Indonesien-Information, März 1993 (Präsidentenwahl)

Quelle: FOCUS, 10/1993

 

Nachfolger unerwünscht

Präsident Suharto ignoriert das unzufriedene Volk und läßt sich zum sechstenmal im Amt bestätigen

„Wir wenden keine Gewalt an, aber Unruhestifter lassen wir rausschaffen“. warnt der Generalsekretär der Beratenden Volksversammlung Indonesiens (MPR), Sulaksono, Indonesiens Volksvertreter. 1000 Abgeordnete sind in die Hauptstadt Jakarta gereist, um in dieser Woche Präsident Suharto, 71, für weitere fünf Jahre im Amt zu bestätigen. Und damit das Ganze in Ruhe vonstatten geht, werden die Volksvertreter von 11.000 Polizisten und Soldaten „beschützt“.

Eine Opposition existiert im Inselreich Indonesien nur auf dem Papier. Resigniert vermerkt die zensierte „Jakarta Post“, daß alle wichtigen Entscheidungen ohnehin schon im Vorfeld der Versammlung getroffen wurden. Die Abgeordneten träten bestenfalls als Stimmvieh an.

Kein Zweifel besteht an einer erneuten Wahl Suhartos - seine sechste Amtsperiode. Auch die Wahl des neuen Vizepräsidenten ist nur noch eine Formalität. Diesen Posten wird General Try Sutrisno, Oberkommandierender der Streitkräfte und ehemaliger Mitarbeiter Suhartos, übernehmen. Daß der General nur wenig politisches Ansehen genießt, stört nicht.

„Suharto benimmt sich wie ein Feudalherrscher“, charakterisiert Ali Sadikin, Ex-Gouverneur von Jakarta, die Situation. Der bei Suharto in Ungnade gefallene Sadikin ist sicher, daß Suharto um die Widerstände gegen seine erneute Präsidentschaft weiß.

Besonders die Mittelklasse in den größeren Städten drängt auf ein offeneres, weniger autoritäres System.

Verbttert lächeln Regimekritiker, wenn der betagte Präsident und die mächtigen Generäle von „Öffnung“ und „Partizipation“ sprechen. Weder das Volk noch dessen Vertreter bekamen davon bisher etwas zu spüren. Die Zahl der politischen Parteien ist weiterhin limitiert, die Streitkräfte sind offizielle Ordnungsmacht im Lande.

Immer mehr Indonesier zweifeln daran, daß „Bapak“ (Vater) Suharto wirklich das Wohl aller 190 Millionen. Menschen im 13.677 Inseln umfassenden Indonesien im Sinn hat.

„Die Suharto-Familie - das sind die größten Diebe im Land“, schimpft ein Taxifahrer in Jakarta. Der Unmut über die Geldgier der Präsidentenfamilie wächst. Suharto hat für die Seinen gesorgt. Die Gebühren für Jakartas Stadtautobahn fließen genauso in die Clan-Kasse wie die Einnahmen eines privaten Fernsehsenders. Die Familie ist an so vielen Unternehmen beteiligt, daß Suhartos Frau im Volksmund nur noch „Frau zehn Prozent“ heißt.

Öffentlich wagt niemand über Suhartos Nachfolge zu spekulieren. Doch im Geheimen sind die Diskussionen voll entbrannt. Besonders die Militärs drängen an die Macht. Ansprüche machen auch Moslemorganisationen geltend, die im islamischen Indonesien (88 Prozent) mehr Einfluß verlangen.

Ganz andere Vorstellungen haben die Geschäftsleute. Sie wollen mehr Transparenz und weniger Korruption. Und die Studenten rufen leise, aber vernehmlich nach Demokratisierung.

Der Präsident demonstriert Gelassenheit: „Die Dynamik der Entwicklung hat uns gelehrt, daß wir es mit einem unendlichen Prozeß zu tun haben“, speist Suharto die Nation ab. Und die Generäle lächeln dazu.

JENS BORCHERS/GABY NEUAHR
 
 

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