Planet, People, Profit oder doch eher Profit mit Dreckschleudern? Ein HeidelbergCement Vorhaben in Indonesien
08. Dezember 2016
An Donald Trumps Plan eine Mauer zwischen Mexiko und den USA zu bauen könne sein Unternehmen gut verdienen, ließ der Vorstandsvorsitzende von HeidelbergCement Bernd Scheifele kürzlich über die Medien verkünden. Es war nicht die erste Schlagzeile, mit der das baden-württembergische Baustoffunternehmen in letzter Zeit auf sich aufmerksam machte.
In einem Beitrag der Oktober-Ausgabe von Le Monde Diplomatique, welcher sich mit geplanten Zementwerken in Indonesien beschäftigt, wurde HeidelbergCement, vertreten durch die Tochterunternehmen PT IndoCement und PT SMS ebenfalls scharf kritisiert.
PT SMS reichte 2010 Pläne zur Errichtung einer Zementfabrik in Pati am Fuße des Kendeng Karstgebirges in Zentraljava ein. Seither streiten Umweltschützer, Anwohner, Gerichte, Vertreter des Unternehmens als auch des indonesischen Staates über Umweltverträglichkeit und soziale Auswirkungen. Kritiker klagen, eine Umsetzung des Vorhabens bedeute irreparable Naturschäden und damit die Zerstörung der kleinbäuerlichen Existenzgrundlage in der Region. Befürworter des Projekts, darunter HeidelbergCement selbst, geben an, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und die lokale Bevölkerung am Planungsprozess beteiligt worden sei, die letztlich von dem Vorhaben profitieren werde.
Um gewisse Aspekte dieses Streits besser verstehen zu können, wandte sich ein engagierter Bürger aus Süddeutschland mit der Bitte um Stellungnahme an HeidelbergCement und erhielt umgehend Antwort: ein ausführliches, aber dennoch unbefriedigendes Schreiben.
Nach Einholung genauerer Information bei Watch Indonesia! schrieb er einen zweiten – bislang unbeantworteten – Brief an HeidelbergCement. Darin heißt es: „Die eingangs erwähnten Äußerungen von Herrn Dr. Scheifele […] über die Chancen, die der Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko für das Unternehmen bedeuten würde, sind […] nicht geeignet, den selbstgestellten Anspruch der Corporate Social Responsibility zu untermauern. Dass sich der Vorstand eines deutschen Unternehmens positiv über den Bau einer Mauer äußerte, hat weltweit für Aufsehen gesorgt und lässt nur den Schluss zu, dass das Interesse an Profit gegenüber Planet und People doch deutlich im Vordergrund steht.”
Weiter heißt es: „Indonesien verfügt in der Tat über umfangreiche Umweltregularien. Über alle ideologischen Grenzen und unterschiedlichen Interessen hinweg sind sich jedoch Landeskenner einig, dass zwischen existierenden Gesetzen, der Rechtsprechung und dem Vollzug gesetzlicher Regelungen erhebliche Klüfte bestehen. Kapazitätsdefizite seitens der Behörden, Desorganisation und Korruption sind einige der Gründe dafür. Teilweise sind weder geschultes Fachpersonal, noch die nötigen Gerätschaften vorhanden, um zum Beispiel die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten unabhängig zu überwachen.“ Nach deutschem Recht dürfen in Zementwerken auch Sonderabfälle verbrannt werden. Dabei gelten nicht dieselben Grenzwerte wie für Sondermüllverbrennungsanlagen. „Ist auch in den Werken in Indonesien die Mitverbrennung von Sondermüll geplant?“, lautet eine weitere Frage an das Betreiberunternehmen.
Anerkanntermaßen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP/AMDAL) auch in Indonesien eine wichtige Voraussetzung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens. Die Qualität solcher Gutachten wird jedoch seitens der lokalen Bevölkerung als auch von Experten (im vorliegenden Fall unter anderem vom Institut Pertanian Bogor, mit denen Watch Indonesia! in Kontakt steht), stark angezweifelt. Das Karstgebiet von Kendeng ist in gesetzlichen Regelungen als geologisches Schutzgebiet ausgewiesen. Es ist von daher unklar, wieso mit einem Planungsprozess einschließlich der dazu gehörigen UVP überhaupt begonnen werden konnte.
Beim Abbau in einem Karstgebirge geht es nicht um Steinbrüche, wie sie aus der Region um Heidelberg bekannt sind, sondern um einen tieferen Eingriff in ein komplexes hydrologisches System und damit in den Wasserhaushalt der gesamten Region. Es macht ein Karstgebirge aus, dass die Grundwasserneubildung eng mit den komplizierten Vorgängen im Deckgebirge zusammenhängen. Auch ein Abbau, der nicht bis auf den Grundwasserspiegel vordringt, ist hier schon ein schwer wiegender Eingriff. Momentan profitieren Bauern um das Kendeng-Gebiet noch von der Rückhaltekapazität der Karstformationen, die eine ganzjährige Wasserversorgung gewährleistet.
Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sind auch Renaturierungspläne im indonesischen Genehmigungsverfahren ein fester Bestandteil. In ganz Indonesien ist jedoch kein einziges renaturiertes Bergbaugebiet bekannt. Stattdessen gibt es unzählige Beispiele „verlassener Löcher“ in Kalimantan, Bangka-Belitung und anderen Regionen, die eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen.
People, als zweites Stichwort im firmeneigenen Motto Planet, People, Profit sollte gebührende Beachtung in Form einer ernst zu nehmenden Bürgerbeteiligung finden. Im indonesischen Kontext stellt sich die Erfüllung dieser Vorschrift jedoch meist so dar, dass eine Vertretung der lokalen Regierung zusammen mit dem Unternehmen, verantwortlichen Planern und ggf. weiteren Fachleuten zu wenigen öffentlichen Veranstaltungen einladen, auf welchen bereits fortgeschrittene Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eine öffentliche Auslegung der Pläne als auch eine aktive Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am Planungsprozess ist hingegen nicht üblich. Nach Kenntnis von Watch Indonesia! fanden in Pati mindestens zwei solcher Informationsveranstaltungen statt, die jedoch keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang des Genehmigungsverfahrens hatten.
Oft stehen zum Zeitpunkt solcher Veranstaltungen wichtige Entscheidungsträger wie Landrat (Bupati), Vertreter der lokalen Parlamente, Bürgermeister und einflussreiche Personen längst auf Seiten des Unternehmens, da ihnen bereits im Vorfeld persönliche Vorteile versprochen wurden. Watch Indonesia! bestätigt insoweit den in der Le Monde Diplomatique erhobenen Vorwurf der Einflussnahme, ohne jedoch HeidelbergCement bzw. IndoCement der aktiven Beteiligung, noch des genauen Wissens um diese Vorgänge zu verdächtigen.
Zu erklären ist dieser scheinbare Widerspruch durch die Einschaltung von Maklern, die im Auftrag des Unternehmens tätig werden und selbigem am Ende ein reines Ergebnis abliefern, mit welchem das Unternehmen dann sein Vorhaben legitimieren könne. „Man sieht in den Vorstandsetagen nur das, was man wirklich sehen will,“ so Alex Flor von Watch Indonesia!
Mitte Oktober besuchte eine Mitarbeiterin von Watch Indonesia! die Dörfer rund um das Kendeng-Gebirge. Sie wurde Zeugin eines offenen und breiten Protestes. „Über mehrere Dörfer hinweg waren an unzähligen Wohnhäusern Plakate gegen die Zementfabrik angebracht. Überall in der Region tauchten Transparente auf und überall trifft man auf Menschen, die nur allzu gerne davon berichten, wie sehr sie gegen eine Zementfabrik sind“, so Yvonne Kunz von Watch Indonesia!.
Kontakt
Yvonne Kunz
Umwelt- und Klimareferentin bei Watch Indonesia! e.V.
kunz@watchindonesia.org
+49-(0)30 698 179 3808. Dezember 2016
An Donald Trumps Plan eine Mauer zwischen Mexiko und den USA zu bauen könne sein Unternehmen gut verdienen, ließ der Vorstandsvorsitzende von HeidelbergCement Bernd Scheifele kürzlich über die Medien verkünden. Es war nicht die erste Schlagzeile, mit der das baden-württembergische Baustoffunternehmen in letzter Zeit auf sich aufmerksam machte.
In einem Beitrag der Oktober-Ausgabe von Le Monde Diplomatique, welcher sich mit geplanten Zementwerken in Indonesien beschäftigt, wurde HeidelbergCement, vertreten durch die Tochterunternehmen PT IndoCement und PT SMS ebenfalls scharf kritisiert.
PT SMS reichte 2010 Pläne zur Errichtung einer Zementfabrik in Pati am Fuße des Kendeng Karstgebirges in Zentraljava ein. Seither streiten Umweltschützer, Anwohner, Gerichte, Vertreter des Unternehmens als auch des indonesischen Staates über Umweltverträglichkeit und soziale Auswirkungen. Kritiker klagen, eine Umsetzung des Vorhabens bedeute irreparable Naturschäden und damit die Zerstörung der kleinbäuerlichen Existenzgrundlage in der Region. Befürworter des Projekts, darunter HeidelbergCement selbst, geben an, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und die lokale Bevölkerung am Planungsprozess beteiligt worden sei, die letztlich von dem Vorhaben profitieren werde.
Um gewisse Aspekte dieses Streits besser verstehen zu können, wandte sich ein engagierter Bürger aus Süddeutschland mit der Bitte um Stellungnahme an HeidelbergCement und erhielt umgehend Antwort: ein ausführliches, aber dennoch unbefriedigendes Schreiben.
Nach Einholung genauerer Information bei Watch Indonesia! schrieb er einen zweiten – bislang unbeantworteten – Brief an HeidelbergCement. Darin heißt es: „Die eingangs erwähnten Äußerungen von Herrn Dr. Scheifele […] über die Chancen, die der Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko für das Unternehmen bedeuten würde, sind […] nicht geeignet, den selbstgestellten Anspruch der Corporate Social Responsibility zu untermauern. Dass sich der Vorstand eines deutschen Unternehmens positiv über den Bau einer Mauer äußerte, hat weltweit für Aufsehen gesorgt und lässt nur den Schluss zu, dass das Interesse an Profit gegenüber Planet und People doch deutlich im Vordergrund steht.”
Weiter heißt es: „Indonesien verfügt in der Tat über umfangreiche Umweltregularien. Über alle ideologischen Grenzen und unterschiedlichen Interessen hinweg sind sich jedoch Landeskenner einig, dass zwischen existierenden Gesetzen, der Rechtsprechung und dem Vollzug gesetzlicher Regelungen erhebliche Klüfte bestehen. Kapazitätsdefizite seitens der Behörden, Desorganisation und Korruption sind einige der Gründe dafür. Teilweise sind weder geschultes Fachpersonal, noch die nötigen Gerätschaften vorhanden, um zum Beispiel die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten unabhängig zu überwachen.“ Nach deutschem Recht dürfen in Zementwerken auch Sonderabfälle verbrannt werden. Dabei gelten nicht dieselben Grenzwerte wie für Sondermüllverbrennungsanlagen. „Ist auch in den Werken in Indonesien die Mitverbrennung von Sondermüll geplant?“, lautet eine weitere Frage an das Betreiberunternehmen.
Anerkanntermaßen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP/AMDAL) auch in Indonesien eine wichtige Voraussetzung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens. Die Qualität solcher Gutachten wird jedoch seitens der lokalen Bevölkerung als auch von Experten (im vorliegenden Fall unter anderem vom Institut Pertanian Bogor, mit denen Watch Indonesia! in Kontakt steht), stark angezweifelt. Das Karstgebiet von Kendeng ist in gesetzlichen Regelungen als geologisches Schutzgebiet ausgewiesen. Es ist von daher unklar, wieso mit einem Planungsprozess einschließlich der dazu gehörigen UVP überhaupt begonnen werden konnte.
Beim Abbau in einem Karstgebirge geht es nicht um Steinbrüche, wie sie aus der Region um Heidelberg bekannt sind, sondern um einen tieferen Eingriff in ein komplexes hydrologisches System und damit in den Wasserhaushalt der gesamten Region. Es macht ein Karstgebirge aus, dass die Grundwasserneubildung eng mit den komplizierten Vorgängen im Deckgebirge zusammenhängen. Auch ein Abbau, der nicht bis auf den Grundwasserspiegel vordringt, ist hier schon ein schwer wiegender Eingriff. Momentan profitieren Bauern um das Kendeng-Gebiet noch von der Rückhaltekapazität der Karstformationen, die eine ganzjährige Wasserversorgung gewährleistet.
Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung sind auch Renaturierungspläne im indonesischen Genehmigungsverfahren ein fester Bestandteil. In ganz Indonesien ist jedoch kein einziges renaturiertes Bergbaugebiet bekannt. Stattdessen gibt es unzählige Beispiele „verlassener Löcher“ in Kalimantan, Bangka-Belitung und anderen Regionen, die eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen.
People, als zweites Stichwort im firmeneigenen Motto Planet, People, Profit sollte gebührende Beachtung in Form einer ernst zu nehmenden Bürgerbeteiligung finden. Im indonesischen Kontext stellt sich die Erfüllung dieser Vorschrift jedoch meist so dar, dass eine Vertretung der lokalen Regierung zusammen mit dem Unternehmen, verantwortlichen Planern und ggf. weiteren Fachleuten zu wenigen öffentlichen Veranstaltungen einladen, auf welchen bereits fortgeschrittene Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Eine öffentliche Auslegung der Pläne als auch eine aktive Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit am Planungsprozess ist hingegen nicht üblich. Nach Kenntnis von Watch Indonesia! fanden in Pati mindestens zwei solcher Informationsveranstaltungen statt, die jedoch keinen Einfluss auf den weiteren Fortgang des Genehmigungsverfahrens hatten.
Oft stehen zum Zeitpunkt solcher Veranstaltungen wichtige Entscheidungsträger wie Landrat (Bupati), Vertreter der lokalen Parlamente, Bürgermeister und einflussreiche Personen längst auf Seiten des Unternehmens, da ihnen bereits im Vorfeld persönliche Vorteile versprochen wurden. Watch Indonesia! bestätigt insoweit den in der Le Monde Diplomatique erhobenen Vorwurf der Einflussnahme, ohne jedoch HeidelbergCement bzw. IndoCement der aktiven Beteiligung, noch des genauen Wissens um diese Vorgänge zu verdächtigen.
Zu erklären ist dieser scheinbare Widerspruch durch die Einschaltung von Maklern, die im Auftrag des Unternehmens tätig werden und selbigem am Ende ein reines Ergebnis abliefern, mit welchem das Unternehmen dann sein Vorhaben legitimieren könne. „Man sieht in den Vorstandsetagen nur das, was man wirklich sehen will,“ so Alex Flor von Watch Indonesia!
Mitte Oktober besuchte eine Mitarbeiterin von Watch Indonesia! die Dörfer rund um das Kendeng-Gebirge. Sie wurde Zeugin eines offenen und breiten Protestes. „Über mehrere Dörfer hinweg waren an unzähligen Wohnhäusern Plakate gegen die Zementfabrik angebracht. Überall in der Region tauchten Transparente auf und überall trifft man auf Menschen, die nur allzu gerne davon berichten, wie sehr sie gegen eine Zementfabrik sind“, so Yvonne Kunz von Watch Indonesia!.
Kontakt
Khai Pung
+49-(0)30 698 179 38