Indonesien-Information, März 1993 (Kohl-Besuch)

Quelle: Berliner Zeitung, Dienstag, 23.02.1993

 

„Neue Ordnung“ ohne Menschenrechte

Verhältnis Bundesrepublik-Indonesien dennoch ungetrübt / Kohl heute nach Jakarta

Von unserem Redaktionsmitglied Wolfgang Georgi


Heute abend wird Helmut Kohl auf seiner Promotion-Tour für Deutschlands Wirtschaft durch Fernost in Indonesien erwartet. Die Stimmung in Jakarta dürfte ausgezeichnet sein, hat doch der Bundessicherheitsrat dem Inselreich gerade erst den Erwerb von drei Unterseebooten und 39 weiteren Kriegsschiffen aus NVA-Beständen gestattet. Dennoch will Helmut Kohl auch hier brisante Themen nicht aussparen; selbst die permanenten Menschenrechtsverletzungen im besetzten Ost-Timor werde er „sicherlich“ .unter vier Augen“ ansprechen, wie er verlauten ließ.

Der indonesische Außenminister Alatas hat allerdings schon vor der Visite klargemacht, daß Präsident Suharto in dieser Frage nicht ans Einlenken denkt. Alatas wies den Vorschlag Portugals, über das Schicksal Ost-Timors mit einem Referendum entscheiden zu lassen, zurück. Die frühere portugiesische Kolonie war 1975 von Indonesien besetzt worden, als sie in die Unabhängigkeit entlassen werden sollte. Der Militäraktion fielen 200.000 der 700.000 Einwohner zum Opfer; danach kam es immer wieder zu „kleineren“ Massakern wie im November 1991 auf dem Friedhof von Dili, dem Hauptort Ost-Timors. Von den Vereinten Nationen wurde die Annexion nie anerkannt.

Auch in den eigenen Landen war Suharto nicht zimperlich. Er hat Indonesien die „Neue Ordnung“ beschert; Artillerie und Luftwaffe zählten dabei zu den Hauptargumenten, mit denen er den etwa 300 teilweise nach Autonomie strebenden Völkerschaften seines Herrschaftsbereichs den Gedanken der „Einheit in der Vielfalt“ nahebrachte.

In den 60er Jahren ließ er nach einem den Kommunisten zugeschriebenen Staatsstreich-Versuch mehr als 500.000 Menschen niedermetzeln; Anfang der 80er fielen einer neuen Säuberungswelle „nur“ etwa 5.000 Indonesier zum Opfer. Diesmal nannte Suharto den Massenmord „Schocktherapie“, mit der das Land von „unerwünschten Elementen“ gesäubert wurde.

Die Funktion des von den Militärs dominierten Parlaments erschöpft sich darin, die Befehle Suhartos abzunicken. Der Einfachheit halber sind denn auch nur noch zwei Parteien zugelassen, eine islamische und eine christliche. Um, wie der „Vater des Fortschritts“ sagt, dem Lande politische Grabenkämpfe zu ersparen, die dem sozialen Frieden nur Schaden würden. Damit meint Suharto einen Zustand, bei dem mehr als die Hälfte der Familien unter dem Existenzminimum vegetieren muß, während sich der Clan des Präsidenten maßlos bereichert.

Weder Weltbank noch Internationaler Währungsfonds, noch Bundesregierung sehen sich durch diese Zustände veranlaßt, ihre ausgezeichneten Beziehungen zu Jakarta zu überprüfen. Deutschland gehört zu den großzügigsten Kreditgebern Indonesiens - Menschenrechte sind eine Sache, wirtschaftliche Interessen an einem rohstoffreichen Absatzmarkt eine ganz andere. <>
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage