von Henriette Sachse
Am 18. April waren es starke Zahnschmerzen, die es Hutomo "Tommy" Mandala Putra unmöglich machten, in dem Mordprozess gegen seinen langjährigen Freund und Komplizen Dody Hadjito auszusagen. Dies war bereits die vierte Ladung vor das Bezirksgericht in Südjakarta, der er nicht nachkam. Tommy soll Dody im Juli 2001 den Auftrag erteilt haben, zwei Männer für die Ermordung eines Richters am Obersten Gerichtshof, Syafiuddin Kartasasmita, anzuheuern. Dieser hatte Tommy, den Sohn des langjährigen Präsidenten Suharto, im September 2000 wegen Bestechung verurteilt. Damals stand die Frage, ob Tommy als Eigentümer einer Supermarktkette für deren Verwicklung in einen Bestechungsfall, bei dem es um den Erwerb von staatlichem Land ging, zur Rechenschaft gezogen werden könne. Syafiuddin sah Tommys Verantwortung als bewiesen an und verurteilte ihn zu 18 Monaten Gefängnis.
Nachdem der damalige Präsident Abdurrahman Wahid ein Begnadigungsgesuch Tommys abgelehnt hatte, tauchte dieser am 3. November 2000 unter. Obwohl es gesicherte Hinweise gab, dass Tommy sich weiterhin in Jakarta aufhielt, war die Polizei lange Zeit nicht in der Lage, den oft als Playboy und Lebemann beschriebenen Tommy zu fassen.
Am 26. Juli 2001 wurde Richter Syafiuddin am helllichten Tag in seinem Auto von zwei motorisierten Männern erschossen. Anfang August wurden zwölf Verdächtige verhaftet, wovon zwei, Noval Hadad und Raden Maulawarman, zugaben, den Richter auf Anweisung Tommys getötet zu haben. Sie hätten dafür US$ 10.000 er-halten. Die Suche nach Tommy wurde daraufhin wesent-lich verstärkt. So warfen Helikopter über Jakarta "Gesucht"-Plakate mit Phantombildern von Tommy ab, und die Polizei erhöhte die Beloh-nung für Informa-tionen, die zu seiner Verhaftung führen könnten, von US$ 2.700 auf US$ 54.000.
Kurze Zeit später fand die Polizei bei einer Hausdurch-suchung in den der Suharto-Familie ge-hörenden Cemara-Appartements in Menteng/Jakarta Waffen, Munition und auf Tommy ausgestellte Waffenscheine. Die Managerin des Appartements, Hetty Siti Hartika, wurde daraufhin wegen illegalen Besitzes von Waffen und Munition festgenommen und im Februar diesen Jahres zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei von Tommys Bodyguards, Dedi Sutaedi Yusuf und Ferry Hukom, wurden ebenfalls festgenommen und zu 16 und 14 Monaten Haftstrafe wegen Beschaffung gefälschter Dokumente verurteilt. Beide Männer sollen wie auch Hetty in Verbindung mit der Ermordung des Richters stehen und werden im Mordprozess gegen Tommy aussagen müssen.
Ein Aufschrei der Empörung ging durch die internationale und indonesische Presse als im Oktober 2001 der Oberste Gerichtshof Tommy von Korruptionsvorwürfen freisprach. Das Gericht hob damit im Berufungsverfahren das Urteil von Richter Syafiuddin auf, obwohl ja Tommys Begnadigungsgesuch an Abdurrahman Wahid als Eingeständnis seiner Schuld gewertet werden konnte. Kritiker sahen den Freispruch als schweren Rückschlag für Megawati Sukarnoputri im Kampf gegen die Korruption in Indonesien an, und Zweifel an den Fähigkeiten der neuen Präsidentin wurden laut.
Am 28. November 2001 wurde Tommy endlich verhaftet. Er leistete keinerlei Widerstand - wozu auch, wurde er doch vom Polizeichef Jakartas bei seiner Einlieferung ins Polizeihauptquartier mit einer warmen Umarmung begrüßt. Neta Pane, der Vorsitzende von Indonesia Police Watch, sprach von einer inszenierten Verhaftung. "Ich glaube die Polizei wusste die ganze Zeit, wo sich Tommy aufhielt. Sie haben nur auf den richtigen Zeitpunkt für seine Verhaftung gewartet."
Drei Monate später trat Tommy seine Haft im Cipinang-Gefängnis im Osten Jakartas an. Die Polizei übergab die Akten der Staatsanwaltschaft, die am 7. März 2002 Anklage beim Bezirksgericht in Zentraljakarta erhob. Tommy wird beschuldigt, die Ermordung von Richter Syafiuddin Kartasasmita geplant und instruiert zu haben. Weiterhin wird ihm illegaler Waffenbesitz und Strafumgehung vorgeworfen. Die beiden ersten Anklagepunkte könnten bei Verurteilung jeweils zur Todesstrafe nach Artikel 340 und 341 des Strafgesetzbuches und nach Notstandsgesetz 12/1951 führen. Tommy weist alle Anschuldigungen zurück.
Der Prozess, der etwa sechs Monate dauern wird, begann am 20. März unter starken Sicherheitsvorkehrungen Etwa 400 Polizisten wurden aufgeboten. Nach nur zweieinhalb Stunden wurde der Prozess vertagt. Im April folgten weitere Verhandlungstage, an denen eine Vielzahl von Zeugen vernommen wurden.
Am 17. April sagte Soimah, die erste Frau des ermordeten Richters aus, ihr Mann sei von Tommy aufgesucht worden. Er hätte Syafiuddin deutlich zu verstehen geben, dass er keine Verurteilung wünsche. Dass dieses Treffen stattgefunden hat, bezeugt auch ein weiterer Komplize von Tommy, Dedi Sutaedi Yusuf, sowie die zweite Frau von Syafiuddin, Iwah Setiyawati Yuli. Sie erklärte am 24. April, dass Tommys Anwältin Elza Syarief ihrem Mann 200 Millionen Rupiah geboten hatte, falls er die Vorwürfe gegen Tommy fallen ließe.
Als hochrangiger Zeuge wurde von der Staatsanwaltschaft der ehemalige stellvertretende Leiter des indonesischen Geheimdienstes (BAKIN), Muhammad Imam Subarkah, geladen. Er bestätigte, dass sein Büro 1997 fünf Waffenscheine auf Tommy ausgestellt hatte, obwohl in Indonesien Privatpersonen der Waffenbesitz offiziell verboten ist. Nach Imams Aussagen wurde Tommy als Sohn des Präsidenten, dem der Geheimdienst direkt verantwortlich war, eine Sondergenehmigung zum Waffenbesitz zugestanden. Subarkahs mutige Aussage machte die außerordentlichen und unbeschränkten Kompetenzen des BAKIN in der Neuen Ordnung deutlich /Laksamana.Net, 18.4.2002/.
In der Zwischenzeit weitete sich der Fall aus. Mitte April wurden drei Wachmänner des Cemara-Appartements wegen angeblichen Meineids während des Tommy Prozesses festgenommen. Sie gaben zu, von Elza Syarief vor den fraglichen Prozesstagen jeweils 2 Millionen Rupiah für die Widerrufung ihrer früheren, in Polizeihaft gemachten Aussagen erhalten zu haben. Diese standen in Bezug zu Dokumenten und Waffen, die am 5. August 2001 im Cemara-Appartement gefunden worden waren. Unter Polizeischutz wären sie bereit, zu einem späteren Gerichtstermin erneut auszusagen.
Diese Bekenntnisse veranlassten 17 Anwälte, die sich selbst Indonesisches Komitee zur Rettung der Anwälte (KPAI) nennen, beim Polizeichef von Jakarta auf die Anklage gegen Elza als Hauptverdächtige in der Zeugenbestechung zu drängen. "Wir sind bestürzt über die angebliche Verwicklung einer Anwältin in einen Fall von Bestechung. Dieses tragische Ereignis wird das Ansehen der Anwälte in Indonesien beflecken", erklärte Palmer Situmorang, Sprecher der KPAI. Nach einiger Bedenkzeit erklärte die Polizei Elza Syarief zur Tatverdächtigen. Sie müsse einer Anklage wegen Anstiftung zur Falschaussage und Bestechung entgegensehen, hieß es. Ihre Festnahme erfolgte am 6. Mai. Darüberhinaus steht ein weiterer früherer Anwalt von Tommy, Nudirman Munir, unter Verdacht, einen der Wachmänner, Tatang Somantri, aufgefordert zu haben, die Bestechung durch Elza abzustreiten und Jakarta zu verlassen. Er wird der Strafvereitelung beschuldigt /Jakarta Post, 26.04.2002/.
Aufsehen erregte weiterhin die Erweiterung der Kammer von drei auf fünf Richter zur zweiten Sitzung des Tommy-Prozesses. Damit ist die Besetzung nun identisch mit derjenigen im gerade stattfindenden Prozess gegen den Parlamentspräsidenten Akbar Tandjung. Zum Vorsitzenden der Kammern wurde in beiden Prozessen Amiruddin Zakaria ernannt. Unüblich ist dies allemal und Zweifel an der Unabhängigkeit des Gerichtes werden lauter. Die Zeitschrift Tempo berichtet von Gerüchten, wonach im Fall Akbar Tandjung der Vorsitzende Zakaria und die anderen vier Richter Bestechungsgelder in Höhe von jeweils einer Milliarde Rupiah angenommen haben sollen, um den Angeklagten aus der Haft zu entlassen /Laksamana.Net, 18.04.2002/. Umstritten war jedenfalls die Entscheidung der Richter, Elza Syarief weiterhin als Tommys Anwältin zuzulassen, bevor ihre Verhaftung sie an der weiteren Ausübung ihres Mandates hinderte. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits zuvor gefordert, Elza wegen der Bestechungsvorwürfe und damit einhergehender möglicher Interessenskonflikte zu suspendieren.
Raden Maulawarman, als einer der mutmaßlichen Mörder von Richter Kartasasmita vielleicht einer der wichtigsten Zeugen im Tommy Prozess, widerrief vor Gericht seine Aussage vom August letzten Jahres, Tommy hätte ihm den Auftrag zu dem Mord erteilt. Er sei vielmehr rein zufällig in diese Sache verwickelt worden. Zwei andere, ihm nur den Namen nach bekannte Männer, hätten den Richter erschossen. Diese Darstellung wurde von drei Augenzeugen bestritten, denn einer war sich sicher, Noval Hadad als Täter wiederzuerkennen, der auch nach Maulawarmans Schilderung gemeinsam mit ihm auf dem Motorrad saß, das am Tatort gesehen wurde. Noval Hadad und Maulawarman hatten sich in einem abgetrennten Verfahren für die Tat zu verantworten. Das Gericht verhängte am 8. Mai gegen beide lebenslängliche Haftstrafen und ging damit weit über die Forderung des Staatsanwaltes nach 14 Jahren Haft hinaus.
Bei all den geschilderten Aussagen, Widerrufen, erneuten Aussagen und Bestechungsversuchen bleibt die Wahrheit auf der Strecke. Kritische Stimmen sehen in dem Zurücknehmen früherer Aussagen den Versuch, die Beweisführung gegen Tommy in den gewichtigsten Anklagepunkten - Auftrag zum Mord und illegaler Waffenbesitz - zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Daher glauben sie auch nicht an eine Verurteilung von Tommy. Andere gehen davon aus, dass er wegen Strafumgehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, die seiner Untersuchungshaft entspricht. Einige Experten betonen die immer noch sehr mächtigen Beziehungen der Suharto-Familie sowie Tommys einflussreiche und bestechliche Freunde in der Regierung, im Militär und im Gerichtswesen. Obwohl die indonesische Öffentlichkeit an einer Aufklärung der Vorfälle um die Ermordung des Richters interessiert ist, scheint fraglich, inwieweit es zu einer wirklichen Aufarbeitung kommen wird. Denn Transparenz und Korruptionsfreiheit in der indonesischen Justiz bleiben weiterhin nur öffentliche Lippenbekenntnisse.<>
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