„Öffnen Sie Ihre Herzen“
Mannheimer Morgen, 11. Mai 2017
HeidelbergCement: Indonesische Aktivistin spricht vor Aktionären und fordert zum Widerstand gegen geplantes Werk in ihrer Heimat auf
Von Bettina Eschbacher
Heidelberg. „Raus aus Kendeng – HeidelbergCement“ ruft eine Gruppe Demonstranten vor der Heidelberger Kongresshalle. Auf ihren Bannern steht „Mensch & Natur vor Profitgier“ oder „HDCement zerstört Lebensgrundlagen“. Die meisten Aktionäre auf dem Weg zur gestrigen Hauptversammlung von HeidelbergCement schauen nur kurz auf die bunte, laute Gruppe. Er wisse gar nicht, um was es gehe, sagt ein älterer Mann im karierten Sakko und biegt schnell in die Kongresshalle ab.
Mahnendes Lied
Wogegen protestiert wird, erfährt er auf der Hauptversammlung, als Gunarti ans Rednerpult tritt. Die schmale Frau ist Bäuerin auf der indonesischen Insel Java und Vertreterin der Bürgerinitiative JMPPK. Sie will ein von der HeidelbergCement-Tochter Indocement geplantes Zementwerk im Kendeng-Gebirge verhindern. Diese Fabrik würde die Lebensgrundlage der Menschen in der Region zerstören, sagt sie in ihrer Rede.
Die Worte werden auf Deutsch von einer Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Watch Indonesia! vorgelesen. Gunarti sieht vor allem die Wasserversorgung der vielen Kleinbauern gefährdet. Das Unternehmen berufe sich auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung, so Gunarti, doch die basiere auf falschen Daten. Sie kritisiert, dass Indocement nicht mit den Betroffenen vor Ort gesprochen habe. Die meisten Aktionäre hören interessiert zu, als Gunarti appelliert: „Darum bitte ich Sie, Ihre Herzen zu öffnen und nicht zuzulassen, dass mit Ihrem Geld unser Leben zerstört wird.“ Am Schluss singt sie ein mahnendes Lied zum Erhalt der Berge.
Gunartis Ordner mit 6000 Protest-Unterschriften nimmt Vorstandschef Bernd Scheifele mit einem freundlichen Händedruck an, doch ihre Vorwürfe will er nicht so stehenlassen. Indocement habe mit vielen Menschen vor Ort gesprochen und sogar eine Repräsentanz gegründet. „Wir hören zu“, sagte Scheifele. Die Wasserversorgung sieht er keineswegs gefährdet, man habe sogar Lösungen entwickelt, die der Bevölkerung während der Trockenzeit helfen könnten. Er sieht in den Protesten auf Java einen „typischen Konflikt“: Bei den Menschen vor Ort gebe es Gegner und Befürworter, der Staat wolle die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben. „Dazwischen bewegen wir uns.“ Es stehe aber angesichts der aktuellen Überkapazitäten in Indonesien noch nicht fest, ob und wann ein Werk gebaut werde.
Wenig auszusetzen hatten die Anteilseigner an der Geschäftsentwicklung. Ein pensionierter Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter kritisierte, die Vorstandsvergütung entspreche nicht „dem Augenmaß des früheren Heidelberger Geists“. Der große Unterschied zwischen dem Gehalt des Vorstandschefs und dem eines Facharbeiters könne sich negativ auf die Motivation der Belegschaft auswirken. Scheifele gehört 2016 mit 8,4 Millionen Euro zu den bestverdienenden Dax-Chefs.
Schub durch Italcementi
Die neue Tochter Italcementi hat zu einem deutlichen Plus in der Quartalsbilanz von HeidelbergCement geführt. Absatz, Umsatz und Betriebsergebnis legten dank des Zukaufs in den ersten drei Monaten 2017 zu. Saisonbedingt gilt das erste Quartal als das schwächste der Branche. Dazu kommt ein Ergebnisrückgang in den Schwellenländern, insbesondere aufgrund gesunkener Preise in Indonesien und Ghana. Das konnte auch durch ein besseres Ergebnis auf reifen Märkten wie Europa nicht ganz ausgeglichen werden.
Bemerkbar machen sich auch gestiegenen Energiepreise. „Das bedeutet bei uns viel Geld“, sagt Scheifele. Für 2017 erwartet er einen Anstieg bei den Energiekosten um zehn Prozent. Er betont aber: Wir haben unsere starke operative Entwicklung im ersten Quartal 2017 fortgesetzt.“ Auch die Integration des Zukaufs Italcementi sei im Plan. Für das laufende Jahr erwartet er eine moderate Steigerung beim Umsatz und einen deutlich höheren Jahresüberschuss.