von Deny Tjakra-Adisurya
Vor dem Hochwasser
Jakartas Provinzregierung zeigte noch nie viel Enthusiasmus, über die Gefahren von Überflutungen zu informieren, die sich jahrein jahraus wiederholen. Eigentlich hätte die Regierung bereits im Vorfeld des diesjährigen Hochwassers einen weitsichtigen Plan zur Schadensbegrenzung haben müssen, denn erst 1996 war Jakarta von katastrophalen Überschwemmungen heimgesucht worden.
Die Provinzregierung ließ zwar an diversen Orten Anlagen, wie z.B. die Frühwarnsysteme in Kampung Melayu Kecil (Ostjakarta) und Tongkek - Bukit Duri (Südjakarta) einrichten, aber offensichtlich besitzen diese nur symbolischen Nutzen. Denn diese Frühwarnsysteme haben noch nie so funktioniert, wie sie es eigentlich sollten. Die in den erwähnten Gebieten lebende Bevölkerung leidet in zunehmenden Maße unter den Überschwemmungen. Einige Gebiete sind schon bei schweren Regenfällen immer wieder von Hochwasser betroffen. Dazu ist es oft nicht einmal notwendig, dass die Flüsse größere Wassermassen aus entfernteren Gebieten heranführen. Die Menschen in Jakarta, die an den Ufern dieser Flüsse leben, müssen im Falle eines bevorstehenden Hochwassers rechtzeitig informiert werden.
Technische Prävention bestimmt das Schicksal der Betroffenen maßgeblich. Während des vergangenen Hochwassers war davon jedoch ganz und gar nichts zu spüren. Die Provinzregierung verfügte über keinerlei mobile Schutzeinrichtungen, um im Notfall z.B. mit Sandsäcken besonders gefährdete Orte schützen zu können. Stattdessen bewachten bewaffnete Sicherheitskräfte die Schleusen, jeder Zeit bereit, gegen ihre Mitbürger vorzugehen.
Die Schleusen in Manggarai (Südjakarta) beispielsweise standen vom 27. - 31.1.2002 unter der Bewachung von bewaffneten Polizeikräften. Ebenso wurden die Schleusen in Sunter (Nordjakarta) von Waffen tragenden Einsatzkräften der mobilen Einsatzkommandos (Brimob) bewacht, wo es am Abend des 28. Januar beinahe zu Zusammenstößen zwischen dem Militärdistriktkommando und den Bürgern der Umgebung gekommen wäre, deren Häuser bereits unter Wasser standen. Aus diesen Gründen stellt der Bau von Frühwarnsystemen eine besondere Forderung der Menschen in Jakarta dar. Leider wurde die betroffene Bevölkerung bisher nicht ausreichend mit der Funktionsweise von solchen Warnanlagen vertraut gemacht. Die Bereitstellung solcher Frühwarnsysteme sollte unter größtmöglicher Beteiligung der lokalen Anwohner erfolgen, damit diese auch wissen, woher die Gelder für diese Maßnahme stammen. Dies ist heutzutage, wo die Bevölkerung wissen möchte, was es mit der viel beschworenen Transparenz tatsächlich auf sich hat, von besonderer Bedeutung.
Zwischen den Regierungen von Jakarta, West-Java und der nationalen Regierung gab es keinerlei Koordination beispielsweise mit dem Wetteramt (Badan Metereologi dan Geofisika Indonesia) oder mit Umweltorganisationen wie WALHI und anderen, die bereits Anfang des Jahres Hinweise auf ihnen vorliegende Daten bezüglich zu erwartender Niederschlagsmengen und dergleichen gegeben hatten. Die später in den Massenmedien zu sehenden Bilder, dass sogar der Präsidentenpalast von der Überschwemmung betroffen war, sollten den Eindruck erwecken, es handele sich um eine "Naturkatastrophe", von der niemand verschont bleiben konnte. Was die Regenfälle angeht, handelt es sich vielleicht um ein natürlich wiederkehrendes Phänomen, wobei auch hier zu fragen bleibt, ob diese übermäßigen Niederschläge nicht auch auf globale Umweltzerstörungen wie die Abholzung von Wäldern und Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Aber die Überschwemmungen sind eine menschengemachte Katastrophe, die von vielen Leuten, die Wälder abholzen, oder von lokalen Verwaltungen, die es zulassen, dass auf Wasserrückhalteflächen Gebäude errichtet werden, verschuldet ist. Die Regierung beschuldigt dagegen die an den Flussufern lebende Bevölkerung als Verursacher des Problems, ohne jemals danach gefragt zu haben, ob diese Menschen eigentlich gerne entlang der Flüsse leben.
Während des Hochwassers
Bisher gibt es in Jakarta kein effektives Evakuierungssystem. Ihren Erfahrungen entsprechend, verharrten die Hochwasseropfer auf den Dächern ihrer Häuser, in der Annahme, dass das Wasser innerhalb weniger Stunden wieder sinken würde. Da dies aber diesmal nicht der Fall war, saßen sie in der Falle und konnten ihre Häuser wegen des fortwährend ansteigenden Wassers nun gar nicht mehr verlassen. Die Evakuierungen wurden von der Polizei koordiniert und die anderen Evakuierungsteams mussten sich mit den Polizisten vor Ort abstimmen. Neben den Polizeikräften waren auch Marinesoldaten (ALRI), Feuerwehrleute und Studenten im Einsatz. Leider gab es auch Evakuierungsteams, welche die gefährliche Situation ausnutzten, um sich selbst zu bereichern. Sie verhandelten mit den Opfern über bestimmte Geldbeträge, denn ohne Entlohnung waren sie nicht bereit zu helfen. Mittellose Familien, welche die verlangte Summe nicht bezahlen konnten, wurden von diesen Rettungsteams mit fadenscheinigen Argumenten abserviert, warum und weshalb ihre Häuser nicht mehr betretbar seien. Tatsächlich barg die Arbeit der - echten - Rettungshelfer viele Risiken in sich. So wurde zum Beispiel ein Rettungshelfer von einer Person mit einer Sichel bedroht, die damit die vorrangige Rettung der eigenen Familienmitglieder erwirken wollte. Außerdem stand den Rettungshelfern keine andere Ausrüstung zur Verfügung, als z.B. die Schlauchboote, die sie selber besaßen. Diese Boote sind jedoch nicht überall einsetzbar, nur in breiteren Gassen und Straßen. Dadurch fühlten sich wiederum die Bewohner schwerer erreichbarer Wohngebiete von den Rettungsteams und vor allem von der Regierung benachteiligt.
Es ist der Provinzregierung während des Hochwassers nicht gelungen, für Sicherheit zu sorgen. Es kam zu Plünderungen und Zerstörungen von überfluteten Häusern und Geschäften. Die Opfer des Hochwassers wurden nicht nur materiell geschädigt, sondern sind auch traumatisiert.
Nach dem Hochwasser
Die Regierung zeigte kaum Bemühungen den Hochwasseropfern z.B. bei der Reinigung von Schulen zu Hilfe zu kommen. Die meisten Menschen erledigten die Reinigungsarbeiten selbst, indem sie sich Pumpen und andere Gerätschaften ausliehen. Zumindest ihre nächste Umgebung sollte frei von Krankheitserregern sein. Dabei waren ihre Möglichkeiten natürlich begrenzt. Dennoch zeigte sich hier, dass sich die Zivilbevölkerung gegenseitig unterstützte und sich nicht ausschließlich auf die Regierungshilfe verließ. Da den Gesundheitszentren (Puskesmas) nur beschränkte Mittel zur Verfügung stehen, konnten diese nicht angemessen auf die auftretenden Krankheiten reagieren, die bereits mehrere Opfer gefordert hatten. Da Gesundheit im Zuge des Hochwassers zu einem Luxusgut geworden war, richteten vor allem arme und geringverdienende Betroffene ihre Erwartungen verstärkt auf die staatliche Gesundheitsfürsorge.
Die Provinzregierung ließ den Hochwasseropfern Mülltransporter zur Verfügung stellen, deren Benutzung jedoch nicht immer kostenlos war. Die Bürger mussten Extragelder sammeln, um diese Dienstleistung überhaupt bezahlen zu können. Viele fragten sich jedoch, wohin ihre Müllgebühren geflossen sind, die sie monatlich an die Vorsitzenden der Nachbarschaftsverbände (RT) gezahlt haben.
Hochwasser bewirkt keine Unterbrechung von Vertreibungen
Um ihren Willen durchzusetzen, zerstörte die Provinzregierung wie in der Vergangenheit Häuser und Siedlungen und vertrieb die Bewohner einiger Stadtteile, wie zum Beispiel in Teluk Gong (Nordjakarta). Die Einwohner von Tanggul und Teluk Gong wurden seit Oktober 2001 mehrmals gewaltsam aus ihren Häusern verjagt. Schon wenige Tage nach den Überschwemmungen folgten wieder Vertreibungen. Die Leute wurden eingeschüchtert, einige verschwanden und es gab sogar Tote zu beklagen. Außerdem konnten viele Kinder nicht zur Schule gehen.
Als die Bürger von Teluk Gong Mitte Februar 2002 von Sicherheitskräften aus Nordjakarta (Tramtib) vertrieben wurden, kam es zu einem Streit, bei dem nicht nur die Bewohner selbst, sondern auch einige der anwesenden Studenten Prügel einstecken mussten. Einige Bewohner weigerten sich, ihr Zuhause zu verlassen, weil sie noch immer auf eine Stellungnahme der Provinzregierung warteten. Die Art und Weise, wie gegen diese Anwohner vorgegangen wurde, war äußerst gewalttätig und rief bei allen Anwesenden enorme Verärgerung hervor.
Schlussbemerkungen
1. Die Bevölkerung in Jakarta sieht keine Bemühungen der Provinzregierung die Gefahren der vergangenen Überschwemmungen zu überwinden. 2. Die Provinzregierung stellte den vom Hochwasser betroffenen Nachbarschaftskreisen Hilfsgelder zur Verfügung, deren Verwendung jedoch unklar ist und die von den einzelnen Vorsitzenden der Stadtviertel nicht an die Betroffenen weitergegeben wurden. 3. Die bisherigen Presseerklärungen des Gouverneurs sind irreführend. Da sich die Provinzregierung nicht zu dem Missmanagement bei der Stadtplanung bekennt, ist die Bevölkerung gezwungen, selbst nach den Ursachen der Katastrophe zu suchen. In der Vergangenheit wurden Wohnungen und Lagerhallen aus Eigeninteresse häufig in Gebieten errichtet, die nicht als Baugebiete ausgewiesen waren. 4. Die Provinzregierung besitzt kein klares Konzept für die konstruktive Auseinandersetzung mit den jährlichen Überschwemmungen. 5. Die Provinzregierung "verdummt" weiterhin die Bevölkerung, indem sie behauptet, dass die Überschwemmungen lediglich Naturkatastrophen seien. Die Versiegelung von Flächen in Jakarta selbst sowie in Wasserrückhaltegebieten in der Puncak-Region in Westjava werden dagegen nicht als Problem einer verfehlten Entwicklung angesehen. 6. Die Provinzregierung erweckt den Anschein, die Ineffizienz der unteren Verwaltungsebenen zu dulden. Z.B. haben Vorsitzende von Nachbarschaftsverbänden und Wohnvierteln Hilfsgüter gehortet und sogar weiterverkauft. Die Bevölkerung gewinnt so den Eindruck, dass ihre Not anderen eine gute Gelegenheit bietet, sich selbst zu bereichern. 7. Politische Parteien nutzen die Hochwasserkatastrophe als Stoff für Kampagnen aus, die aufgestellten Hilfsposten werden zu parteipolitischen Zwecken missbraucht und dadurch von anderen als diskriminierend empfunden. 8. Die Provinzregierung gibt den Studentengruppen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Gruppen keine Gelegenheit sich mit alternativen oder traditionellen Bauweisen für Dämme oder Siedlungen auseinander zu setzen. Ihren Eigeninteressen zuliebe, werden engagierten Mitbürger in der Öffentlichkeit als "unbefugte Anwohner" dargestellt. 9. Berlin sollte sich im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Jakarta nicht nur auf die Kooperation zwischen den Regierungsebenen beschränken, sondern sollte ebenfalls einen Austausch zwischen der Bevölkerung der beiden Städte im Bereich der klein- und mittelständischen Industrie anregen und darüber hinaus auch zu Studien zur Verhinderung von solchen Katastrophen beitragen. 10. Die Bevölkerung fordert schon lange mehr Transparenz bei der Arbeit und den Finanzen der Provinzregierung. 11. Menschenrechtsaktivisten gewährt die Regierung keine Sicherheit, obwohl das eigentlich ihre Aufgabe ist. <>
Übersetzt von Antje Mißbach, Marianne Klute und Philipp M. Burtzlaff
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