Die Firma PT Catur Putra Surya in Porong, Ost-Java, stellt Armbanduhren und andere Produkte her, 70 % davon für den Export nach Hongkong und Saudi-Arabien. Die Firma beschäftigt ca. 500 ArbeiterInnen, 300 davon Frauen. Die Arbeitsbedingungen sind wie in vielen anderen mittelständischen Unternehmen Indonesiens miserabel. Die Löhne lagen bis vor kurzem bei 1.700 Rp. pro Tag plus Überstundenzuschlag - im Schnitt werden täglich zwei Überstunden pro Person geleistet. Der offizielle Mindestlohn in der Region liegt bei 2.250 Rp. pro Tag.
Die ArbeiterInnen müssen einen Teil ihrer Arbeitskleidung und -werkzeuge selbst bezahlen, ein entsprechender Anteil wird von ihrem Lohn abgezogen. Die Gesundheitsversorgung ist schlecht, Urlaubsansprüche wegen Krankheit, Menstruation oder Schwangerschaft werden nicht bzw. nur unzulänglich gewährt. Über die Zustände in der Firma wacht, wie in den meisten Firmen die Einheitsgewerkschaft SPSI, eine Alibi-Organisation, die die Gelder der ArbeiterInnen dazu veruntreut, im Interesse der Geschäftsleitung und der Regierung zu handeln. Anfang Mai traten die Beschäftigten der Firma PT Catur Putra Surya in Streik.
Die Streikenden hatten einen 12 Punkte umfassenden Forderungskatalog. Neben der Anpassung der Löhne an die gesetzlichen Mindestlöhne, verlangten sie unter anderem die Gewährung von bezahltem Menstruations- und Schwangerschaftsurlaub, bessere Gesundheitsversorgung und höhere Zuschüsse für Fahrt- und Verpflegungskosten. Darüberhinaus verlangten sie auch die Auflösung der Einheitsgewerkschaft SPSI im Bereich ihrer Firma und als letztes die Zusicherung, daß keinem, der an der Aktion Beteiligten, daraus Nachteile entstehen dürften.
Marsinah, Anfang 20, fiel während des Streiks und der Demonstration vor dem Werkstor durch ihre Kühnheit auf. Während die Firmenleitung selbst und die von ihr herbeigerufenen Sicherheitskräfte versuchten, mit allerlei Methoden, die Streikenden einzuschüchtern, rief Marsinah ihre KollegInnen immer wieder dazu auf, nicht von ihren Forderungen abzulassen. Auch als einige StreikführerInnen - oder solche, die dafür gehalten wurden - zur Militärkommandatur zitiert wurden, wo sie massiv eingeschüchtert wurden, war es Marsinah, die sich, besorgt um das Befinden ihrer KollegInnen, am intensivsten nach deren Verbleib erkundigte.
Während in einem Schlichtungsgespräch, an dem neben den Streikenden und der Firmenleitung auch Vertreter der Arbeitsbehörde, der SPSI und der lokalen Administration teilnahmen weitgehende Zugeständnisse seitens des Unternehmens erreicht werden konnten, verfolgte die Militärkommandatur (KODIM) eine härtere Gangart. Inwieweit das Vorgehen von KODIM mit PT Catur Putra Surya entsprechend einer Strategie von Zuckerbrot und Peitsche abgestimmt war oder den Bemühungen der Firma nach einer möglichst einvernehmlichen Lösung des Konflikts entgegenlief, ist unklar.
Fest steht, daß Marsinah drei Tage nach Beginn des Streiks spurlos verschwand. Freunden, die sie als letzte lebend sahen, hatte sie gesagt, sie wolle etwas zu Essen holen. Tage später wurde Marsinahs Leiche gefunden, sie war in sitzender Position an einem Waldrand, 200 km entfernt von ihrem Wohnort, zurückgelassen worden. Marsinahs Körper zeigte viele Verletzungen, ganz offensichtlich war sie vor ihrem Tod vergewaltigt worden. Drei Tage lang muß sie in den Händen ihrer Peiniger gewesen sein, wie sich aus der Feststellung des Todeszeitpunkts ergab.
Die Nachricht vom Tod Marsinahs erzeugte einen Sturm der Entrüstung. Niemand glaubt an ein 'normales' Gewaltverbrechen, zu offensichtlich scheint der zeitliche Zusammenhang mit Marsinahs vorlautem Engagement während des Streiks. Zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Einzelpersonen fanden sich zu einem 'Solidaritätskommitee für Marsinah' zusammen. Sie fordern
1.) die Berufung eines unabhängigen Untersuchungsteams, das seine Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren soll,
2.) rechtliche Schritte gegen alle, die in den Mord von Marsinah verwickelt sind,
3.) die Garantie, daß sowohl während als auch nach Abschluß der Untersuchungen keinerlei Druck auf die Familie Marsinahs ausgeübt wird.
Bislang ist nicht absehbar, daß die Forderungen des Solidaritätskommitees erfüllt werden, insbesondere, weil vermutlich die Sicherheitskräfte in den Mord verwickelt sind. Dennoch bleibt fraglich, ob mit dem Mord erreicht wurde, daß ArbeiterInnen in Zukunft vor ähnlichen politischen Aktionen wie Marsinah und ihre KollegInnen zurückschrecken. Denn die ArbeiterInnenbewegung Indonesiens hat nun eine Märtyrerin. /Mitteilungen des Solidaritätskommitees für Marsinah, Surabaya, 4.6.1993/ <>
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