„Merdeka“, sagt HJC Princen, und das indonesische Wort für
Freiheit klingt aus dem Mund des Direktors des Instituts zur Verteidigung
der Menschenrechte wie ein Schimpfwort, „Merdeka ist für die Mehrheit
der Indonesier eine Utopie geblieben.“ Der gebürtige Holländer,
der ein KZ in Deutschland überlebte und später als junger Soldat
der königlichen Kolonialarmee zur Unabhängigkeitsbewegung des
Staatsgründers Sukarno überlief, spricht über die von ihm
mitgeschaffene Republik Indonesien mit Trauer, Enttäuschung und kaum
gezügeltem Zorn. Während der 25jährigcn Herrschaft von Präsident
Ibrahim Suharto hat Princen den Verfall Indonesiens zu einem „Als-ob-Staat“
verfolgt: Man tue so, als ob Indonesien eine Demokratie sei, als ob es
unabhängige Parteien gebe, als ob die Menschenrechte beachtet würden.
„Als Suharto 1967 seine 'Neue Ordnung' verkündete, sagte er, daß
für die Anfangsphase eine Reihe demokratischer Rechte beschnitten
werden müßten, um mit der wirtschaftlichen Entwicklung voranzukommen.
Und wir glaubten es. Wir begriffen zu spät, daß dies der Anfang
einer bis heute ungebrochenen Diktatur war.“
Solch starke Worte empfindet man in den meisten westlichen Botschaften in Djakarta als eher unpassend. Sprachlich hübsch verpackt, reden die Diplomaten lieber von „einigen unschönen Erscheinungen.“ Hinter diesem nichtssagenden Euphemismus verbergen sie ihr Wissen über die kaum kontrollierte Armee, die mit Waffengewalt jeden Widerspruch in der Bevölkerung unterdrückt. Die diplomatische Sprachregelung verschweigt das seit 30 Jahren geltende „Gesetz zur Bekämpfung subversiver Tätigkeiten“, mit dem die 900.000 Opfer des angeblichen Umsturzversuchs der Kommunisten von 1965 ebenso gerechtfertigt werden wie die anhaltende blutige Unterdrückung der islamischen Unabhängigkeitsbewegung in der nordsumatrischen Provinz Aceh. Ungern nur werden die diplomatischen Vertreter der westlichen Demokratien daran erinnert, daß die Worte „Mandi laut“ noch eine andere als die harmlose wörtliche Übersetzung „im Meer baden gehen“ haben. „Mandi laut“ oder spurlos verschwunden sind tausende von Menschen etwa auf dem vor 17 Jahren annektierten Ostteil der Insel Timor. Ein Viertel der 800.000 Insulaner wurde getötet oder verschwand.
In der deutschen Botschaft in Djakarta werden all diese Informationen abwiegelnd als „interne Probleme“ des 13.700-InseI-Staates abgetan. Aber auch wenn der bevorstehende Besuch von Bundeskanzler Kohl die diplomatischen Lippen noch dichter versiegelt als sonst, wird doch eingeräumt, daß die Menschenrechts-Lage „allgemein durchaus Sorge bereitet.“ Das erklärt, warum Fragen nach dem jüngsten Waffendeal zwischen Bonn und Djakarta unbeantwortet bleiben. Der Kanzler bringt die Lieferzusage für 39 Schiffe der ehemaligen DDR-Kriegsmarine und drei neue U-Boote vom Typ 209 nach Djakarta. Wie unbehaglich den Bonner Waffenhändlern bei dem Geschält gewesen sein muß, enthüllt die nicht dementierte Information, daß das Kriegsgerät auf ausdrücklichen Wunsch Bonns aus dem Budget des indonesischen Technologieministers Habibi bezahlt werden soll. Deutsche Kreise in Djakarta behaupten, daß derlei Versteckspiel bei den zahlreichen Waffengeschäften mit Indonesien nichts Ungewöhnliches ist: „Bei direkten Geschäften mit der indonesischen Armee lässt sich niemand gern erwischen.“ Verständlich, wenn man Rechtsanwalt Abdul Hakim glauben will. Der wahrscheinlich einflußreichste Bürgerrechtler Indonesiens zählt aus dem Stegreif eine Liste von Verstößen gegen die Menschenrechte auf: „Das Versammlungsrecht und Pressefreiheit sind eingeschränkt, freie Gewerkschaften sind verboten. Menschen werden willkürlich auf Jahre eingesperrt. Immer wieder hören wir von Folterungen. Die Armee führt umfangreiche schwarze Listen. Und für die bevorstehende Präsidentenwahl im Parlament ist den Abgeordneten jede abweichende Äußerung verboten worden.“
Indonesiens politische Führung sieht darin nichts Ungewöhnliches. Der nationale Konsens, hinter den Kulissen erzwungen, ist das Kernstück des indonesischen Herrschaftsmodells Pancasila („fünf Säulen“ - Nationalismus, Gottesglaube, Demokratie, Gerechtigkeit, Menschlichkeit). Ohne Pancasila, glaubt Präsident Suharto, würde der Vielvölker- und Vielreligionenstaat Indonesien in Anarchie versinken. Doch immer mehr Menschen sehen in Pancasila nur noch die Zementierung der bisherigen. Machtstrukturen. Von wegen Aufbau, sagt HJC Princen: „Suharto und die Seinen sind Diebe.“
Nach und nach hat der Präsidentenclan das Land in einen gewaltigen Selbstbedienungsladen verwandelt. Der „Humpuss“-Konzern des zweitjüngsten Suharto-Sohnes Hutomo Mandala Putra „Tommy“ macht mit Pipelines, Banken, Tropenholz, Gewürznelken sowie Schiff- und Luftfahrtgesellschaften über 2 Milliarden Dollar Jahresumsatz.
Kaum weniger erfolgreich sind sein Bruder Bambang Trihatmodjo und die
älteste Schwester Siti Hardijanti Hastuti „Tutu“. Längst haben
sich ausländische Investoren damit abfinden müssen, daß
mindestens einer der Suhartos an den Profiten beteiligt wird. Frau Suharto
heißt hier schlicht „Madame-ten-percent“. Das schamlose Treiben des
Herrscherclans hat die Autorität des Präsidenten längst
untergraben. Aber solange er den Militärs bei ihren eigenen Geschäften
freie Hand läßt, kann er auf ihre Unterstützung bei der
Niederhaltung der immer unzufriedeneren 180 Millionen Indonesier zählen.
Westliche Normen könnten nicht die universellen Richtlinien in der
Menschenrechtsfrage sein, erklärte Suharto Anfang Februar während
der ersten internationalen Konferenz zu diesem Thema in seinem Land überhaupt.
<>
Zurück zur Hauptseite | Watch Indonesia! e.V. | Back to Mainpage |