Indonesien-Information Nr. 2 2002 (Wirtschaft)

Die Herrschaft der Dummen

von Martin Huber

Joseph Stiglitz' neues Buch, "Die Schatten der Globalisierung" (Siedler-Verlag), enthält schockierende Einsichten über die fatale Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) in der Asienkrise 1997 und in der Entwicklungspolitik überhaupt. Das Buch könnte zugleich all jenen Globalisierungsgegnern die Augen öffnen, die immer noch Neoliberalismus und Wirtschaftswissenschaft verwechseln. Der Begründer der Informationsökonomik und Nobelpreisträger für Wirtschaft zeigt, wie die Bürokraten des IWF mit ihrer "prä-keynesianischen" Behandlung von Wirtschaftskrisen und ihrem "Marktfundamentalismus" einfach nicht auf der Höhe ihrer Zeit sind.

Im Rahmen einer Analyse der Asienkrise beschäftigt sich Stiglitz, der von 1997 bis 2000 Mitarbeiter der Weltbank war, auch ausführlich mit Indonesien. Als eine der wichtigsten Ursachen der Krise nennt er die vorschnelle Liberalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte, die auf Druck des IWF geschah. Sie öffnete der Währungsspekulation Tür und Tor. Anstatt nach Ausbruch der Krise für Kapitalsverkehrskontrollen einzutreten, schnürte der IWF Beistandspakete zur Stützung der Wechselkurse, die hauptsächlich dazu dienten, die Zurückzahlung der Kredite an westliche Banken zu gewährleisten, während die Spekulanten riesige Gewinne einstrichen und die Schuldenberge immer größer wurden.

Steuererhöhungen und Kürzungen der Staatsausgaben, um die Auslandskredite bedienen zu können, trafen die Armen besonders hart und waren zudem volkswirtschaftlich unsinnig: "Seit sechzig Jahren vertritt kein seriöser Volkswirt mehr die Meinung, dass eine Volkswirtschaft, die auf eine Rezession zusteuert, einen ausgeglichenen Staatshaushalt haben sollte." Gleichzeitig beharrte der IWF auf einer restriktiven Geldpolitik mit Zinssätzen, die selbst entwickeltere Wirtschaften in den Ruin getrieben hätten. Als Folge davon gerieten in Indonesien schätzungsweise 75% aller Unternehmen in eine finanzielle Schieflage, was wiederum die Lage der Banken schwächte. Gleichzeitig stellte der IWF diese vor die Alternative, entweder die Eigenkapitaldeckungsquote zu erfüllen oder den Betrieb einzustellen. "Der IWF machte genau den Fehler, vor dem wir unsere Studenten in der Einführungsvorlesung in die Volkswirtschaftslehre warnen und der ‚Fehlschluss der Verallgemeinerung' genannt wird. Wenn nur eine Bank in Schwierigkeiten ist, dann muss sie die Eigenkapitaldeckungsquote erfüllen. Aber wenn viele oder die meisten Banken in einer Schieflage sind, kann diese Strategie verheerende Folgen haben." Die Banken müssen ihren Kreditbestand reduzieren, wodurch noch mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, was sich wiederum negativ auf die Eigenkapitalquote der Banken auswirkt. Auf diese Weise hat es der IWF fertiggebracht, gleichzeitig Gesamtnachfrage und Gesamtangebot zu schrumpfen. "Nirgends zeigte sich das Unverständnis der Finanzmärkte deutlicher als in der Einstellung des IWF zur Schließung von Banken in Indonesien." Da Banken die Aufgabe haben, die Kreditwürdigkeit der Unternehmen zu prüfen, bedeutet die Schließung einer Bank eine ungeheure "Vernichtung von Informationskapital", das nur unter großem Kostenaufwand wiedererlangt werden kann. In Indonesien wurden jedoch einfach 16 Privatbanken geschlossen und zugleich die mögliche Schließung weiterer Banken in Aussicht gestellt. Dadurch kam es zu einem Ansturm auf die verbliebenen Privatbanken. "Die Folgen für das indonesische Bankensystem und die indonesische Volkswirtschaft waren verheerend." Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 13,1 %, 15% der Arbeitnehmer verloren ihren Arbeitsplatz und die Armutsquote verdoppelte sich. Im Jahr 2001 lag Indonesiens BSP per capita noch 1,7% unter dem Stand von 1997. "Eine Volkswirtschaft, die eine schwere Rezession durchmacht, mag, wenn sie sich erholt schneller wachsen, aber sie holt die verlorene Zeit nicht mehr auf. Je tiefer die gegenwärtige Rezession ist, umso niedriger dürfte das Einkommen in zwanzig Jahren liegen."

Zwar hat ein Land wie Indonesien nicht die Möglichkeit, eine Zusammenarbeit mit dem IWF zu verweigern, weil dann auch alle anderen Kreditquellen versiegen würden. Dennoch sind Entwicklungen wie die "Chiang Mai"-Initiative zur Gründung eines alternativen Asiatischen Währungsfonds zu begrüßen, da Konkurrenz bekanntlich das Geschäft belebt... Außerdem kann eine kritische Öffentlichkeit in den Industrieländern Druck auf die Regierungen ausüben, um zu gewährleisten, dass sich der IWF bei seiner Politik wenigstens an den Standards der Wirtschaftswissenschaften orientiert. <>

 
 

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