Indonesien-Information, März 1993 (Kohl-Besuch)

Quelle: Frankfurter Rundschau, 01.03.1993

 

Randnotiz

 

Alles Zimt

 
Morgenluft hat Helmut Kohl nicht geschnuppert in dem blühenden Garten des lieben Freundes und Gastgebers Suharto, eine Autostunde von Jakarta entfernt; ihm wurde ein anderer olfaktorischer Eindruck zuteil. Davon später.

Zunächst: Eine Kreuzung ließ er sich erklären, und zwar diejenige zwischen indonesischem Schaf und deutscher Heidschnucke, die den Kanzler (wie eine andere Agentur mitteilt) „mit einem ängstlichen Blöken begrüßte“, weil sie deutsch ist und wohl fürchtete, sie solle nun beim ins Reich — pardon, zum Bund. Vom Kreuzzug seines charmanten Gastgebers im östlichen Timor war weniger die Rede, und auch als Kanzler und Kühe sowie Stiere einander Aug in Aug gegenüberstanden und wohl recht sympathisch fanden, fiel dem Kanzler nicht etwa der Begriff Polizeistaat ein (was angesichts einheimischer Bullen naheläge), sondern: „Ich muß ja noch rasch zu Herrn William Clinton!“

Daraus entstand eine Nachricht, eil eil extra von der Agentur verbreitet. Die tieferen Einsichten, die lebenswichtigen Erkenntnisse hingegen verdanken wir dem Hofbericht.

Hohen Nachrichtenwert hat zum Beispiel die Information, daß die Inder keinen richtigen Glühwein herzustellen vermögen. Bisher erinnerten wir uns nur der liebevoll-rassistischen englischen Inderwitze, deren Pointe darin besteht, daß indische Köche Hühnereier einfach nicht weichkriegen, und wenn sie sie eine halbe Stunde lang sieden lassen. Jetzt schlägt die Wirklichkeit den Witz um die Länge jener Nase, mit der der Bundeskanzler ein bestimmtes Aroma wahrnahm: Zimt! Zimt, fiel ihm siedend heiß ein, haben die Inder nicht in meinen Glühwein getan! Sie können's eben nicht.

Für uns ist die ganze Story irgendwie enttäuschend. Wir hofften doch den Kanzler endlich in jenem Land, wo der Pfeffer wächst. Dorthin mag er wiederum uns wünschen; aber wir sind leider unbestechlich, caros amigos, und müssen notgedrungen auf solche Trips verzichten, wie sie den Mächtigen immer mal wieder zufallen, damit sie ein paar Tage lang das Leiden an der Verdrossenheit nicht mit ansehen müssen, die sie uns bereiten. Sie müssen ausruhen von der Anstrengungen der Demokratie.

Demokratie? Alles Zimt Kohl, erfahren wir noch, sieht sich selbst als einen verhinderten Bauern. Leute, tut ihm den Gefallen! Es muß ja nicht die Mistgabel sein. Ein Stimmzettel genügt.

CAROLUS
 
 

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