Indonesiens Regierung hat 1989 die sogenannte Öffnungspolitik
verkündet. In der Presse wird das manchmal »indonesische Perestroika«
genannt. Präsident Suhartos jüngste Äußerungen zu
Menschenrechtsverletzungen lassen eher, auf das Gegenteil schließen...
Perestroika ist nicht das richtige Wort. Auch »Öffnungspolitik« trifft es nicht. Der Unterschied zur Zeit des harten Kurses des Regimes ist, daß wir damals wußten, was verboten ist. Heute können wir nur nach der Methode »trial and error« vorgehen. Es gibt immer noch 200 politische Häftlinge, mit den Studenten ist sogar eine neue Gruppe dazugekommen. Zeitungen werden sofort wieder verboten, wenn sie das Regime kritisieren. Es gibt keine wirkliche Demokratie in lndonesien. Was Präsident Suharto am Montag zur Eröffnung eines Symposiums über Menschenrechte sagte, untermauert das: Indonesien, so meinte er, könne nicht blindlings den vom Westen ausgehenden Ansichten über die Menschenrechte folgen, die von den Vereinten Nationen propagiert würden. Man werde jene ratifizieren, »die mit unserer nationalen Ideologie übereinstimmen«. Ausländische Wertvorstellungen, die gegen indonesisches Kultur- und Glaubensgut verstießen, müßten abgelehnt werden ...
Führungsmitglieder der Kommunistischen Partei (PKI) gehören zu den politischen Häftlingen, die weltweit am längsten festgehalten werden. Seit dem Militärputsch 1965 werden immer wieder einzelne von ihnen hingerichtet. Wie viele von ihnen leben noch?
Genau wissen wir das nicht, Im Cipinang-Gefängnis von Djakarta sitzen noch sechs oder sieben. Fünf von ihnen sind zum Tode verurteilt. Sie dürfen nur von ihren Familienangehörigen besucht werden. Aber viele von ihnen leben auf weit entfernten Inseln, andere wiederum wagen nicht zu kommen, weil sie anschließend Repressalien befürchten. Viele Gefangene warten nur noch auf den Moment, wann sie hingerichtet werden. Auch die Menschenrechtsaktivisten scheuten lange vor einem Besuch zurück, weil schon allein das Etikett PKI abschreckte. Dem Militär ist es gelungen, einen Mythos der Gefährlichkeit der PKI zu schaffen, obwohl die Partei schon lange keine Rolle mehr spielt. Das Resultat ist, daß diese Gefangenen in Indonesien vergessen sind.
Was tut die Demokratie-Bewegung in dieser Hinsicht?
Die Frage einer Generalamnestie steht selbst bei ihr ganz am Rande. Das Trauma von 1965 sitzt tief. So ist es auch fraglich, ob die Gesellschaft bereit wäre, diese Gefangenen wieder aufzunehmen. Die Bevölkerung muß sich erst daran gewöhnen, daß es verschiedene politische Auffassungen gibt.
Welche Rolle spielt das Thema des besetzten Osttimor?
Das war lange tabuisiert. Erst in letzter Zeit sind in Indonesien Soligruppen für Osttimor entstanden. Es besteht Einigkeit in der Demokratie-Bewegung, daß Osttimor nicht zu Indonesien gehört. Auf Druck Clintons hat selbst Staatschef Suharto bereits erklären müssen, daß Indonesien nur Gast in Osttimor ist. Das heißt: Ein Gast kann auch wieder gehen.
Ist die Demokratie-Bewegung antikapitalistisch?
Sie meinen, ob sie ideologisch ist? Wir haben beschlossen, alle Differenzen hintanzustellen. Wir können uns nicht gegenseitig bekämpfen, solange wir ein totalitäres Regime haben. Und: Der Kapitalismus ist die einzige Macht, die übriggeblieben ist, das müssen wir einkalkulieren. Wenn sie nach der sozialistischen Komponente fragen: Die PKI spielt keine Rolle mehr, die Idee des Sozialismus aber. Sie ist eine Farbe unserer Bewegung.
Interview: Thomas Ruttig
Junge Welt, 26.10.94
Rahland Nashidik befand sich auf Einladung von amnesty international
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