von Antje Mißbach
In den letzten Monaten wurde West-Papua von verschiedenen Ermittlern aufgesucht, die den mysteriösen Mord an dem ehemaligen Vorsitzenden des Papua-Präsidiums (PDP) untersuchen wollten. Theys´ Leiche war am Morgen des 11. Novembers 2001 von Wunden übersät in seinem Auto aufgefunden worden, von seinem Fahrer Aristoteles Masoka fehlte jede Spur. Am Abend zuvor hatten beide an einer Veranstaltung anlässlich des nationalen Heldenfeiertags auf dem Stützpunkt der indonesischen Spezialtruppen (Kopassus) in Hamadi teilgenommen. Wegen dieses eigenartig anmutenden Besuches und vor allem wegen der vielen dubiosen Umstände richteten sich die ersten Verdächtigungen sofort auf Kopassus. (s. Indonesien-Information Nr. 1/2002)
Zuerst übernahm die lokale Polizei den Fall. Es wurden 20 Personen, darunter sieben Kopassus-Angehörige befragt. Wegen diverser Hindernisse, mit denen die Polizei konfrontiert wurde, stellte sie ihre Untersuchungen nach drei Monaten ein /Tempo, 2. - 8.4.2002/. Wegen der Brisanz des Falles übernahmen andere die Ermittlungen. Um sich gegen die Anschuldigungen und Verdächtigungen zu wehren, stellte das Militär in Jakarta (TNI) ein 25-köpfiges Ermittlungsteam unter der Führung von Generalmajor Djasri Marin und später von Oberst Hendardji zusammen, zu dem Polizisten und Militärs gehörten. Mitte Februar reiste das Team für drei Wochen nach Jayapura und nahm die Recherchearbeiten auf. Es wurden ca. 60 Personen befragt, darunter auch 12 Kopassus-Soldaten. Die Ermittler durchsuchten das Gelände des Kopassus-Hauptquartiers, die einzelnen Baracken und die Aula, wo die feierliche Veranstaltung stattgefunden hatte /Jakarta Post, 19.2.2002/. Doch auch nach Abschluss der Nachforschungen hielt sich das Team mit endgültigen Bestätigungen darüber, ob und inwieweit das Militär bei dem Mord involviert war, zurück. Nach Angaben von Generalmajor Djasri konnte vorerst kein Beweis gefunden werden, der die Beteiligung von Kopassus bestätigte. /Jakarta Post, 23.2.2002/
Neben diesem Untersuchungsteam gibt es noch eine nationale Untersuchungskommission (KPN) unter der Führung von Koesparmono Irsan, die von Präsidentin Megawati Sukarnoputri am 5. Februar per Präsidialdekret (Nr. 10/2002) ins Leben gerufen wurde. Koesparmono, ein ehemaliger Polizeioffizier, der früher u.a. auch in Sorong und Fakfak diente, gehört seit seiner Pensionierung der Nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) an, wo er schon zum Fall der Arbeiteraktivistin Marsinah gearbeitet hatte. Komnas HAM selbst hat zwar anfangs auch in Sentani, Jayapura und Koja Untersuchungen angestrengt, war aber immer wieder auf verschiedene Hindernisse und Blockaden gestoßen. Innerhalb von drei Monaten sollte die KPN dank der finanziellen Unterstützung von Komnas HAM und mit Hilfe von drei weiteren untergeordneten Regionalteams, bestehend aus einigen Sicherheitskräften und Staatsanwälten, den Mord an Theys vollständig aufgeklärt haben. Gegen die Beteiligung von Militär und Polizei an der nationalen Untersuchungskommission protestierten nicht nur Vertreter von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, sondern auch zwei in der KPN involvierte Parteiabgeordnete. Karl Lucas Degey (PDI-P) und Simon Petrus Morin (Golkar) traten wegen politischer Gründe von ihrer Aufgabe zurück und wurden nicht durch neue Mitarbeiter ersetzt. /infopapua.com, 27.2.2002/
Forderungen der Menschenrechtsorganisation ELSHAM und anderen Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus West-Papua, das staatliche Untersuchungsteam wegen Befangenheit und mangelnder Glaubwürdigkeit komplett aufzulösen und stattdessen ein internationales Expertenteam mit der Nachforschung zu beauftragen, wurde trotz solider Öffentlichkeitsarbeit nicht stattgegeben. Für ihr mutiges Auftreten erhielten Johanes Bonay, John Rumbiak und andere Mitarbeiter wiederholt Todesdrohungen /South China Morning Post, 25.2.2002/. Inzwischen strengen vier der einflussreichsten Nichtregierungsorganisationen West-Papuas eine juristische Überprüfung des Beschlusses von Megawati an, ob die Bildung einer nationalen Kommission überhaupt rechtmäßig war. Nach Ansicht des Koordinators der Menschenrechtsgruppe Kontras, Ori Rahman, verstößt dieses Dekret gegen das Gesetz zur Nationalen Kommission für Menschenrechte (39/1999) sowie gegen das Gesetz zur Einrichtung von Menschenrechtstribunalen (26/2000), weil allein Komnas HAM berechtigt ist, in solchen Fällen Untersuchungen und Nachforschungen durchzuführen. /Jakarta Post, 5.3.2002/
Ausgestattet mit der Genehmigung, überall in Zusammenarbeit mit der Polizei nachzuforschen und jede in Frage kommende Zivilperson zu vernehmen, fehlte der KPN jedoch die Befugnis, Angehörige der Sondertruppen allein zu verhören, da für das Militär Sonderrichtlinien gelten. /Tempo, 12. - 18.3.2002/ Weil sich die Untersuchungen in den ersten Wochen ergebnislos hingezogen hatten, intensivierte die KPN Anfang März ihre Nachforschungen: Koesparmono Irsan bestand auf einer zweiten Durchsuchung des Kopassus-Geländes und forderte sogar Ausgrabungen, um nach Theys´ Fahrer Aristoteles zu suchen. Die Aufsicht darüber wurde jedoch an Sutarna, einen Kommandeur der Militärpolizei, übergeben. /Tempo12. - 18.3.2002/
Zeugenaussagen zufolge war Aristoteles in der Nacht vom 10. zum 11. November 2001 verwundet und verwirrt auf der Straße zwischen Sentani und Jayapura angetroffen worden und hatte gebeten, zum Kopassus-Hauptquartier gebracht zu werden. Seither ist er unauffindbar /AFP, 3.3.2002/. Andere Zeugen hatten behauptet, Aristoteles später noch auf dem Gelände von Kopassus gesehen zu haben /Jakarta Post, 4.3.2002/. Ende letzten Jahres hielten sich darüber hinaus auch Gerüchte, dass sich Aristoteles in Papua-Neuguinea oder anderswo versteckt halte. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er aber bereits tot. Ausgerüstet mit Schaufel und Spaten, machten sich über 40 Personen an die Arbeit, dabei wurden neben Erd- und Zementhaufen auch die Schlafsäle und die Küchenräume durchsucht /Tempo 2. - 8.4.2002/. Allerdings taten sich einige zuständige Militärs schwer, die Suche nach Aristoteles als tatsächlichen Grund für die erneuten Untersuchungen anzugeben, stattdessen beharrten sie lediglich darauf, dass es sich nur um die Überprüfung von Zeugenaussagen handelte. /Jakarta Post, 4.3.2002/ Zusätzlich erschwert wurden die Nachforschungen durch den Abzug von 300 Kopassus-Soldaten inklusive ihres Kommandeurs, Oberstleutnant Hartomo, Ende Februar. Obwohl Generalmajor Amirul Isnaini, Chef der Spezialtruppen, verlautbarte, dass dies nur Bestandteil der üblichen Routinezirkulation der Streikkräfte wäre und deshalb nichts mit der Ermordung Theys´ zu tun hätte, dürften sich nun weitere Vernehmungen von Kopassus-Angehörigen erheblich schwieriger gestalten /Joyo Indonesian News, 5.3.2002/. Bei der Bevölkerung in West-Papua konnte der Eindruck, dass Kopassus etwas zu vertuschen versucht, allemal nicht verhindert werden.
Auf die erfolglosen Ausgrabungen wurde im Kopassus-Hauptquartier mit spürbarer Erleichterung reagiert. Dank der zurück gefundenen Selbstsicherheit weigerte sich das Oberhaupt der Sonderstreitkräfte, Generalmajor Amirul Isnaini, jegliche Verantwortung für Theys´ Tod zu übernehmen /Jakarta Post, 5.3.2002/. Am 7. März erklärte das militärische Team die Untersuchungen für beendet, weil keine Neuerungen im Fall von Theys zu erwarten seien. /Laksamana Net, 8.2.2002/
Die Mitglieder von KPN waren allerdings anderer Meinung und hielten an der Vermutung fest, dass alle Anhaltspunkte und Zeugenaussagen eindeutig auf die "kollektive Beteiligung einer bestimmten Institution" verwiesen. Obwohl der Untersuchungsbericht noch nicht veröffentlicht worden war, glaubten sie, die Täter bereits zu kennen. Alles, was nun noch zu tun übrig bliebe, wäre die Suche nach den Auftraggebern. /BBC Worldwide Monitoring, 13.3.2002/
Die Hauptfrage, die es hinsichtlich der Beteiligung des indonesischen Militärs zu klären gilt, ist ob Kopassus aus Eigeninteresse oder im Auftrag Dritter handelte. Einerseits existieren Hinweise, dass die Regierung in Jakarta selbst die Beseitigung Theys´ anordnete, andererseits scheint es auch nicht unwahrscheinlich, dass ein Businesskonkurrent oder auch ein politischer Rivale mit Hilfe von Kopassus-Soldaten Theys umbringen ließ. Schließlich weist Theys´ Biografie ambivalente Geschäftsbeziehungen und zahlreiche dubiose Bekanntschaften auf /South China Morning Post, 25.2.2002/. Nach Angaben von Theys´ Sohn Boy Eluay sind einige der verdächtigten Kopassus-Soldaten der Familie gut bekannt, weil sie oft zu Besuch kamen und auch im Haus der Familie übernachteten. /Tempo 2. - 8.4.2002/
Nachdem die Verwicklung von Kopassus im Fall von Theys Eluay monatelang bestritten wurde, gab der Chef der TNI-Informationszentrale, Generalmajor Sjafrie Sjamsoeddin, Anfang April endlich zu, dass dem nicht so sei. Auch Generalmajor Sulaiman, Kommandeur des Zentrums der Militärpolizei, bestätigte, dass einige Mitglieder der Kopassus-Einheit Tribuana, die unter dem Kommando des 7. Wehrbereichskommandos Trikora stehen, an der Entführung und der Ermordung beteiligt waren. Gleichzeitig kündigte er an, die Namen der Betroffenen umgehend zu veröffentlichen /Tempo 2. - 8.4.2002/. Obwohl seit dem 10. April drei Soldaten des Trikora-Militärkommandos in Untersuchungshaft sitzen, wurden der Öffentlichkeit bisher keine genaueren Details über die Verdächtigen bekannt gegeben. TNI-Chef Widodo verlautbarte während einer Zeremonie anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Spezialtruppen lediglich, dass die Betroffenen im Falle, dass sie von einem Militärgericht für schuldig erklärt würden, mit harten Strafen zu rechnen hätten. /Jakarta Post, 16.-17.4.2002/ Wie prekär diese gesamte Angelegenheit eigentlich ist, zeigt sich bei den Äußerungen von Kusnanto Anggoro vom Centre for Strategic and International Studies (CSIS), der die Auftraggeber in den höchsten politischen Ämtern vermutet. Seinen Annahmen zufolge, wurde Theys zum Opfer zweier rivalisierender pensionierter Generäle, die sich beide in der politischen Arena des Landes profilieren wollen. Weil sich Geld und Macht bekanntlich nicht so einfach von einander trennen lassen, wurde der Konflikt auch in wirtschaftlichen Bereichen ausgetragen. Kusnanto zufolge, streiten sich beide um den Zugang zu riesigen Waldflächen in West-Papua im Wert von 400 Mrd. Rupiah (US$ 40 Mio.). Weil Theys dank seiner verschiedenen politischen Positionen und Ämter Kontakt zu vielen der traditionellen Landbesitzer hatte, wurde er oft gebeten, sich schlichtend bei Streitigkeiten zwischen Firmen und der lokalen Bevölkerung einzubringen und Letztere zu Zugeständnissen in Hinblick auf die Abholzung wertvoller Baumarten zu bewegen. /Tempo, 2. - 8.4.2002/
Proteste der lokalen Bevölkerung helfen bekanntlich wenig: Zum einen weil die Unternehmen auf die Unterstützung einiger einflussreicher Figuren in Jakarta zählen und daher immer mit der gewalttätigen Durchsetzung ihrer Interessen rechnen können, und zum anderen, weil auch das Militär selbst Konzessionen für Waldgebiete besitzt und auf die Einnahmen aus dem Holzverkauf angewiesen ist. Im Grunde genommen tritt bei diesem Fall wieder einmal die gesamte gegenwärtige Misere in Indonesien auf einmal zutage: Der wirtschaftliche und politische Teufelskreis aus Korruption, Intrigen und Selbstbereicherung, welchen die alte politische Garde, das Militär und einige privilegierte Unternehmer aufrecht erhalten, wird auch weiterhin jegliche tiefer gehenden Reformmaßnahmen im Land verhindern.
Laut Kusnanto war rein zufällig der Schwiegersohn eines der beiden Generäle in West-Papua stationiert und konnte sich womöglich - ohne dass der Kopassus-Kommandeur, noch der Kommandeur des Trikora-Wehrbereiches davon erfuhren - um die Beseitigung von Theys kümmern. Schließlich verneinen die Verantwortlichen, wie z.B. Oberstleutnant Hartomo vehement, jemals irgendeinen Befehl gegeben zu haben, der mit dem Tod von Theys zu tun haben könnte. Stattdessen wird behauptet, dass die Täter Anweisungen von außerhalb erhielten, die nicht mit der üblichen Befehlskette übereinstimmten.
Anderen Quellen zufolge, wird wiederum behauptet, dass Kopassus nicht nur bei der Ausführung, sondern auch bei der Planung des Mordes involviert gewesen sei. PT Hanurata ist beispielsweise ein Unternehmen, bei dem u.a. zwei Stiftungen des ehemaligen Präsidenten Suharto (Trikora und Harapan Kita) sowie eine Kopassus-eigene Stiftung Aktien besitzen. Das Unternehmen verfügt über Konzessionen über ca. 150.000 Hektar Wald in der Nähe von Sorong und Jayapura. Seit dem Inkrafttreten der Dezentralisierungsgesetze im Januar 2001, haben die regionalen Behörden in ganz Indonesien die Befugnis über die Zuteilung neuer Konzessionsgebiete zu entscheiden. Da die Wälder auf den anderen Außeninseln erheblich geschrumpft sind, richtet sich nun das Interesse aller im Holzhandel Beteiligten auf West-Papua. Und weil alle, die Konzessionen für die Wälder bekommen wollen, auf die Hilfe und das Einverständnis von lokalen Oberhäuptern und einflussreichen Persönlichkeiten angewiesen sind, bemühen sie sich, diese mit Geld und Geschenken zu kaufen. Über 50 Holzfirmen sind gegenwärtig in West-Papua tätig und es herrscht erhebliche Konkurrenz untereinander. Dass auch Theys Eluay zu diesen Unternehmen gute Kontakte pflegte, ist kein Geheimnis. Sein Sohn Boy bestätigte sogar, dass der neue Wagen ein Geschenk von PT Djayanti, einem der ärgsten Konkurrenten von PT Hanurata, war. /Tempo 2. - 8.4.2002/
Bisher halten sich außerdem Gerüchte, dass es bei einigen Mitgliedern des Papua-Präsidiums durchaus gängig sei, Gelder von denen anzunehmen, die ihre "Geschäfte" in West-Papua auch zukünftig erfolgreich umsetzen wollen. Insbesondere, weil beim Papua-Präsidium nur wenig Transparenz über die finanziellen Angelegenheiten herrscht und rätselhaft ist, wie sich einige Mitglieder ihre kostspieligen Auslandreisen und Binnenflüge leisten können, kann diesen Behauptungen ohne weiteres nichts entgegengesetzt werden. Ohnehin scheint es üblich, dass bekannte Persönlichkeiten und lokale Oberhäupter für ihr "Entgegenkommen" - in welcher Art auch immer - entschädigt werden. /Tempo 9. - 15.4.2002/ All diese neuen Behauptungen widersprechen den bisherigen Vermutungen, dass Theys Opfer einer langfristig ausgeklügelten rein politischen Strategie wurde, der eine strengere Kontrolle der papuanischen Führer und die Zerstreuung des Widerstandes in West-Papua bezwecken sollte. Zwar gab Innenminister Hari Sabarno zu, dass noch während der Amtszeit des früheren Präsidenten Abdurrahman Wahid ein solches Treffen stattgefunden hat, verneinte aber gleichzeitig, Anweisungen zur Terrorisierung der papuanischen Bevölkerung oder zur Ausschaltung bestimmter Persönlichkeiten erteilt zu haben.
Fraglich ist nun, ob sich das Militär dank all dieser neuen Erkenntnisse und mit Hilfe seiner zuvorkommenden Schritte selber entlastet hat, indem wieder einmal ein paar niedrigrangige Soldaten den Interessen hoher Generäle geopfert werden oder ob hier bewusst um Zeit gepokert wird, damit wichtige Indizien und Beweise vertuscht werden können? Vielleicht dienen diese Enthüllungen über den vehement zugenommenen Raubbau an der Natur aber eigentlich nur dazu, um von der wirklichen politischen Linie Jakartas abzulenken? Schließlich waren auch andere Mitglieder des Papua-Präsidiums, wie z.B. Willy Mandowen und Thaha Alhamid, zu der Veranstaltung anläßlich des nationalen Heldenfeiertags in Hamadi eingeladen... <>
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