Indonesien-Information Nr. 3 1994 (Landrechte)

 

 

Erfolg für Kedung Ombo vor dem Obersten Gerichtshof


Kedung Ombo, Mittel-Java - ein Staudamm-Megaprojekt, dessen Namen vielen noch in den Ohren klingt. Erinnerungen werden wach an Bilder, die zeigten, wie Menschen auf den Dächern ihrer überfluteten Häuser ausharrten, und an eine Bewegung, die von einer kaum je zuvor erreichten Vielzahl von NGOs und StudentInnen unterstützt wurde.

Mit Kedung Ombo wurden Landrechtsprobleme in Indonesien einer breiten Öffentlichkeit so drastisch vor Augen geführt, daß sie bis heute eines der beherrschenden Themen in Indonesien geblieben sind. 6.000 Familien sollten im Rahmen des Projekts nach Sumatra umgesiedelt werden - wo sie eine ungewisse Zukunft als TransmigrantInnen erwartete.

Andere Alternativen kamen für die Bauern von Kedung Ombo kaum in Betracht, denn die geringen finanziellen Entschädigungen, die sie für Ihr Land erhalten sollten, erlaubten keine großen Sprünge. Der lautstarke Protest gegen die Überflutung wertvollen Ackerlandes und ganzer Dörfer blieb auch im fernen Washington D.C. nicht ungehört und trug mit dazu bei, daß gewisse vorsichtige Änderungen in der Politik der Weltbank stattfanden.

Nur 34 der ca. 6.000 betroffenen Familien hielten bis zum Schluß durch und klagten gegen die Provinzregierung Mittel-Javas sowie gegen das Ministerium für öffentliche Arbeiten (Departemen PU), unter dessen Federführung der Staudammbau stand. Bei der feierlichen Eröffnung des Dammes 1991 mußten sich diese wenigen Standhaften von Präsident Suharto als „Gegner des Fortschritts“ und als „Rebellen“ bezeichnen lassen. Doch nun, fünf Jahre nach den Ereignissen von Kedung Ombo, wurde den Vertriebenen späte Genugtuung zuteil.

Der Oberste Gerichtshof kassierte die Urteile zweier unterer Instanzen und gab der Klage der Bauern recht. Mehr noch, es sprach den Betroffenen weit höhere Entschädigungen zu, als diese selbst gefordert hatten.

Die Forderung der Bauern belief sich auf Rp. 10.000/m (DM 8,-) - weit mehr als die Rp. 2 800/m (DM 0,64), die ihnen die Regierung 1987 versprochen hatte. Das Urteil des Obersten Gerichtshofs macht deutlich, daß die Forderung der Vertriebenen eher bescheiden war: es setzte Entschädigungen in Höhe von Rp. 50.000/m (DM 40,-) für bebautes und Rp. 30.000/m (DM 24,-) für unbebautes Land fest. Darüberhinaus gesteht das Oberste Gericht den Klägern für immaterielle Schäden eine Abfindung in Höhe von Rp. 2 mrd (DM 1,6 mio) zu. Die Anwälte des Rechtshilfeinstituts LBH, die die Kläger vor Gericht vertraten, summierten die zu zahlenden Entschädigungen auf insgesamt ca. Rp. 9,97 mrd (ca. DM 8 mio).

In der Sache, heißt es in dem Urteil, „ist das Gericht der Auffassung, daß die Räumung des Landes für das Bewässerungsprojekt Kedung Ombo in gemeinsamer Beratung mit den Betroffenen (musyawarah) hätte ausgehandelt werden müssen, und nicht unter Ausübung von Druck vonstatten gehen durfte ... es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, wenn Verhandlungen mit dem einfachen Volk unter Aufsicht von Polizei und bewaffnetem Militär stattfinden müssen.“ Die unerwartete Höhe der Abfindungen begründete das Gericht darüberhinaus unter anderem mit der Berücksichtigung der hohen Inflationsrate.

Etwas seltsam ist freilich, daß das Urteil erst am 4.7.1994 zugestellt wurde, obwohl es bereits vor einem Jahr gefällt worden war. Das Urteil trägt die Unterschrift des vorsitzenden Richters Asikin Kusuma Atmadja mit Datum vom 28.7.1993 - zwei Tage vor der Pensionierung Asikins. Es wundert daher nicht, daß die Echtheit des Urteils von seiten der Regierung in Zweifel gezogen wurde und der Verdacht, daß hier ein Richter späte Rache am System nehmen wollte, liegt auf der Hand. Doch Bismar Siregar, ebenfalls Richter beim Obersten Gerichtshof, und Gerichtspräsident Purwoto S. Gandasubrata bestätigten die Echtheit des Urteils und kommentierten, das Gericht habe gute Gründe für die Entscheidung gehabt.

Möglicherweise wird LBH nun versuchen, auch die Rechte derer durchzusetzen, die sich seinerzeit bereits abgefunden hatten und nach Sumatra umsiedeln ließen. Sollten auch sie vor Gericht Erfolg haben, stiegen die von der Regierung zu zahlenden Abfindungen ins Unermeßliche. Schlimmer noch für die Machthaber in Jakarta, die Durchführung anderer Projekte könnte gefährdet sein. Schon gab Japan zu verstehen, es werde sich aus einem vergleichbaren Staudammprojekt auf Sumatra zurückziehen, sollte dort mit ähnlichen Schwierigkeiten zu rechnen sein. So einfach wird, was allgemein unter Entwicklungshilfe der reichen Länder verbucht wird, in den Empfängerländern zur direkten Aufforderung, sich über Menschenrechte hinwegzusetzen.

Suharto kennt diese Gefahr. Nach Bekanntwerden des Urteils zitierte er sowohl Landwirtschaftsminister Sony Harsono als auch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Gandasubrata zu sich. In den Gesprächen versuchte er zu verdeutlichen, daß das Gemeinwohl höher zu bewerten sei als die Rechte einzelner. Während sich Gandasubrata unbeeindruckt zeigte und auf die Unabhängigkeit des Gerichts verwies, erklärte Sony Harsono: „vergessen Sie nicht, daß es öffentliche Gelder sind, um die es hier geht.“ Er kündigte an, alle rechtlichen Schritte auszuschöpfen, um die Umsetzung des Urteils zu blockieren.

Der Rückendeckung aus Jakarta bewußt, weigert sich die Provinzregierung von Mittel-Java zu zahlen. Sie kündigte an, den Prozeß erneut aufrollen zu wollen, da sie angeblich über neues Beweismaterial verfüge. Doch selbst wenn diese Gegenklage vom Gericht abgewiesen werden sollte, wird es noch einige Zeit dauern, bis die geschädigten Bauern in den Genuß ihrer Abfindungen kommen. Die hohe Abfindungssumme müßte in den nächsten Provinzhaushalt aufgenommen werden, sodaß sie frühestens im Finanzjahr 1995/96 ausgezahlt werden könnte.

Wie auch immer der Fall ausgeht, die Betroffenen zeigen wenig Freude über ihren Erfolg vor Gericht. „Neun Milliarden Rupiah können nicht die Verletzungen wiedergutmachen, die wir erlitten haben,“ sagt Mbah Wito, 65 Jahre, die nun am Rande des neuen Stausees lebt.

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/Asia Week, 10.8.94; Forum Keadilan, 4.8.94; The Australian, 2.8.94, Suara Merdeka, 13.9.94 u. Suara Pembaruan, 18.9.94/
 
 

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