Indonesien-Information Nr. 3 1994 (ArbeiterInnen)

 

Freunde schaffen mit immer mehr Waffen


Die USA beschließen wegen Mißachtung der Menschenrechte, die Militärhilfe für Indonesien vorläufig einzuschränken. Australien, Frankreich und Großbritannien beeilen sich, die somit freigewordene Lücke für ihre Interessen zu nutzen. In Deutschland prüft die Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen illegaler Rüstungslieferungen nach Indonesien.
 

Im Mai beschloß das Repräsentantenhaus, das militärische Trainingsprogramm für Indonesien IMET (International Military Education and Training) zu streichen. Der Beschluß verbietet nun auch ausdrücklich, das IMET-Programm gegen Bezahlung durchzuführen, nachdem ein bereits 1992 gefaßter Kongreß-Beschluß unterlaufen worden war. Damals war die kostenlose Durchführung des Trainings für 1994 verboten worden. Doch schnell fand Indonesien heraus, daß eine Durchführung des Trainings gegen Bezahlung nicht verboten war. Für die dafür benötigten Gelder fand sich in den USA sogar ein spezieller Kreditfonds, der in Anspruch genommen werden konnte (vgl. Indonesien-Information, Dez. 93). Das Repräsentantenhaus gab nun zu verstehen, es fühle sich hintergangen, und bekräftigte seine Absicht, die Durchführung von IMET zu verhindern.

Das Repräsentantenhaus nahm auch Stellung zu Rüstungslieferungen an Indonesien. Vor möglichen Waffenverkäufen solle eingehend geprüft werden, ob sich Indonesien an die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates hält, in denen ein Rückzug der Truppen aus Ost-Timor sowie das Selbstbestimmungsrecht der Inselhälfte gefordert wird, heißt es in der Erklärung des zuständigen Kongreß-Ausschusses. /ETAN, 26.5.94/

Bereits im Januar hatte das US-State Departement auf Druck des Kongresses beschlossen, den Verkauf 'kleiner Waffen' an Indonesien auszusetzen. Zur Begründung hieß es, die Sanktion sei eine Antwort auf die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen Indonesiens, nicht nur in Ost-Timor /Arms Trade News, Mai 94/.

Am 14. Juli folgte ein formeller Beschluß des Senats in derselben Sache, nachdem ein Gesetzesentwurf, der Indonesien den Gebrauch von Waffen US-amerikanischen Ursprungs in Ost-Timor verbieten sollte, zwei Wochen zuvor keine Mehrheit im Senat gefunden hatte. /East Timor Action Network, 14.7.94/

Eine konkrete Auflistung der von dem Exportverbot betroffenen Waffen wurde nicht erstellt. So muß nun im Einzelfall geprüft werden, was unter den Begriff 'kleine Waffe' fällt und was nicht. Gemeint seien jedenfalls kleine und mittlere Waffen, wie sie insbesondere zur Niederschlagung von inneren Konflikten verwendet werden können. Ausdrücklich zählen dazu auch sämtliche Ausrüstungsgegenstände, die zur Kontrolle von Demonstrationen Verwendung finden können /Arms Trade News, Mai 94/.

Wohl zurecht sehen die USA den Mißbrauch militärischer Gewalt vor allem in Indonesiens „inneren“ Konflikten. Die bewaffneten Dauerkonflikte in Ost-Timor, West-Papua und Aceh sind dafür ebenso ein Beispiel wie die blutige Zerschlagung von Demonstrationen bis hin zu regelrechten Massakern, z.B. in den Fällen Sampang, Madura, und Haur Koneng im vergangenen Jahr. Die außenpolitische Situation Indonesiens kann dagegen als weitgehend stabil angesehen werden. Mit dieser Einschätzung stehen die USA keineswegs im Widerspruch zu Indonesien. Auch Herman Mantiri, ABRI-Stabschef, sieht die Bedrohung der Sicherheit Indonesiens eher von innen als von außen kommend, wie er kürzlich in einem Interview mit BBC zu verstehen gab.

Diese Bewertung der Sicherheitslage führt die USA zu dem Schluß, daß für größere Waffen wie Flugzeuge, Kriegsschiffe etc. kein Lieferstopp verhängt werden muß, da solche Waffen kaum gegen innere Feinde eingesetzt werden könnten. Es wird spekuliert, daß die USA am Verkauf von F-16-Bombern interessiert sein könnten. In Ost-Timor und West-Papua zeigte sich allerdings in der Vergangenheit, daß dort sehr wohl Flugzeuge, Kriegsschiffe und Hubschrauber zum Einsatz kommen können. Der sicherheitspolitischen Einschätzung der USA widerspricht auch die im letzten Jahr von ihnen selbst geübte Praxis, als sie Jordanien den geplanten Verkauf von F-5E-Kampfflugzeugen an Indonesien untersagten (s. Indonesien-Information, Dez. 93).

Irawan Abidin, Sprecher des indonesischen Außenministeriums, erklärte am 15.7.94, die Knüpfung von Waffenverkäufen an Bedingungen sei für Indonesien unakzeptabel. Jakarta sehe sich gezwungen, sich unter diesen Umständen an andere Zulieferer zu halten /LUSA, 15.7.94; Voice of America, 16.7.94/.

Die Munition wird Indonesien tatsächlich nicht ausgehen. 'Kleine Waffen' wurden bereits vor dem Embargo der USA vornehmlich aus europäischen Ländern wie Belgien, Italien, Schweden, Deutschland, der Schweiz und Österreich importiert. Die USA sind als Lieferanten somit nur von untergeordneter Bedeutung. Gerade kleine Waffen und Munition werden aber auch in Indonesien selbst gefertigt. PT Pindad in Bandung, eine Firma aus Minister Habibies Konglomerat „strategischer Betriebe“, produziert soviel Gewehre und Munition, z.T. unter belgischer Lizenz, daß Indonesien selbst als Rüstungsexporteur auftritt. Auf der Kundenliste von PT Pindad steht unter anderem Kambodscha, wie jüngst bekannt wurde /The Independent, 17.7.94/.
 

Australien springt in die Bresche

Wenige Tage nach dem Beschluß der USA erklärte Australien seinen Willen zu intensiverer militärischer Zusammenarbeit mit Indonesien. Australiens Senator Ray sagte, Australiens Hilfe werde vielfältiger Natur sein, der Schwerpunkt liege aber auf technischer Hilfe. Daneben wolle man Indonesiens Armee erweiterte Trainingsmöglichkeiten einräumen und auch über die gemeinsame Produktion von Militärausrüstung werde nachgedacht. Konkret wurde Indonesien zur Teilnahme an einem gemeinsamen Manöver der beiden Heere zusammen mit weiteren asiatischen Staaten in Australien eingeladen, das den Namen Kangaroo 95 haben soll. Indonesien hat auf die Einladung noch nicht geantwortet /Voice of America, 2.8.94/.

Australien hat bereits in der Vergangenheit Luft- und Seemanöver zusammen mit Indonesien durchgeführt. Das geplante Manöver Kangaroo 95 hat allerdings eine andere Qualität. Denn streng nach der Logik „Indonesien sieht den Feind im Inneren“, sind es vornehmlich die Landstreitkräfte, die in die Konflikte um Ost-Timor, Irian Jaya und Aceh verwickelt sind, während See- und Luftstreitkräfte eher der Landesverteidigung zugerechnet werden. Die Landstreitkräfte sind es auch, die in Demonstrationen und Streiks eingreifen und immer wieder Oppositionelle blutig unterdrücken. Das heißt, genau der Repressionsapparat, dem gerade durch die USA der Hahn zugedreht werden sollte, erhält nun von seiten Australiens neue Unterstützung. Möglicherweise war das amerikanische IMET sogar die harmlosere Variante: Wie es heißt, lag ein Schwerpunkt von IMET auf der Wartung von F-16-Jagdflugzeugen. /Harald Crouch: Dancing with Wolves, Herald Sun, Melbourne, 1.8.94/

Einwände der USA gegen Australiens Angebot wurden nicht laut. Secretary of State Winston Lord erklärte, die australische Unterstützung sei nicht als Unterminierung der Bemühungen der USA zu werten /VOA, 3.8.94/.
 

Mehr!

Auch andere Staaten rüsten Indonesien weiter kräftig auf. Frankreichs GIAT verkauft Geschütze vom Typ 105 LG im Wert von US$ 17 mio an die indonesiche Marine. Weitere Lieferungen sind nicht ausgeschlossen /AFP, 17.5.94/.

Die britische Menschenrechtsorganisation Tapol meldete am 13.10.94, es seien Verhandlungen zwischen Großbritannien und dem indonesischen Militär über den Verkauf von Scorpion-Panzern der Rüstungsfirma Alvis im Gange. Nach Meinung von Tapol befinden sich die Verhandlungen bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Das Geschäft umfasse den Verkauf von bis zu 200 Scorpions im Wert von ca. £ 150 mio. Bereits im Frühjahr konnte sich Alvis einen Auftrag im Wert von £ 10 mio zur Neubewaffnung von Militärfahrzeugen sichern, die in den 70er Jahren an Indonesien verkauft worden waren. Darüberhinaus sei die Lieferung von weiteren 16 Hawk-Kampfflugzeugen im Gespräch, womit sich die Zahl der seit letztem Jahr verkauften Hawk-Fighters auf 40 erhöhe /Tapol, 13.10.94/. Auch am Kauf von gebrauchten Flugzeugen vom Typ L-39 aus tschechoslowakischer Produktion hat Indonesien Interesse angemeldet /Reuter, 16.10.94/.

Die Wartung der 39 von Deutschland verkauften NVA-Schiffe wird, entgegen früherer Pläne, nun voraussichtlich in Indien stattfinden. Die Arbeiten könnten von der Mazagaon-Werft in Bombay ausgeführt werden, deren Kapazität nicht ausgelastet ist. Die Überholung in Indien wäre kostengünstig und von der geographischen Lage her nicht unmöglich. Der Hauptvorteil ist aber, daß die Inder sich mit Schiffen des ehemaligen Ostblocks gut auskennen. Ein großer Teil der Ausrüstung der indischen Marine ist sowjetischer Bauart /Jane's Defence Weekly, 13.8.94/.
 

Noch mehr!

Ein Ende der Aufrüstung ist nicht in Sicht. Herman Mantiri, ABRI-Stabschef, sagte, Ausrüstung und Bewaffnung von ABRI seien weiterhin unzureichend, insbesondere, wenn man die Größe des Landes berücksichtige. Die jüngst gekauften 24 britischen Flugzeuge und 39 deutschen Schiffe seien bei weitem nicht ausreichend, um den Bedarf zu decken /BBC-Indonesia/. Verteidigungsminister Edi Sudradjat will das Verteidigungsbudget im nächsten Jahr um satte 24 % angehoben sehen, es erreichte damit einen Umfang von Rp. 6,15 Billionen (ca. DM 5 Mrd.) /Jakarta Post, 14.9.94/.

Die Kauflust der Generäle aus Jakarta dürfte auch in Deutschland mit Interesse registriert werden. Vielleicht ergibt sich bald die Möglichkeit, wieder ein Geschäft mit den Unterdrückern zu machen, die Gelegenheit ist auch innenpolitisch günstig - kurz nach der Bundestagswahl. Von Quellen in Jakarta ist zu vernehmen, Indonesien erwäge den Kauf von U-Booten, entweder aus Deutschland oder aus den Niederlanden /Reuter, 16.10.94/.

Wegen des Verkaufs der 39 NVA-Kriegsschiffe hat nun Dr. Gerhard Weidringer, ehemaliger Oberstarzt am Bundeswehrkrankenhaus München und Mitglied der 'Naturwissenschaftler-Initiative Verantwortung für den Frieden', Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Dr. Weidringer begründet seine Anzeige mit der Menschenrechtslage in Indonesien und Ost-Timor. Seiner Ansicht nach verstößt der Kriegsschiffverkauf gegen die europäische Menschenrechtskonvention, das Außenwirtschaftsgesetz, die UNO-Charta, das Grundgesetz und möglicherweise gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Dr. Weidringer erklärte, die Anzeige richte sich gegen Unbekannt, da er nicht wisse, wer konkret für die Exporte verantwortlich ist. Es könne jedoch nicht sein, „daß jeder ein bißchen zuständig ist, aber keiner die Verantwortung trägt.“ Solange nicht geklärt sei, ob die Waffen- und Munitionsexporte zulässig seien, müsse ein Lieferstopp erlassen werden, fordert Dr. Weidringer. Die Staatsanwaltschaft Ansbach erklärte, die Anzeige werde geprüft /Fränkische Landeszeitung, 11.8.94; taz, 12.8.94/. <>
 
 

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