Indonesien-Information - September 1992 (Müllexporte)

 

„Der Grüne Punkt“ in Indonesien


„Der Grüne Punkt“, der seit geraumer Zeit auf fast allen Verkaufsverpackungen prangt, gerät immer heftiger unter Beschuß. Angefangen hatte alles damit, daß Deutschlands Umweltminister Töpfer publicitywirksam verschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der Müllflut vorschlug, wie sie Umweltschützer schon seit langem fordern. Doch der Ankündigungsminister mußte sich - wie schon so oft - dem Willen der Industrie beugen, der die vorgeschlagenen Maßnahmen viel zu weit gingen. Keinesfalls wollte sich die Industrie Zwangsmaßnahmen wie die Erhebung eines Pflichtpfands oder eine Rücknahmepflicht für leere Verpackungen gefallen lassen. Am Ende stand ein Kompromiß, der beinhaltet, daß die Industrie zunächst selbst versucht, das Müllproblem in den Griff zu bekommen - nach ihrem Verständnis des Müllnotstandes versteht sich. Die Wirtschaft und die Kommunen gründeten zusammen die DSD (Duale System Deutschland GmbH), die sich mit einem Startkapital von 7 Mrd. DM um die „Müllvermeidung“ - so nennen diese Leute das Recycling - zu kümmern hat. „Der Grüne Punkt“ war geboren, ein Logo, das gegen eine entsprechende Gebühr auf jede Verkaufsverpackung gedruckt werden darf. Dem Verbraucher wird Umweltfreundlichkeit und Recyclingfähigkeit vorgegaukelt, obwohl es gerade die nicht-umweltfreundlichen Verpackungen sind, die den „Grünen Punkt“ tragen - Pfandflaschen beispielsweise haben keinen „Grünen Punkt“. Verpackungen mit dem „Grünen Punkt“ sollen in die gelbe Tonne geworfen werden, die unter Verantwortung der DSD abgeholt wird. Die Abfälle sollen sortiert und weitgehend recycelt werden. Doch längst nicht alle Abfälle können und müssen wiederverwertet werden. Zur Abwendung der von Töpfer angedrohten Zwangsmaßnahmen genügt das Erreichen bestimmter Recyclingquoten bis 1995. Überschüssige Mengen und unverwertbare Verbundverpackungen dürfen mithin deponiert bzw. verbrannt werden.

Von Beginn an war klar, daß die Kunststoffverpackungen den wunden Punkt des ganzen Systems darstellen. Die vorhandenen Recyclingkapazitäten in Deutschland reichen bei weitem nicht aus, um die geforderte Recyclingquote zu erreichen. Von 900.000 t Verpackungskunststoff im Jahr können derzeit nur 70.000 t verwertet werden. Bis 1995 sollen 64 % Recycling erreicht werden.

Bedingt sind die geringen Mengen an wiederverwertetem Kunststoff unter anderem durch die geringe Qualität der Recyclingprodukte und die geringe Rentabilität, die dabei herausspringt. Das Anfallen unsortierter Gemische verschiedener Kunststoffsorten wie PE (Polyethylen), HDPE (High Density Polyethylene), PP (Polypropylen), PVC (Polyvinylchlorid), PET (Polyethylenterephtalat) und anderen, noch dazu oft stark verschmutzt durch Lebensmittelreste und dergleichen, erschwert die Verwertung zusätzlich.

So ist die Verlockung groß, die im Dualen System eingesammelten Kunststoffverpackungen anderweitig verschwinden zu lassen. Fingierte und tatsächliche Recyclingbetriebe im Ausland sollen die ordnungsgemäße Verwertung vortäuschen. Seit Mitte August entsprechende Müllschiebereien nach Frankreich aufgedeckt wurden, werden immer mehr Länder bekannt, in die Kunststoffmüll aus Deutschland verschoben wurde, darunter als bislang einziges außereuropäisches Ziel Indonesien.

Die indonesischen Behörden wissen von solchen Importen. NGOs fordern das dortige Umweltministerium auf, künftig Müllieferungen zurückzuweisen oder zumindest hoch zu besteuern. Watch Indonesia! wird in einer der nächsten Ausgaben der INDONESIEN- INFORMATION mehr darüber berichten. Plastikrecycling wird in Indonesien seit langem betrieben. Die Scavengers (Müllsammler) auf den Deponien und Halden der großen Städte sammeln seit Jahren verschiedene Sorten Altplastik und können sie zu annehmbaren Preisen über eine Reihe von Zwischenhändlern an Recyclingfabriken verkaufen. Natürlich können die Scavenger ebensowenig wie die meisten deutschen Verbraucher zwischen PE, PP und anderen Sorten unterscheiden. Dem Problem der Sortenreinheit, die zum Recyceln notwendig ist, wird dennoch auf einfache Art und Weise begegnet: Es werden nur bestimmte Verpackungen bekannter Produkte gesammelt, beispielsweise Folien, Putzmittelbehälter der Marke A, Shampooflaschen der Marke B usw.. Was unbekannt ist, bleibt liegen. Auf entsprechende Art und Weise werden offenbar auch die Kunststoffe aus Übersee sortiert, wobei die Zahl unbekannter Produkte weit größer einzuschätzen ist als im indonesischen Hausmüll. Es verwundert daher nicht, wenn der Besitzer eines Plastik-Recyclingbetriebes in Jakarta äußert, daß ca. 40 % des Kunststoffmülls aus Übersee direkt auf der Deponie landen. Angesichts der katastrophalen Müllentsorgungssituation in Jakarta und den meisten anderen Städten Indonesiens ist ein derartiges zusätzliches Müllaufkommen ein unhaltbarer Zustand. Jakarta verfügt über viel zu wenig Deponiefläche, um den hausgemachten Müll unterzubringen. Neu erschlossene Deponiegelände liegen immer weiter außerhalb der Stadt, so daß die Laster der Müllabfuhr es längst nicht mehr schaffen, den anfallenden Müll abzutransportieren; immer mehr Zeit verbringen sie damit, im Stau zu stehen. Die Deponien selbst verfügen meist über keinerlei Abdichtung, der technische Standard ist mangelhaft. Das immer knapper werdende Grundwasser wird durch Deponiesickerwässer stark beeinträchtigt. Auch die Aufarbeitung des Plastikmülls selbst bringt erhebliche Umwelt- und Arbeitsplatzbelastungen mit sich. Zunächst wird der Müll mit Wasser gespült, um organische Anhaftungen und andere Störstoffe abzulösen. Das hochbelastete Spülwasser fließt ohne jede Reinigung in den nächsten Fluß ab. Darüberhinaus entstehen beim Einschmelzen des Plastiks giftige Dämpfe, für die in Indonesiens Fabrikhallen keinerlei Absaugung vorhanden ist. Dennoch scheint die Lieferung von Plastikmüll aus Europa und Amerika für die indonesischen Betriebe ein interessantes Geschäft zu sein. Neben unsortierten und stark verschmutzten Plastikverpackungen enthalten die Lieferungen auch große Mengen an sortenreinen Produktionsabfällen. Dies führt dazu, daß die Müllimporte aus dem Ausland bereits zu einer ernsthaften Konkurrenz für die indonesischen Scavengers werden. Allein aus den USA wurden 1991 ca. 16.000 t Plastikabfälle nach Indonesien exportiert. Die Folge: indonesischer Müll bleibt auf den Halden liegen, ausländischer kommt dazu und die Scavengers verlieren ihre Einkommensquelle. Umweltfreundlich mit dem „Grünen Punkt“?
 
 

Zurück zur Hauptseite Watch Indonesia! e.V. Back to Mainpage