Indonesien-Information Nr. 3 1994 (Demokratie)

 

PRD - eine neue Partei?


Anfang dieses Jahres, im Klima der „Säuberungsaktion 94“ (Operasi Bersih 94), als in Java, insbesondere in Jakarta, Militär und paramilitärische Vereinigungen offiziell auf Kriminellenhatz gingen (vgl. Indonesien-Information, Juni 94) und Versammlungsverbote auf der Tagesordnung standen, gründete sich die Organisation „Persatuan Rakyat Demokratik“ (PRD), übersetzt „Vereinigung des demokratischen Volkes“. Ihre Mitglieder sind vorwiegend StudentenaktivistInnen, die schon seit Ende der 80er Jahre Proteste der Landbevölkerung sowie der ArbeiterInnen unterstützen und organisieren. Aber auch so bekannte Persönlichkeiten wie der Dichter Wiji Thukul aus Solo oder der Dozent Aris Arif Mundayat von der Gajah Mada Universität in Yogya gehören dem PRD-Vorstand an. Neben dem Büro in Jakarta hat die PRD Vertretungen in verschiedenen Städten auf Java, Sumatra und Bali. Vorstandsmitglied Juli Eko Nugroho, der im August nach Berlin kam, sagte gegenüber Watch Indonesia!: „Wir kritisieren an den NGOs der Demokratiebewegung in Indonesien, daß sie bisher hauptsächlich mit spontanen Protestaktionen an die Öffentlichkeit traten. Die meisten werden von finanzieller Unterstützung aus dem Ausland getragen und sind stark von Führungspersönlichkeiten wie z.B. Buyung Nasution abhängig. Immer besteht die Gefahr, daß, wenn das Geld ausbleibt bzw. diese Figuren ausgeschaltet werden, ihr Engagement zum Erliegen kommt.“ Trotzdem arbeitete die PRD eng mit den von ihr kritisierten Gruppen zusammen, als es darum ging, gemeinsam gegen die Verbote von Tempo, Editor und DeTik zu protestieren. Auch mit Arbeiter- und Bauern-AktivistInnen anderer NGOs steht PRD in enger Verbindung.

Finanzielle Hilfe erhält die PRD indirekt durch andere NGOs, wie z.B. der Umweltorganisation Walhi, deren Räume die PRD als Büro nutzt. Außerdem pflegt sie durchaus Kontakte zu progressiven Intellektuellen, KünstlerInnen und einzelnen PolitikerInnen aus PDI, PPP und der Moslemorganisation Nahdlatul Ulama (NU).

Vernetzung ist ausdrückliches Hauptziel der PRD-Tätigkeit, die nur in einer flächendeckenden Bewegung eine gesellschaftliche Kraft sieht, die grundlegende Veränderungen im autoritären System bewirken könnte. „Vielversprechend ist die Arbeit der unabhängigen Gewerkschaft SBSI,“ meint Juli. „Dies ist wirklich der Versuch, eine Massenbewegung aufzubauen. Sie hat einen gewissen Spielraum geschaffen, wenn ich auch fürchte, daß es der Regierung leicht fällt, diesen mit einem Schlag wieder zu vernichten.“ Die Verhaftung Muchtar Pakpahans, dem Führer der SBSI, scheint dies vorerst zu bestätigen. Beziehungen zu Suharto-Gegnern innerhalb der Elite lehnt Juli grundsätzlich ab. „Diese Koalitionen sind immer gefährlich. Die Geschichte hat gezeigt, daß die AktivistInnen stets zu Werkzeugen gemacht wurden, wenn sie sich mit dem Militär einließen. Das Militär handelt in seinem eigenen Interesse, und das wird von einer Demokratisierung immer verschieden sein.“

In einer Deklaration fordert die PRD bürgerliche Rechte wie Versammlungsfreiheit, das Recht, Organisationen zu gründen, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrations- und Streikrecht, freie Wahlen, das Recht auf kostenlose Bildung und eine grundsätzliche Reform des Erziehungssystems. Darüberhinaus verlangt sie die Freilassung politischer Gefangener, faire Gerichtsverfahren, eine friedliche Lösung des Ost-Timor-Konfliktes, die Eliminierung kultureller, rassistischer und sexistischer Diskriminierung, die Entmachtung der wirtschaftlichen Konglomerate durch eine Entflechtung von politischer und ökonomischer Macht, Protektion einheimischer Produkte aus der Landwirtschaft, Rückgabe von enteignetem Land und die Erhebung progressiver Steuern aus denen Auslandsschulden bezahlt werden sollen.

Die Gründung der PRD wurde von offizieller Seite mit Mißfallen registriert. Der Minister für politische und soziale Angelegenheiten, Soesilo Soedarman, warnte PRD davor, sich in die Politik einzumischen. Per Gesetz stünde lediglich drei sozio-politischen Organisationen dieses Recht zu, nämlich der Staatspartei GOLKAR und den beiden Blockflöten PDI und PPP. Ein Sprecher des Ministeriums drohte mit polizeilichem Verbot, sollte die PRD die Warnung nicht ernstnehmen. Professor Ichlasul Amal von der Gajah Mada Universität stellte allerdings richtig, daß das von Soedarman zitierte Gesetz lediglich politische Organisationen betreffe, die an Wahlen teilnehmen wollen, und keineswegs jegliche politische Organisation neben GOLKAR, PDI und PPP verbiete /Green Left, 18.5.95/. Schlimm genug!

Von den Drohungen der Regierung offenbar unbeeindruckt, gründete sich Ende September eine weitere politische Organisation, die sich die Demokratisierung der Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Sie nennt sich „Allianz für Volksdemokratie“ (Aliansi Demokrasi Rakyat, ALDERA). Zu ihren Mitgliedern zählen StudentInnen, NGO-VertreterInnen, Bauern und Arbeitende aus bislang 15 Städten zwischen Medan und Mataram. Ein 5-Punkte-Programm der ALDERA umfaßt u.a. die Förderung und Koordinierung der Aktivitäten des Volkes im Kampf für die Demokratie bei voller Achtung der bestehenden Unterschiede innerhalb der Gesellschaft. Weitere Punkte sind der Kampf um die Meinungsfreiheit, die Achtung der Menschenrechte mit dem Grundelement des Rechts auf politische Betätigung, die Entwicklung einer Wirtschaft, die der Mehrheit des Volkes zugute kommt und der Kampf für eine gerechte Justiz. /BBC-Indonesia, 27.9.94/ <>
 
 
 

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