Die örtliche Bevölkerung bekommt nur Hilfsjobs, weil sie nach
Meinung des Unternehmens über keine ausreichende Ausbildung verfügt.
Die Löhne sind entsprechend gering. Entlassungen ohne Vorwarnung sind
üblich, als Grund wird meist „keine Disziplin“ angegeben.
Als Entschädigung nach einer Art Lotteriesystem werden jedes Jahr an jeden der kepala suku (Ältester einer Großfamilie), in deren Gebiet der Holzeinschlag stattfindet, 100.000 Rupiah gezahlt. Das Unternehmen hatte weitere Versprechungen gemacht: es wollte beim Anlegen neuer Gärten helfen, die großen Bäume zu fällen. Das Dorf sollte ein Transportauto und eine Motorsäge erhalten. Weil nichts davon eingehalten wurde, ist die Unzufriedenheit mit dem Unternehmen jetzt sehr groß.
Nach Vorstellung der YPMD-Sudie waren sich die VeranstaltungsteilnehmerInnen einig, daß diese Entschädigungspraxis geltendem Recht widerspricht. Im Grunde sei es Wirtschaftskriminalität und es wurde bedauert, daß dieses schändliche Verhalten noch nie im Parlament diskutiert worden sei.
Man zog die Schlußfolgerung, daß die Holzunternehmen keine positiven Veränderungen für Irian bringen. Im Gegenteil: das Leben der Dorfbevölkerung wurde schwerer. Sie müssen zusehen, wie ihr Recht auf neue Gärten und ihr Recht zu jagen eingeschränkt wird, und nur wenige geringen Lohn erhalten. Insgesamt wurde das Dorfeinkommen nicht erhöht.
In der Studie von YPMD wird darum abschließend kritisiert, daß
trotz alledem immer noch Konzessionen vergeben werden, mit der Begründung,
sie seien „Agenten der Entwicklung“ und brächten Devisen ins Land.
Aufgrund der Erfahrung, daß die lokale Bevölkerung nicht davon
profitiert, wurde 1992 ein Gesetz erlassen, das alle Unternehmen verpflichtet,
Dorfentwicklungszentren (HPH Bina Desa) einzurichten. Doch auch diese sind
von geringem Nutzen, da ausschließlich nach Vorgaben aus Jakarta
oder der Bezirksregierung gearbeitet wird und die Vorschläge, Bedürfnisse
und Ziele der lokalen Bevölkerung völlig ignoriert werden.
Schon bei der Ankunft am Strand standen hier zur Begrüßung neben Bürgermeister, Polizei und Militärkommandant auch die beiden Manager von Somalindo aus Java und der Wachschutz. Vom Besuch aus Europa erhofften sie sich etwas Abwechlung in ihr abgeschiedenes Leben. Leider stieß uns ihr arrogantes Benehmen sehr ab. Am ersten Begrüßungsabend beim Militär traten sie als die eigentlich Wichtigen auf. Als wir uns vorstellten, fotografierten sie jeden - ich scherzte: „für die Stasi?“, unser begleitender Pfarrer nickte nur.
In Betaf sind die Holzkonzessionäre mit Abstand die Reichsten - sie haben sich vom Unternehmen in Takar bis nach Betaf eine Straße gebaut, die nur sie befahren, weil nur sie ein Auto haben. Aber sie sind großzügig. Oft laden sie die Soldaten ein - in Takar gibt es Strom, Fernseher und kaltes Bier. Solche engen Beziehungen zwischen Militär und Unternehmen sind in Irian die Regel. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, daß Soldaten zu den umgerechnte ca. 300,- DM Gehalt noch 300,- DM Zuschuß von jenem Holzunternehmen bekommen, mit dem sie kooperieren. Die Manager drängten uns, ihr Konzessionsgebiet selber anzusehen. Sie wollten uns überzeugen, daß die Propaganda, „Indonesien zerstöre den Regenwald“, nicht stimme. Wir freuten uns auf diese Gelegenheit, sie schickten einen Laster und wir starteten zuversichtlich Richtung Takar - doch alles kam ganz anders. In Takar, auf dem Werksgelände, bekamen wir ein schlechtes Essen, dafür aber Coca Cola aus dem Kühlschrank. Unsere Begleiter von einer lokalen Kirchengemeinde bekamen nichts. In der Kantine lief der Fernseher - wir „durften“ uns mit weiteren Angestellten asiatische Schönheitsideale im Badeanzug ansehen. Dann gab es plötzlich Probleme. Man flüsterte mir zu, das Militär garantiere nicht für unsere Sicherheit. Was das bedeuten sollte, verstand ich nicht - die Manager luden uns weiterhin ein, nun in das Abholzungsgebiet zu fahren. Wir wollten unbedingt, unsere Begleiter sagten jedoch: „ihr seid müde, wie fahren heim“. Dieses Argument kam häufiger, wenn etwas nicht klappte - aber was war wirklich los? Was wurde hier gespielt? Die Zerstörung des Regenwaldes sahen wir nicht - doch gerade dadurch kapierten wir viel: Wer hat den Ausflug verhindert? Unsere Begleiter? Aus Sorge wovor? Die Aussage der Militärs „wir garantieren die Sicherheit nicht“ ist als Drohung zu verstehen. Denn wer sonst könnte uns im Wald Probleme machen?? Wollten die Manager wirklich? Sie stecken doch mit dem Militär unter einer Decke! Mußten die Soldaten es verbieten, damit das Unternehmen gut dasteht? Die Kirchengemeinden haben einschlägige Erfahrungen. Darum wollten sie nicht, daß wir völlig abhängig vom Unternehmen - das über die einzigen Autos verfügt - bis spät abends im Wald sind. Unsere Begleiter vertrauten ihnen nicht. Wir auch nicht. Doch den Umfang ihrer Macht erahnten wir erst zwei Tage später, als sie eine von uns sexuell belästigten. „Ja, so sind sie“, sagte ein Pfarrer, „wir kennen das und darum wollten wir nicht in den Wald“. Wir fragten uns: wenn sie sich uns gegenüber so benehmen, wie respektlos sind sie dann zu einheimischen Frauen? Sie kennen keine Grenzen...
In Betaf sahen wir also nur die sozialen, nicht die ökologischen
Auswirkungen. Die Manager nutzen die Gelegenheit, uns zu erzählen,
sie würden nur gezielt einzelne Bäume fällen und gleich
wieder anpflanzen und den Menschen aus den Dörfern Arbeit und Ausbildung
ermöglichen. In der Kürze der Zeit gelang es uns nicht, die Situation
genauer zu untersuchen.
Eindrücke der Reisegruppe in Küstendörfern: „Sind die Leute in Irian faul? Sind sie unterentwickelt? Wir erlebten im Dorf durchaus eine andere Arbeitsmoral als wir es aus Deutschland gewohnt sind. Ein Grund ist wohl, daß die Natur die Menschen verwöhnt: sie müssen nicht Monate vor der Ernte das Feld bestellen, sähen, pflegen, sondern gehen einfach in den Wald und schlagen einen Sagobaum. Und jagen Wildschweine oder fischen - bisher war reichlich vorhanden. Viel Zeit wird gemeinsam verbracht, mit reden und singen. Dabei scheinen Freizeit und Arbeit, tätig sein und Pause machen nicht getrennt zu sein. Besonders als wir auf einer kleinen Insel vor der Küste waren, erinnerte der Alltag oft an Vorstellungen vom Paradies: man lebt in Gemeinschaft, ist herzlich, teilt miteinander. Das Leben im Dorf ist einfach, aber das ist keine Armut. Niemand hat Hunger und auch Elend gab es nicht. Doch es heißt, die Leute könnten nicht arbeiten, seien faul und dumm. Ist das das Problem?“
Der unvorstellbare Reichtum an Naturschätzen Irians trägt
etwa 20 % des indonesischen Nationaleinkommens. Doch die Menschen in Irian
sind arm. 77,5 % der Dörfer wurden von der Regierung als „arm“ eingestuft
(zum Vergleich: 40 % in Sumatra, 29 % in Java). Wo bleibt also Irians Reichtum?
In der Studie von YPMD zitiert der Autor aus dem Buch „Irian Jaya, a new
frontier for trade investment and tourism“, das von der Provinzregierung
herausgegeben wurde. Um den Beitrag der Holzwirtschaft an den Einnahmen
Irians zu erhöhen, sollen 13 Sperrholzwerke mit einer Kapazität
von 2,2 Milliarden m3/Jahr und 10 Sägewerke für
330.000 m3/Jahr errichtet werden. Schon jetzt erhält die
Regierung Einnahmen aus Konzessionsgebühren, Steuern und verschiedenen
Abgaben. Im Zeitraum 1983/84 bis 1990/91 brachten die Waldkonzessionen
dem Staat dadurch 5.495.200 Millionen Rupiah ein. Davon flossen an die
Zentralregierung nach Jakarta 73,37 %, an die Provinzregierung Irian Jayas
16,6 % und 6,2 % an die Regierungen der Distrikte. Im Dorf selber bleibt
nichts - außer den sozialen und ökologischen Nebenwirkungen.
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Grundlage der traditionellen Lebensweise ist das traditionelle Landrecht: Die Erde ist wie unsere Mutter und nährt uns. Nur in Absprache mit der Gemeischaft und unter Respekt der Taburegeln darf man jagen, Sago fällen und Gärten anlegen, jedoch gibt es keinen Privatbesitz und das Land ist unverkäuflich. Doch die neuen Mächte haben eine andere Logik: Holzkonzerne und Regierungsprogramme zur Transmigration wollen Land kaufen. Die lokalen Gemeinschaften sind selten fähig, angesichts dieses neuen Problems zu reagieren und ihre Interessen durchzusetzen. Denn Landbesitz wird nur anerkannt, wenn man Zertifikate vorweisen kann, die aufwendig und teuer zu erstehen sind. Und: Zertifikate gibt es nur für Privatbesitz, nicht für Gemeinschaftsland.
In der Zeitung Serikat der evangelischen Kirche in Irian Jaya vom Dezember '93 wurde beschrieben, wie Landenteignungen durchgesetzt werden. „Der Wald ist ein wichtiger Bestandteil der Natur und Gottes ganzer Schöpfung, und muß daher gewahrt und gepflegt werden. Wir müssen an unsere Kinder denken. Für die Menschen Irians ist der Wald überliefertes Eigentum der Bevölkerung und aufgrund der damit verbundenen Rechte müssen die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung Priorität haben. Nun gibt es Bestrebungen, die Rolle von traditionellen Autoritäten (die Ältesten von Clans u.a. dörfliche Selbstverwaltungsstrukturen) zu begrenzen. Dazu werden fremde Regierungsstrukturen eingeführt, z.B. die Dorfvorsteher (kepala desa). Manchmal treten diese traditionelle Rechte ab, angeblich im Namen der Bevölkerung. Das schafft Probleme, denn ein Dorfvorsteher hat gar nicht das Recht und die Autorität über traditionelle Rechte zu verfügen.“
Mit Zuckerbrot und Peitsche werden die Dörfer zum Verkauf von Land gezwungen. Es gibt eine Vielzahl von Methoden: Die Erteilung einer Holzkonzession für Somalindo war schon lange von oben entschieden. Die Firma verhandelte mit der Regierung, selbst die Bürgermeister wurden anschließend nur informiert, die zugesagten Entschädigungszahlungen stehen bis heute aus. Den Bewohnern der Insel Yamna wurde versprochen, daß sie - als Gegenleistung für die Einrichtung eines Holzsammelpunktes - an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen werden, was nie geschah, wie in anderen Fällen mit leeren oder lächerlichen Versprechen. Und in Taronta schenkte der kepala adat, der traditionelle Führer, der Regierung ein 50.000 ha großes Gebiet zur Ansiedlung von Transmigranten. Inzwischen wurden Traktoren und Bulldozer abgeladen, um den Wald für die Ansiedelung von 150 Familien „vorzubereiten“.
Warum gab er das Land her? Über Gründe kann man spekulieren: Manche kepala adat stimmen zu, weil sie mit privaten Geschenken bestochen wurden. „Sie haben schon den Virus des Materialismus und Egoismus“, wurde das kommentiert - sie sind nicht mehr in erster Linie ihrem Dorf verpflichtet. Andere sehen sich in einer hoffnungslosen Situation, von der Welt vergessen, und glauben der Propaganda, daß Transmigration Entwicklung in die Region bringe. Sie haben nicht gesehen, wie in anderen Transmigrationsgebieten die einheimische Bevölkerung systematisch an den Rand gedrängt wird, weil sie in Konkurrenz mit „kapitalismusgeübten“ Siedlern unterliegt. Andere wissen das wohl, wagen es aber nicht, zu widersprechen, weil sie unter Druck gesetzt werden. Sie haben Angst gebrandmarkt zu werden als Regierungsfeind oder gar als OPM-Unterstützer.
„Aber wie können sie nur ihr ganzes Land kaputtmachen?“ „Weil noch
der Wachstumsglaube herrscht und viele in Indonesien glauben, daß
ökonomische Entwicklung gleich Ausbeutung ist. Und weil das Land Devisen
braucht. Aber wer braucht Devisen? Die Mittel- und Oberschicht. Die Leute,
die auch die Macht haben, Entscheidungen zu fällen. Diese Leute sitzen
weit weg in Jakarta und erleben die Auswirkungen für das Leben der
Menschen in Irian nicht.“
1. Traditionelles Landrecht versus staatliches Landrecht und Ausverkauf des Landes.
2. Politik des ökonomischen Wachstums. Dies ist seit 1965 die Makropolitik des indonesischen Staates. Wachstum soll durch zahlreiche ausländische Investoren erreicht werden - diese wiederum verlangen „nationale Stabilität“.
3. Mit dem „security approach“ garantiert das Militär Stabilität. Sicherheit ist das zenrale Kriterium und steht über Werten wie Meinungsfreiheit oder Organisationsfreiheit. Hinter den Firmen steht das Militär, dessen Macht in Konflikten grenzenlos ist. Dennoch gibt es auch in Irian, ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen (NGO), die im Bereich von Umwelt- oder Menschenrechtsthemen zahlreiche Aktivitäten durchführen. Einige erstellen sozialkritische Studien zu strittigen Themen, z.B. dem Nutzen von Holzkonzessionen. Oder sie sammeln traditionelles ökologisches Wissen (indigeneous resource management). Andere organisieren Lobbarbeit in Indonesien sowie mit befreundeten Organisationen im Ausland. Manche arbeiten in den Gemeinschaften direkt vor Ort. Zum Beispiel wird durch Rechtshilfeseminare für traditionelle Führer versucht, die alten Strukturen zu befähigen, auf die neuen Probleme zu reagieren. Gemeinsam wird dort die neue Situation analysiert und mit Hilfe der eigenen Traditionen und dem Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen werden Strategien entwickelt. Vor Ort wird versucht mit community organising den Zusammenhalt in und zwischen den Dörfern und damit ihre bargaining position in Konflikten zu stärken. Alle Tätigkeiten an der Basis, die die Interessen der Bevölkerung stärken, werden von der Regierung verdächtigt und überwacht. Aus Angst, verboten zu werden, gehen NGOs immer wieder Kompromisse ein.
Im Gegensatz zum Wissen um die Konflikte In Ost-Timor herrscht in Deutschland völliges Unwissen über Irian. Doch internationale Konzerne beuten zusammen mit den indonesischen Irians Naturschätze aus. Hier müssen genaue Daten erhoben werden. Offensichtlich ist, daß das Interesse auch deutscher Firmen an „sicheren Investitionsbedingungen“ dazu führt, daß die Bundesregierung das Regime in Jakarta massiv stützt. Wir können bekannt machen, was die Folgen dieser Politik in einem so weit entfernten Teil der Erde sind. Aufgrund der Missionsgeschichte in Irian Jaya hat die Kirche da eine besondere Verantwortung. Und wer außer diesen Kreisen in Deutschland weiß schon, wo Irian liegt und wie die Situation dort ist? Wer also kann seine Stimme erheben?
„Schadet es nicht den Papuas selber, wenn es weniger Zusammenarbeit
mit dem Ausland gibt? Nein, war die klare Antwort: Denn 80 % leben sowieso
sehr isoliert im Dorf und haben bis heute noch gar nicht von Errungenschaften
profitiert. Sie erfahren nur Landvertreibung und Zerstörung. Sie haben
nichts zu verlieren.“ <>
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