Indonesien-Information - September 1993 (Wirtschaft)

Die Armut von 120 Millionen Menschen ist das Zeichen der Zeit

(aus: Suara Rakyat, Juni 1993, einer illegalen Zeitung, herausgegeben von Studenten)

Ende April 1993 gab Suhartos Regierung eine Statistik über die Armut in Indonesien heraus. Der Statistik zufolge gehören 35 % der indonesischen Dorfbewohner zu den Armen. Mit dieser Zahl wird nicht nur die Armut in Indonesien zugegeben, mehr noch, die Statistik wird vom System der Neuen Ordnung benutzt, um sich selbst stolz zu zeigen, daß es während seiner 25-jährigen Herrschaft geschafft hat, die Armen auf 30 Millionen Menschen zu reduzieren.

Nach unserer Meinung ist die Definition der Armut fraglich (...). Denn nach Auffassung von Suhartos Regime ist jemand dann arm, wenn er täglich weniger als 500 Rp. (ca. 0,40 DM) verdient. Das heißt, die genannten 30 Millionen Armen leben von weniger als 500 Rp. am Tag (....).

Falscher Maßstab

Ist dieser Maßstab logisch? (...) Kann die Zahl 500 Rp. als Maßstab der Armut gelten? Wichtig scheint uns doch eher, was man mit 500 Rp. anfangen kann. Denn mit 500 Rp. kann man höchstens 1 kg Reis kaufen (...). Was aber ist mit anderen Bedürfnissen, z.B. nach Kleidung, Gesundheit oder Ausbildung? Wir sind daher gegen den festgesetzten Maßstab.

Würden wir dagegen den Maßstab für die Armut auf 1.000 Rp. (ca. 0,90 DM) täglich heraufsetzen, so haben wir nach Daten des Biro Pusat Statistik (Statistisches Zentralbüro) 120 Millionen Arme in Indonesien. Wohlgemerkt: der Maßstab 1.000 Rp. pro Tag ist keine große Zahl (...).

Sri Bintang Pamungkas, Mitglied der Entwicklungspartei (PPP) und des Parlaments (DPR) wendet sich ebenfalls gegen die Regierungsmitteilung. Er meint, der Maßstab der Regierung sei zu niedrig und die Armut in Indonesien sei noch schlimmer als während seiner Kindheit (...).

Die Neue Ordnung erzählt viele schöne Geschichten über die 'gerechte Umverteilung' (pemerataan) in den letzten vier Jahren (...). Erinnern wir uns an Suhartos Versprechen. Anfang 1989 bat Suharto auf seiner Ranch 'Tapos' seine Freunde - die Konglomeratsbesitzer -, ihren 20 %-Anteil an den 'Koperasi' (Genossenschaften) zu verkaufen, damit die Umverteilung der Reichtümer vorangehen könne. Was passierte dann? Die Konglomerate haben nur 1 % ihres Anteils verkauft - und nicht 20 %. Und auch dieses 1 % ist noch gelogen. Denn die Konglomerate haben plötzlich ihre Geschäftsreichtümer vergrößert, womit die Zahl 1 % fiktiv wurde. Drei Jahre später redet keiner mehr über den Verkauf ihrer Anteile.

Seltsame Definition

Der Finanzminister hat einmal gesagt, daß 20 % der Bankkredite an die kleineren Unternehmen vergeben werden sollten. Dieser Beschluß wurde gefaßt, da man sich fragte, warum 90 % der Bankkredite an die Konglomerate geflossen sind. Doch selbst bei diesem Beschluß über die Vergabe von 20 % der Bankkredite hat die Nationalbank 'Bank Indonesia' eine seltsame Definition. Denn zu den kleineren Unternehmen gehören all diejenigen, deren Kapital unter 600 Millionen Rp. (ca. 500.000 DM) liegt - Grundstücke und Gebäude ausgenommen. Aufgrund dieses Beschlusses sind die 20 % Bankkredite zu den Unternehmern geflossen, deren Kapital sich auf 600 mio Rp. beläuft, während die wirklich kleineren Unternehmen gar keine Kredite erhalten.

Doch warum bleibt die Umverteilung hängen? Von Beginn an gibt es Systemfehler bei der Neuen Ordnung, deren Slogans Stabilität, Wachstum und Umverteilung lauten. Die Neue Ordnung vertritt das Kapital, das Militär und die Bürokratie. Die Neue Ordnung verfolgt nur Stabilität und Wachstum. Die Umverteilung dagegen ist nur ein Zusatz, von dem entsprechend der jeweiligen Situation Gebrauch gemacht wird. "Was kann denn umverteilt werden, ohne Wachstum?", argumentieren die Vertreter der Neuen Ordnung. Doch wenn es Wachstum gibt, profitieren nur einige davon, die nah zu Suharto stehen. (...)

Über die größer werdende Kluft zwischen den Reichen und den Armen hat der Oberbefehlshaber der Region Jakarta, Generalmajor Hendro Priyono, gesagt, daß diese überall existierende Kluft nicht dramatisiert werden dürfe. Wir meinen aber, daß die Kluft ein Zeichen der Zeit ist, das man beachten muß. <>

 
 
 
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