Indonesien-Information, März 1993 (Präsidentenwahl)


Quelle: Frankfurter Rundschau, 01.03.1993
 

Der „Alte“ und die möglichen Nachfolger

Suharto tritt in Indonesien zu seiner sechsten Amtszeit an

Von Jürgen Dauth (Singapur)


Rufe nach einem politischen Wandel sind in Indonesien kurzlebig. Erweisen sie sich als hartnäckig, prallen sie an den Schlagstöcken der Bereitschaftspolizei ab. Mit ihnen machten jene 200 Studenten Bekanntschaft, die kürzlich für einen Wachwechsel an der politischen Spitze demonstrierten. Inzwischen haben die wichtigsten politischen Kräfte — die regierende Golkar, die muslimische Entwicklungspartei und die christlich-nationalistischen Demokraten ihre Nominierung kundgetan. Die beratende Volksversammlung, die zwischen dem l. und 11. März den nächsten Präsidenten wählen soll, bleibt beim „Alten“. Suharto ist der einzige Kandidat und wird zu seiner sechsten Amtsperiode antreten.

Nicht einmal eine formale Alternative wird der 1000köpfigen Volksversammlung präsentiert. Die demokratische Partei, PDI, hat im letzten Moment ihren eigenen Kandidaten zurückgezogen, Guruh Sukarnoputra, Sohn Sukarnos, des ersten Präsidenten im unabhängigen Indonesien. Eine herbe Enttäuschung für viele Indonesier, die sich um ihre Stimme betrogen sehen. Hatte doch gerade die PDI bei den Parlamentswahlen im Juni des vergangenen Jahres mit ihrem Ruf nach personellen Veränderungen und einem neuen politischen Stil erheblich in der Gunst der Wähler — und damit Sitzen im Abgeordnetenhaus — zugelegt. „So sind nun einmal zur Zeit die politischen Verhältnisse“, erklärte der Sprecher der Partei, Alex Asmasubrata. resignierend nach dem Votum der Parteiversammlung.

Ob sich die PDI unter Druck gesetzt sah, wollte der Parteivorsitzende Suryadi nicht sagen. Es schien ihm einfacher — und sicherer — von einem Mißverständnis zu reden, dem die Parteigänger im Sommer '92 aufgesessen seien. Aber auch so weiß jeder Indonesier, daß sich die überwiegend christlich-nationalistische Partei bei einem Versuch, gegen den politischen Hauptstrom zu schwimmen, ins . politische Abseits manövriert hatte. Denn es gibt nun einmal in der gegenwärtigen politischen Landschaft Indonesiens weit und breit keine Persönlichkeit, die den 71jährigen Suharto herausfordern könnte und damit Aussicht auf Erfolg hätte.

Um so heftiger ist die Diskussion um die Position des Vizepräsidenten entbrannt, die — so glaubt man angesichts des fortgeschrittenen Alters von Suharto — diesmal zweifelsohne mit der Nachfolgefrage verknüpft ist. Da ist Innenminister Rudini im Gespräch. Auch der Forschungs- und Technologieminister Bacharuddin Jusuf Habibie hat sich angedient und die Muslime würden gerne Abdurrahman Wahid ins Feld führen, den Präsidenten der Bruderschaft der islamischen Lehrer. Abri, die indonesischen Streitkräfte, setzen auf ihren Oberkommandierenden, General Try Sutrisno, der noch vor der Einberufung der Volksversammlung aus Altersgründen aus dem aktiven Dienst scheidet.

Als Zivilist, so glauben politische Beobachter in Djakarta habe Habibie — einst Vizepräsident bei dem deutschen Flugzeugbauer MBB — wohl kaum Chancen, in der Volksversammlung eine Mehrheit zu finden. Das jedoch sei wiederum auch nicht von Bedeutung. Wen Suharto nominiert, der gilt als gewählt. Und noch hat sich der Präsident über die Person seines Vize nicht geäußert und wird dies — seinem bisherigen Stil zufolge — wohl auch erst vor der Volksversammlung tun.

Habibie steht dem Präsidenten sehr nahe, eine Beziehung, die in die Kindheit des Forschungsministers zurückreicht. Darauf schien sich Habibie auch zu stützen, als er sich in einem Interview mit einer indonesischen Wochenzeitung selbst nominierte. Zwar hat Suharto immer wieder seinen unabhängigen Willen im politischen Manöverieren bewiesen, aber auch er kann nicht gänzlich am Einfluß der Militärs vorbei entscheiden. Und die Abri haben überraschend schon im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wissen lassen, daß sie General Sutrisno für den geeigneten Kandidaten halten.

Sutrisno erfüllt die drei traditionell wichtigsten Voraussetzungen für ein hohes Amt in der indonesischen Politik. Er ist Jawaner, er ist Muslim und er stammt aus dem Waffenflügel der Streitkräfte — anders als der jetzige Amtsinhaber, Vizepräsident Sudharmono, der sich seine Offizierssterne am Schreibtisch verdiente. Mit der Nominierung Sutrisnos bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, signalisiert das Militär, daß es auch zukünftig nicht auf seinen bestimmenden Einfluß in der Politik verzichten will.

Politische Beobachter rätseln. Soll die Nominierung des Generals Suharto ein Zeichen geben? Oder ist die Neubesetzung des Vizepräsidentenstuhls bereits beschlossene Sache? Suharto läßt sich jedoch nicht unter Druck setzen. Sudharmono wurde trotz des Widerstands der Militärs ins Amt geliftet Aber auch Suharto kann es sich nicht leisten, den Militärs ein zweites Mal ins Gesicht zu schlagen. Er muß sich für einen Mann entscheiden, der in der Lage ist, die Präsidentschaft zu übernehmen, falls der alternde Präsident die fünfjährige Amtszeit nicht durchstehen sollte. Da bietet sich ein Mann wie Sutrisno schon im Interesse der politischen Stabilität an, ein Mann, der in die von Suharto selbst geschaffene politische Kultur der Dominanz der Streitkräfte passt.

Abdurrahman Wahid, Generalsekretär der Nahdlatul Ulama, der einflußreichen Bruderschaft der muslimischen Lehrer, hält sich derweil im Hintergrund. Seit er seine Organisation aus der muslimischen Parteienallianz der Vereinigten Entwicklungspartei herausgenommen und bei der regierenden Golkar eingebracht hat, arbeitet er zielstrebig an der Veränderung der politischen Kultur. Der Einfluß der Muslime auf Suharto ist seither sichtbar gewachsen, und Wahid kann ohne Übertreibung behaupten, daß der Islam seither eine führende Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft spielt.

Die Nahdlatul Ulama hat systematisch alle Ebenen der politischen Hierarchie durchdrungen. Unter Wahids Einfluß wurden die islamische Religionsgerichtshöfe der staatlichen und militärischen Judikative gleichgestellt. Suharto hat den Wandel wahrgenommen. Nachdem er sich jahrelang davor gehütet halte, den säkularen Charakter des indonesischen Staates in Frage zu stellen, pilgerte er im vergangenen Jahr nach Mekka zur Wallfahrt.

Abdurrahman Wahid weiß, daß ein Vorstoß in ein hohes politisches Amt zu diesem Zeitpunkt noch verfrüht kam. Zwar bekennen sich offiziell knapp 90 Prozent der Indonesier zum Islam, doch die Mehrheit lehnt einen islamischen Staat ab und hält die muslimische Parteiengruppierung seit jeher für eine unbedeutende Minderheit am Rand des politischen Spielfelds. Daß Wahid trotzdem die Aufwertung der Shariah, der islamischen Religionsgerichtsbarkeit bei Suharto durchzusetzen vermochte, beweist, welch starken Einfluß die Nahdlatul Ulama inzwischen auf den Präsidenten ausübt.

Der nächste Vizepräsident mag Sutrisno heißen, doch ob er Präsident wird, entscheidet allein Suharto- Und in den fünf zurückliegenden Amtsperioden waren seine Vize stets nur Randfiguren. Sutrisno mag also nur Statthalter werden, bis Abdurrahman Wahid die Fundamente für eine islamische Gesellschaftsordnung gelegt hat „Wir gehen Schritt für Schritt auf einen Religionsstaat zu, vielleicht sogar einen religiösen Zwangsstaat“, warnt der seit 30 Jahren in Indonesien lebende deutsche Jesuit Magnis Suseno. <>
 
 
 

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