von Alex Flor
Im Laufe einer friedlichen Protestaktion in Jakarta sahen sich heute Menschenrechtsaktivisten und ihre Klientel zum wiederholten Male einem brutalen Angriff durch bezahlte Schlägerbanden ausgesetzt. Etwa 400 Becak (Fahraddrikscha-) Fahrer, Straßenhändler und Bewohner von Elendsvierteln, hatten sich zusammen mit Aktivisten des Urban Poor Consortiums (UPC), auf dem Gelände der Nationalen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) versammelt, um gegen Razziaaktionen und Vertreibungen zu protestieren. Gegen 14.30 Uhr griffen in schwarz gekleidete junge Männer, die mit 8 Bussen und mehreren Privatfahrzeugen angekommen waren, die Menge mit Stöcken, Eisenstangen, Steinen, Schwertern und Hackmessern an. Mindestens 14 Personen wurden bei dem Angriff verletzt, 7 mussten mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Unter den Opfern befindet sich auch ein 11-jähriges Mädchen, das schwer verletzt wurde, sowie ein Baby. Wardah Hafidz, die Koordinatorin von UPC, konnte mit leichten Verletzungen an der Hand entkommen, da sich mehrere Demonstranten schützend vor sie gestellt hatten. Trotz einschlägiger Vorwarnungen waren zum Zeitpunkt des Geschehens nur 6 Polizisten anwesend, die sich außer Stande sahen, dem Angriff Einhalt zu gebieten. Die Angreifer gehörten einer Gruppe an, die sich "Betawi Brotherhood Forum" (FBR) nennt und sich als Interessenvertretung der Ureinwohner Jakartas ausgibt. Diese Schlägermiliz trat bereits des öfteren in Erscheinung, um mit brutaler Gewalt Kritiker des Gouverneurs von Jakarta, Sutiyoso, einzuschüchtern. Bei einer früheren Aktion gab ein Mitglied der Gruppe zu, für seinen Einsatz 50.000 Rupiah (ca. 5,60 €) und ein schwarzes T-Shirt erhalten zu haben. Letzte Nacht sollen die FBR-Milizen vor dem Provinzparlament von Jakarta übernachtet haben, wo sich der Gouverneur heute früh für seinen Haushalt rechtfertigen sollte.
Wardah Hafidz und UPC zählen zu den erbittertsten Gegnern Sutiyosos, da sie sich seit mehreren Jahren unermüdlich für die Rechte der ärmsten Bevölkerungsschichten einsetzen, die Sutiyosos Law-and-Order Politik ansonsten hilflos ausgesetzt wären. Immer wieder versucht die Stadtverwaltung von Jakarta das Problem der Armut dadurch zu lösen, indem sie deren Symptome beseitigen lässt. Erst gestern wurde wieder ein Elendsviertel in Cilincing, im Norden Jakartas, geräumt und sämtliche Häuser zerstört. Ca. 50.000 Menschen wurden während der letzten 12 Monate auf diese Weise ihrer Wohnung und ihres sämtlichen Besitzes beraubt. In gleicher Manier gehen Sutiyosos Behörden auch gegen Becak-Fahrer vor, die von der Bevölkerung als billige und saubere Alternative zum Taxi geschätzt, in den Augen der Stadtverwaltung aber als rückständig und verkehrsbehindernd angesehen werden. Jakartas Becak-Fahrer müssen jederzeit mit Razzien und Beschlagnahme ihres Arbeitsgerätes rechnen. Das staatliche Gericht in Zentraljakarta gab letzte Woche zwar einer Sammelklage von Opfern statt und beurteilte mehrere Fälle von Vertreibungen und Razzien als unrechtmäßig, Sutiyoso sah sich dadurch aber nicht veranlasst, von solchen Aktionen Abstand zu nehmen. Er kündigte Berufung gegen das Urteil an und veranlasste umgehend neue Razzien. Das Gericht habe ja nur über die Rechtmäßigkeit zurückliegender Razzien geurteilt, rechtfertigte er sein Vorgehen.
Grund zur Sorge bereitet die zunehmende Tendenz, für Streitigkeiten zwischen Teilen der Bevölkerung und Amtsträgern "außergerichtliche Lösungen" in Form von Terror und Einschüchterung zu suchen. Der heutige Angriff war in diesem Monat bereits der dritte seiner Art. Am 13. März hatten mehrere Hundert Randalierer das Büro der Menschenrechtsorganisation Kontras verwüstet (s. S. 17), während die FBR wenige Kilometer weiter zur selben Zeit friedliche Demonstranten mit Schwertern bedrohte. Der Angriff galt dem selben Ziel wie heute: dem UPC und seiner Koordinatorin Wardah Hafidz. Auf einem 1 Kilometer langen Transparent präsentierte UPC die Unterstützerunterschriften für eine Sammelklage der durch die Hochwasserkatastrophe im Januar und Februar Geschädigten. 365.000 Menschen waren seinerzeit gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und in Notunterkünften Zuflucht zu suchen. Nun fordern sie von den Behörden, denen sie vorwerfen angesichts der Katastrophe gänzlich versagt zu haben, Entschädigungszahlungen. Sutiyoso weist diese Kritik zurück und erklärte kürzlich seine Kandidatur für die Wiederwahl zum Gouverneur der Hauptstadt. Wer ihm dabei im Wege steht, lebt gefährlich. <>
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