Indonesien: „Vorurteil, Religion, Rassismus“ bestimmten Wahl
Radio Vatikan, 20. April 2017
Der christliche Bewerber hatte keine Chance: In Indonesien verlor bei der Wahl zum Gouverneur für die Hauptstadt Jakarta der Amtsinhaber Basuki Tjahaja Purnama überraschend deutlich. Den Sieg trug der frühere Bildungsminister Anies Baswedan davon, ein gemäßigter Muslim. Das Ergebnis ist insofern eine Wende für Indonesien, als es zeigt, dass heutzutage offenbar nur muslimische Bewerber von der Hauptinsel Java für hohe politische Ämter in Frage kommen. Diese Einschätzung äußert im Gespräch mit Radio Vatikan Alexander Flor von der Menschenrechtsorganisation „Watch Indonesia!“.
Purnama, genannt „Ahok“, muss sich seit vergangenem Oktober wegen angeblicher Beleidigung des Koran vor Gericht verantworten. Die politisch motivierte Kampagne hatte seine Popularität massiv untergraben. Ohne den Vorwurf der Blasphemie hätte der Amtsinhaber die Wahl gewonnen, denkt Flor. Aus seiner Sicht ging es bei der Wahl nicht um Inhalte, sondern „einzig und allein um Vorurteile, Religion und Rassismus.“
„Es ist insofern eine Wende erreicht, als dass es klipp und klar keinen Neuanfang in Indonesien geben wird“, so Alexander Flor. „Anies Baswedan ist kein Hardliner, das heißt die Katastrophe ist nicht, das Anies gewählt wurde, die Katastrophe ist, dass Ahok NICHT gewählt wurde, und dieses Nichtgewähltwerdenkönnen ist ein Zeichen für alle anderen Regionen Indonesiens und für die nationale Ebene des Präsidentenamtes. Es ist in Zukunft undenkbar, dass jemand, der nicht Javaner ist, der kein Muslim ist, und möglicherweise auch noch das falsche Geschlecht hat, also eine Frau wie Megawati, die früher Präsidentin war, in ein führendes Amt gewählt werden kann, und das ist in der Tat ein extremer Rückschritt für das Land und ein Hemmnis für die Modernisierung.“
Zum ersten Mal war in Indonesien mit „Ahok“ ein Kandidat jenseits des üblichen Profils zur Wahl angetreten, so Flor. Ahok ist nicht nur evangelischer Christ, sondern gehört überdies der chinesischstämmigen Minderheit an. Gouverneur war er seinerzeit geworden, weil der Amtsinhaber zum Präsidenten Indonesiens aufstieg und gesetzeskonform sein Vize ohne Wahl nachrückte.
Der frühere Bildungsminister Anies Baswedan siegte überraschend klar. Warum erschien er offenbar auch jenen, die anfällig sind für Extremismus, als die einzige Alternative?
„Aus genau diesem Grund, dass er eben den islamischen Hintergrund hat. Er ist in der Tat alles andere als ein Islamist, er ist auch kein besonders strenger Muslim, er ist bis heute nicht nach Mekka gepilgert, im Gegensatz zum Vize, der mit Ahok angetreten ist, aber das alles spielt keine Rolle, weil er das Bild des Muslims darstellte, das die Muslime sehen wollten. Es ging auch in keiner Weise um Qualifikationen und Programm, um irgendetwas, was man bei einer Wahl für eine Megacity wie Jakarta im Auge behalten sollte, sondern es ging einzig und allein um Vorurteile, Religion und Rassismus.“
Dass Ahok auch ohne den Vorwurf der Blasphemie die Wahl verloren hätte, glaubt der Indonesien-Fachmann nicht. Bis vergangenen Herbst die Kampagne gegen ihn begann, war der Gouverneur in Jakarta außerordentlich populär.
„Er hat viel für die Stadt getan, er galt als Anpacker, als jemand, der endlich einmal mit Infrastrukturprojekten wie U-Bahn Tatsachen geschaffen hat, er ist gegen Korruption und gegen den Stillstand in den Behörden vorgegangen und war für all diese Sachen durchaus populär. Er hat auch einige Sachen gemacht, die nicht so populär waren, z.B. die Räumung von Armenvierteln im Interesse des Hochwasserschutzes, aber alleine diese Kritik hätte sicher nicht gereicht, um ihn die Wahl verlieren zu lassen.“
(rv 20.04.2017 gs)
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