Indonesien: Gouverneurswahl mit weitreichenden Folgen

Radio Vatikan, 16. Februar 2017

http://de.radiovaticana.va/news/2017/02/16/indonesien_gouverneurswahl_mit_weitreichenden_folgen/1292905

RadioVaticanDer Missbrauch von Religion als politisches Instrument ist ein Problem, das in vielen Ländern mit muslimischer Mehrheit immer wieder aufkommt. Jüngstes Beispiel: Indonesien, das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. In vielen Provinzen wurde an diesem Mittwoch gewählt, unter anderem in der Hauptstadtprovinz Jakarta, wo es vor der Wahl zu einer beispiellosen Schlammschlacht gegen den bei großen Teilen der Bevölkerung beliebten christlichen Gouverneur Purnama, genannt Ahok, kam. Dem vorläufigen Wahlergebnis nach wird er sich einer Stichwahl stellen müssen. Wir haben mit Alex Flor von der NGO Watch Indonesia! gesprochen, er erläutert uns den Ausgang der auch international aufmerksam beobachteten Wahl insbesondere im Bezirk Jakarta.

„Der christliche Kandidat, Spitzname Ahok, hat derzeit die Führung übernommen, liegt nach der ersten Hochrechnung mit über 42 Prozent an der Spitze von drei Kandidatenpaaren, aber es ist natürlich auch klar, dass es eine Stichwahl geben wird, weil die Bedingung für einen direkten Wahlsieg wären 50 Prozent plus eine Stimme und davon sind wir weit entfernt.“

Das offizielle Wahlergebnis wird erst in zwei Wochen erwartet, doch sicher ist, dass der Kandidat Agus Harimurti Yudhoyono, der Sohn des ehemaligen Präsidenten, mit bislang rund 17 Prozent der Stimmen aus dem Rennen ausscheiden wird. Es sei zu erwarten, so der Indonesienexperte Flor, dass viele seiner Stimmen nun auf den anderen muslimischen Kandidaten, der an der Stichwahl teilnehmen wird, entfallen werden. Der ehemalige Bildungs- und Kulturminister Anies Baswedan liegt nur knapp hinter Ahok, der sich mit seinem Kampf für Legalität und gegen Korruption nicht nur Freunde gemacht hat. Sein größtes „Manko“ in den Augen vieler: Er ist kein Muslim.

„Von daher wurde schon im November von seinem Gegnern eine Schmutzkampagne gegen ihn eröffnet mit dem Vorwand der Religion. Es hat in Wirklichkeit mit Religion nichts zu tun, aber Religion ist ein guter Anlass, um Stimmung zu machen. Und damit wurde eben skandalisiert, er sei als ein Vertreter der christlichen Minderheit nicht berechtigt, eine muslimische Mehrheit in Jakarta als Gouverneur anzuführen. Von dieser Schmutzkampagne haben eben die beiden gegnerischen Paare profitiert und haben das auch mehr oder weniger offen auch unterstützt, sind auf dieser Welle mitgeritten.“

Wahlbetrug nicht am technischen Ablauf der Wahl festmachen

An die internationalen Beobachter gewandt, mahnt Flor, dass es in Indonesien seit dem Ende der Diktatur 1998 kaum Sinn habe, sich darauf zu fixieren, ob die Wahl tatsächlich korrekt abgelaufen sei. Denn wenn man von Wahlbetrug sprechen wolle, dann müsse man vor allem die Wochen und Monate vor der Wahl ins Visier nehmen:

„Von der technischen Durchführung her bin ich vergleichsweise sicher, dass es keine Wahlfälschung und keine Manipulationen gab, sondern die Manipulation fand eben bereits im November statt, indem man versucht hat, mit dieser Schmutzkampagne den Kandidaten zu demontieren, indem Stimmen gekauft werden, indem Stimmung gemacht wird, indem Medienkampagnen losgezogen werden… Da ist die eigentliche Wahlfälschung zu suchen, nicht an den Wahlurnen.“ 

Symbolwirkung für ganz Indonesien

Im Fall der Bestätigung des Wahlausgangs ist die Stichwahl ist für den kommenden 19. April geplant. Es bleibe abzuwarten, wie sich die Situation bis dahin entwickele, meint Flor. Eine große Rolle könnte dabei auch spielen, ob der Prozess, der Ende vergangenen Jahres wegen Blasphemie gegen Ahok angestrengt wurde, bis dahin bereits abgeschlossen sein werde. Er habe den Koran beleidigt, so die Anklage, mit der religiöse Minderheiten in muslimischen Ländern nur allzu oft vor Gericht gestellt werden. Wenn auch die Wählerschaft sich von diesen Argumentationen beeindrucken ließe, dann stehe ein Wahlsieg von Anies bevor, doch für das Land als solches könnte mehr dabei auf dem Spiel stehen, warnt Flor. Denn der „Fall Ahok“ habe eine starke Symbolwirkung für die Politik des gesamten Inselstaates:

„Und dank dieser Symbolbedeutung geht es letztendlich um die Frage, ob Indonesien ein pluralistischer Staat bleibt, ob die Vielfalt in Einheit, die im Staatsmotto steht, auch bestehen bleibt oder ob die schleichende Islamisierung, die schleichende Vereinheitlichung, weitergeht. Denn wenn die Wahl von „Ahok“ verloren wird, dann ist auf absehbare Zeit undenkbar, dass ein Vertreter einer Minderheit, sei es ein Christ oder sei es ein Vertreter einer ethnischen Minderheit, in wichtige Regierungsämter kommt.“

Hintergrund

Der chinesisch-stämmige (protestantische) Christ Basuki Tjahaja Purnama hat das Amt des Gouverneurs von Jakarta im Jahr 2014 von Joko Widodo übernommen. Dieser wurde zum Präsidenten Indonesiens gewählt, Purnama war damals sein Deputy. Nun tritt er erstmals selbst als Hauptkandidat zur Wahl an. Während seine Unterstützer darauf hinweisen, dass er in Indonesiens Hauptstadt Jakarta viele Projekte angepackt habe, die bislang zu zögerlich angegangen wurden, wie der Kampf gegen Korruption, die Verbesserung von Abwasserreinigung und Müllabfuhr sowie das Funktionieren des Beamtenapparates, so werfen ihm seine Gegner eine „law-and-order“-Mentalität und das Brechen von Wahlversprechen vor. Insbesondere seine Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit (sein Spitzname Ahok nimmt Bezug auf seinen chinesischen Namen) ist vielen radikalen Muslimen ein Dorn im Auge und könnte nun „das Zünglein an der Waage“ sein, dass ihn seine Bestätigung als Gouverneur kosten könnte. 

(rv 16.02.2017 cs)

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