Religionsfreiheit in Indonesien: Das Verbot des Baus von Gotteshäusern
Mai 2015
Seminarreader einer Veranstaltung zum Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2013
Ein Erfahrungsaustausch zwischen Indonesien und Deutschland (Berlin)
Indonesien wird auf der internationalen Ebene von führenden Staatsoberhäuptern gerne als Paradebeispiel für religiöse Toleranz aufgeführt. Zuletzt lobte beispielsweise die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Eröffnungsrede auf der internationalen Tourismusmesse ITB Anfang dieses Jahres in Berlin Indonesien als ein Land, in dem verschiedene Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben. Deutschland möchte die Wirtschafts- und Bildungsbeziehungen mit dem südostasiatischen Staat in den nächsten Jahren weiter ausbauen.
Die Realität in Indonesien zeigt jedoch ein anderes Bild: lokale zivilgesellschaftliche Organisationen sowie internationale Menschenrechtsorganisationen berichten von wachsender Gewalt gegenüber religiösen Minderheiten in Indonesien. Nach Angaben des indonesischen Setara Institute, das die Religionsfreiheit in Indonesien beobachtet, gab es im Jahr 2010 etwa 216 Übergriffe auf religiöse Minderheiten in Indonesien. 2011 waren es 244 und im Jahr 2012 stieg die Zahl sogar auf 264 Fälle an. Ein vergleichbares Ergebnis kann man auch in der Studie des Wahid Institute finden. Muslimische Minderheiten wie Ahmadiyyah oder Schiiten, aber auch Christen und Anhänger verschiedener Naturreligionen leiden zunehmend unter
Diskriminierung, Einschüchterung, Verfolgung und physischen Angriffen.
Für besonderes Aufsehen sorgte in der jüngsten Vergangenheit ein brutaler Überfall auf Angehörige der Ahmadiyyah. Im Februar 2011 wurde eine Gruppe von 20 Ahmadis in der Ortschaft Cikeusik auf der Insel Java von 1.500 Männern attackiert. Unter den Augen der anwesenden Polizei wurden drei Ahmadis getötet,
fünf weitere schwer verletzt.
Neben der Ahmadiyyah werden besonders Christen angefeindet, die rund neun Prozent der 240 Millionen Indonesier ausmachen. Eine wachsende Anzahl diskriminierender Gesetze untersagt es diesen Minderheiten faktisch, ihre Religionen auszuüben. Mehr als 400 Kirchen sind in den vergangenen fünf Jahren geschlossen worden. Mit den gleichen Problemen sieht sich die bereits erwähnte Ahmadiyyah Gemeinde konfrontiert. Da die Ahmadiyyah als ‚abtrünniger‘ Islam verboten und daher nicht als Religion anerkannt ist, kam es auch hier in den letzten Jahren wiederholt zur Schließung von zu dieser Religionsgemeinschaft gehörenden Moscheen.
Besondere Schwierigkeiten für religiöse Minderheiten treten beim Bau neuer Gotteshäuser oder bei deren Renovierung bzw. Umbau auf. So hatte eine christliche Gemeinde in der Stadt Bogor, Westjava, versucht, ihre Rechte zum Bau einer Kirche auf juristischem Wege zu erstreiten. Obwohl das oberste Gericht schließlich ein Urteil für die Baugenehmigung erteilte, scheiterte das Projekt, da die lokalen Behörden auf Druck militanter Islamisten und mit Unterstützung durch die Polizei den Neubau der Kirche verhinderten.Die Facetten der eingeschränkten Religionsfreiheit in Indonesien sind vielschichtig: Sie reichen von fehlender Rechtsstaatlichkeit über diskriminierende Gesetzgebung bis hin zum Versagen des Schutzes für religiöse Minderheiten. Auf letztere wurde sogar Druck ausgeübt, um den „richtigen Glauben“ anzunehmen. Viele Angehörige der Ahmadiyyah und der Schiiten haben sich diesem Druck gebeugt. Zudem steigt der Einfluss radikalislamischer Gruppierungen auf die Gesellschaft zunehmend an. Unser Seminar möchte die Problematik in ihrer Gesamtheit beleuchten, zunächst ausgehend vom Erwerb einer Genehmigung zum Bau neuer Gotteshäuser (Kirchen, Moscheen, Tempel usw.).
In Deutschland bzw. in Berlin sieht man sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Bestimmte Religionsgemeinden können ihre Gebetshäuser nicht immer problemlos bauen, sondern stoßen auf Widerstand aus verschiedenen Strömungen der Gesellschaft (Beispiel: Große Moschee in Köln und Bau der Moschee der Ahmadiya-Gemeinde Pankow in Berlin). Das Spektrum reicht von notorisch rechten Organisationen und Parteien über einfache Bürger („da wird man während des Freitagsgebetes keinen freien Parkplatz mehr finden“) bis hin zu sich als progressiv verstehenden Gruppen (vgl. bspw. die Anti-Islam Aktion der Feministinnen von „Femen“ vor der Moschee der Ahmadiya in Berlin-Wilmersdorf).
Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass in Deutschland trotz Protesten und Meinungsverschiedenheiten eine Gruppe bzw. Religionsgemeinschaft ihr Gebetshaus dann bauen darf, wenn sie die geltenden Vorschriften und Regeln einhält. Der Staat gewährleistet in diesem Falle Schutz für die Gemeinde, während er gleichzeitig ihren Gegnern das Recht der Demonstrationsfreiheit einzuräumen hat. Es gibt klare Regeln für die Bürgerbeteiligung in Planungsfragen und es gibt klare Regeln zum Umgang mit erteilten Baugenehmigungen.
In Indonesien dagegen kann selbst ein Urteil des Obersten Gerichts den Bau eines Gebetshauses nicht garantieren. Die Entscheidung hängt einseitig vom Druck bestimmter Gruppen ab, die sich lautstark und mitunter gewaltsam Gehör verschaffen.Lesen Sie die gesamte Dokumentation (24 S., PDF 2,7 MB) hier.
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