischer und hydrogeologischer Sicht geeignet ist. Durchlässige Bodenschichten, hohe Grundwasserstände, extremer Wasserreichtum oder vulkanische bzw. tektonische Aktivität werden fast überall in Indonesien zum Problem, wenn man einen Ort sucht, der idealerweise auf Ewigkeit sicher sein sollte.
Allein schon aus diesem Grund stellt auch die Kernenergie in Indonesien ein ungleich größeres Risiko dar als in vielen anderen Ländern. Eine Endlagerung von radioaktiven Abfällen, die den internationalen Sicherheitsstandards entspricht, ist in Indonesien an keinem Ort ernsthaft vorstellbar. Dennoch erhält die Regierung bislang ihr Kernenergieprogramm aufrecht. Tschernobyl war eben auch "weit weg".
Im Gegensatz zu radioaktiven Abfällen läßt sich das Anfallen von Sondermüll selbst bei größtmöglichem Bemühen einer Regierung nicht vermeiden, sondern bestenfalls vermindern. In einem Land, dessen Industrialisierung gerade erst am Anfang steht, ist selbst letzteres eher illusorisch. Die Petro- und petrochemische Industrie, Indonesiens nach wie vor größter Devisenbringer, produziert täglich umweltgefährdende Reststoffe, die bislang nicht verwertet werden können. Nummer 2 auf der Export-Hitliste sind seit geraumer Zeit Textilien. Bei deren Produktion und Veredelung fallen ebenfalls Restchemikalien an, die bislang größtenteils ins Abwasser gespült werden. Ähnlich verhält es sich mit der Chemieindustrie. In Jabotabek unterhält die gesamte internationale Chemie- und Pharma-Elite Produktionsstätten: Bayer, Hoechst, Henkel, ICI, Rhone Poulenc, Sandoz und andere sowie eine Reihe einheimischer Unternehmen. Hier werden Arzneimittel, Industriechemikalien und Kunststoffe hergestellt, aber auch enorme Mengen an Kunstdünger und Pestiziden, wie sie die moderne indonesische Landwirtschaft nach der "Grünen Revolution" benötigt. An Pestiziden werden in Indonesien nach wie vor auch die schärfsten Kaliber gehandelt.
Die genannten Industriebereiche stellen nur einen kleinen Ausschnitt des gesamten industriellen Sektors in Indonesien dar. Sie alle produzieren, ohne daß es bislang eine Möglichkeit gegeben hätte, Sondermüll geordnet loszuwerden. Lediglich in Cibinong wurde auf dem Gelände eines Zementwerkes schon mal ein Zwischenlager eingerichtet, um die Zeit bis zum Bau der "Entsorgungs"-Anlage zu überbrücken. Es bleibt den LeserInnen überlassen, sich auszumalen, wo die restlichen giftigen Chemikalien einstweilen geblieben sind.
Anstrengungen seitens der Regierung, der Industrie gewisse Umweltschutzmaßnahmen aufzuerlegen, konzentrieren sich derzeit auf die Abwasserproblematik. Ein eigens dazu aufgestelltes Regierungsprogramm PROKASIH (Program Kali Bersih) sieht vor, in wenigen Jahren für Hunderte von Industriebetrieben an den am meisten verschmutzten Flüssen Kläranlagen zu bauen. Für die daraus anfallenden zum Teil hochbelasteten Klärschlämme fehlt bislang ebenfalls jegliche "Entsorgungs"-möglichkeit. Die geplante Sondermüll-"Entsorgung" in Cibinong wird wohl den extrem giftigen Produktionsabfällen vorbehalten bleiben und kann nicht zur Entschärfung der Klärschlammproblematik beitragen. Ähnliches ist für Filterstäube aus Kraftwerken und Zementwerken zu besorgen, soweit dort funktionierende Filter existieren.
Die prekäre Lage in Indonesien stört einige Industrieländer nicht in ihrem Ansinnen, auf Kosten Indonesiens den eigenen Sondermüllnotstand zu beheben. Ein Gesandter Australiens äußerte offiziell den Wunsch, eine der 17.000 indonesichen Inseln zu kaufen, um dort Sondermüll endzulagern. Umweltminister Emil Salim wies dieses Ansinnen barsch zurück: "Australien ist doch groß, warum wirfst du deinen Müll nicht dort hin?" Antwort: "It's dangerous for my country." [Prospek No. 39, 8.7.1991]
Selbst wenn man der Standhaftigkeit Emil Salims Glauben schenken darf, ist nicht ausgeschlossen, daß der Giftmüll der Industrieländer nach Indonesien gelangt. Getarnt als "Wirtschaftsgut" findet er seinen Weg notfalls auch an den augen des Umweltministers vorbei. Greenpeace-Experte Manfred Krautter hat jedenfalls Informationen, wonach PVC-Müll aus Deutschland unter anderem auch in Indonesien aufgetaucht ist. [taz, 2.6.1992]
In jedem Fall sind die Mengen an "hausgemachtem" Sondermüll groß genug, um auch ohne zusätzliche Annahme illegal verschobenen Mülls, den Bau einer Sondermüll-"Entsorgungs"-Anlage zu rechtfertigen. Die Regierung erkannte das Problem als so dringlich, daß sie die Planung der Anlage als Pilotprojekt selbst in die Hand nahm. Unschön, daß gerade bei einem Pilotprojekt von undemokratischen Planungs- und Genehmigungsverfahren die Rede sein mußte. Unschön aber auch, daß sich zunächst angeblich kein Investor fand, der die Anlage übernehmen und betreiben wollte.
Nachdem sich inzwischen wohl auch unter Indonesiens Unternehmern herumgesprochen hat, wie leicht man aus Müll Geld machen kann - was die Scavengers auf Jakartas Müllhalden längst erkannt haben, nur leider fehlt ihnen das nötige Anfangskapital - fand sich nun im Mai 1992 doch noch ein Betreiber. Es handelt sich um PT Bimantara Citra, der Super-Holding von Präsidenten- Sohn Bambang Suharto. Zu 70 % ist die US-Firma Waste Management International beteiligt, die das technische Know-How einbringen wird. Die Gesamtinvestition soll sich auf 100 mio US$ belaufen.
Vielleicht waren es gerade diese hohen Investitionskosten, die das Geschäft mit dem Müll für Bimantara interessant machten. Die Höhe der Kosten ist bedingt durch die teure Technologie, die nur in einer zentralen Großanlage realisiert werden kann, ohne daß die Behandlungskosten pro Einheit Sondermüll in die Höhe schießen. Daher war die Anlage von Anfang an als zentrale "Entsorgungs"einrichtung für ganz West-Java und Jakarta geplant. EDITOR nennt dies treffend ein "natürliches Monopol". Monopol? Das hört ein Suharto-Sohn gerne... und investiert. [EDITOR, No. 36, 23.5.1992]
Die Behandlungskosten pro Einheit Sondermüll werden von Bimantara
mit der Regierung ausgehandelt werden. Eine Verordnung, die die Industrie
dazu verpflichtet, ihren Sondermüll nach Cibinong abzugeben wird wohl
folgen - Papa wird's schon richten.
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