Interview: André Graff über Wasserversorgung in Indonesien

Hohenzollerische Zeitung, 17. Februar 2017

http://www.swp.de/hechingen/lokales/hechingen/andre-graff_-_teilen-ist-sexy_-14460644.html

hohenzollerische-zeitungAm Dienstag bei Watch Indonesia! in Berlin, am Mittwoch in der HZ-Redaktion, am Donnerstag in der Dreifürstensteinschule in Mössingen und dann schnell wieder nach Colmar: André Graff ist viel unterwegs in diesen Tagen. Unermüdlich rührt der Elsässer die Werbetrommel für sein Wasserversorgungsprojekt auf der indonesischen Insel Sumba, dem Armenhaus Indonesiens“. Von Montag bis Donnerstag war Graff in Hechingen, als Gast von Dr. Martin Baier, Vorsitzender des Freundeskreises Indonesische Außeninseln (FIA). Der FIA unterstützt das humanitäre Engagement Graffs seit nunmehr sechs Jahren mit Spendengeldern.

Am Dienstag stellte Graff seine Projekte bei der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia! in Berlin vor. „Es war ein hochinteressanter Tag. Wir haben stundenlang berichtet, diskutiert und uns von Indonesienfachleuten befragen, aber auch kritisieren lassen“, sagt Martin Baier, der Graff nach Berlin begleitet hat. Am Donnerstag hielt Graff seinen umfangreichen Diavortrag in der Dreifürstensteinschule in Mössingen. Am Tag zuvor stattete der 55-jährige ehemalige Heißluftballon-Pilot und Flugorganisator aus dem Elsass, der oft als „Albert Schweitzer der Wasserversorgung“ bezeichnet wird, zusammen mit Dr. Martin Baier der HZ-Redaktion einen Besuch ab.

Bonjour, Herr Graff. Bitte erzählen Sie uns, wie ihr Engagement auf Sumba begonnen hat.

André Graff: Wie so viele kam auch ich anfangs als Tourist nach Indonesien. Bei einem Besuch auf der Insel Sumba – das war 2003 – habe ich gesehen, wie schlecht es den Leuten dort geht, wie sie schwere Wasserkanister über sehr, sehr weite Strecken schleppen müssen, um überleben zu können. Das hat mich schockiert.

Dann haben Sie mit dem Aufbau einer Wasserversorgung begonnen? Woher nahmen Sie das technische Wissen?

Ein Missionar aus Österreich hat mir auf der Nachbarinsel Savu gezeigt, wie man mit einem einfachen Trick funktionierende Brunnen baut: mit konischen Betonringen. Diese Methode hat viele Vorteile: Die Ringe lassen sich leicht stapeln, die Einsturz- und Unfallgefahr ist gering, der Brunnen ist stabil und lässt sich gut besteigen, der Beton schützt das Brunnenwasser vor Verunreinigungen. Diese Brunnenbaumethode habe ich nach Sumba exportiert. 39 Brunnen wurden inzwischen auf diese Weise gebaut. Für zirka 27 000 Menschen bedeutet das ein besseres Leben.

Wie vertraut sind Sie mit dem Leben der Inselbewohner?

Sehr vertraut. Von 2005 bis 2007 habe ich mit den Leuten in einem Dorf gelebt, gegessen wie sie, geschlafen wie sie und auch alle Krankheiten durchgemacht. Wenn ich umherstreifende Europäer höre, die sagen: diese Leute sind doch faul, dann antworte ich: Nein, die Menschen auf Sumba haben eine gute Energie, wenn sie gesund sind, aber sie sind wegen ihrer schwierigen Lebensverhältnisse oft krank. Wenn man Malaria hat, kann man sich nicht bewegen. Überhaupt nicht. Das habe ich am eigenen Leib erfahren.

Für Sie ist Zugang zu sauberem Wasser ein Menschenrecht. Wie soll es mit ihren Projekten weitergehen?

Auch nachdem wir die Brunnen gebaut haben, mussten die Bewohner weit entfernter Dörfer immer noch sehr weit laufen. Also war die nächste Aufgabe, das Wasser in die Dörfer zu bringen. Daran arbeiten wir. Inzwischen wurden auf Savu eine und auf Sumba fünf solarbetriebene Pumpanlagen errichtet. Sie funktionieren perfekt. Mit einer kräftigen Lorenz-Pumpe made in Germany wird sauberes Wasser durch in der Erde vergrabene Plastikrohre in große Plastiktanks auf einer Hochfläche gepumpt und kann von dort in die tiefer gelegenen Dörfer fließen. Die Tanks stehen in Bambushütten und die sind verschlossen. Nur ein aus dem Dorf rekrutierter „Wassermann“ hat die Schlüssel und schaut, dass alles läuft und gerecht zugeht.

Warum spielt die Solartechnik dabei so eine wichtige Rolle?

Wir haben einen großen Feind, gegen den wir ständig ankämpfen. Dieser Feind ist mächtig, raffiniert und weiß zu täuschen: Korruption. Korruption ist in diesem Land allgegenwärtig. Daran scheitern viele Hilfsprogramme. Mit Dieselgenerator betriebene Wasserpumpen laufen nicht lange, weil der wertvolle Kraftstoff  in dubiosen Kanälen verschwindet. Bei Solarenergie ist das anders. Sonnenstrahlen kann man nicht in die eigene Tasche stecken. Ich versuche allen Leuten klar zu machen, dass Teilen sexy ist.

Sie denken also noch lange nicht ans Aufgeben und vielleicht ein beschauliches Leben im schönen Elsass?

Nein, bis jetzt noch nicht. Es gibt auf den Inseln noch viel zu tun. Ich weiß, ich war nicht der Erste, der sich dort für die Wasserversorgung einsetzt, und ich werde hoffentlich auch nicht der Letzte sein. Deshalb wäre es mir zum Beispiel ein großes Anliegen, eine Schule zu errichten, in der junge Einheimische zu Wasserversorgern ausgebildet werden. Vielfach fehlt es den Inselbewohnern an einfachstem Wissen über den Kreislauf des Wassers, die Bedeutung von Wasserreinhaltung. Außerdem plane ich, an einem bestehenden Teich auf der Insel Savu eine Waschanlage für Wäsche zu errichten, mit einer Wasserreinigung durch mit Schilf und Wasserhyazinthen bepflanzte Becken.


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